True Crime: Die spektakulärsten Kapitalverbrechen in OWL

Gütersloh. Johannes Glaw gräbt gerne tief. Der Gütersloher Stadtarchäologe (68) liebt es, historische Fundstücke zu sichten. Diesmal hatte er sich vorgenommen, ein archäologisches Spezialgebiet zu erkunden: Hinrichtungsstätten. Doch als er feststellte, dass im Kreis Gütersloh, abgesehen von Straßenschildern wie dem Galgenknapp in Rheda, nichts mehr davon zu sehen ist, schwenkte er um und schrieb ein Buch – eines über die Verbrechen, die dazu führten, dass diese Richtstätten überhaupt entstanden. In einem solchen Buch kann es sich nur um Kapitalverbrechen handeln – Straftaten, die zur Folge hatten, dass die Täter ihren caput (lat.), Kopf, verloren. In &bdquo;Historische Kapitalverbrechen in Ostwestfalen-Lippe“ beschreibt Glaw 30 solcher Kriminalfälle aus fünf Jahrhunderten; zehn davon spielen im Kreis Gütersloh. Sein Ton ist zurückhaltend, die Fälle sind spektakulär: Es geht um Hexenverbrennungen, ums Rädern, ums Enthaupten, ums Vierteilen. Keiner der Delinquenten kommt in Glaws Schilderungen davon, und alle Fälle sind wahrhaftig so passiert. &bdquo;Es ist gewissermaßen ein Geschichtsbuch“, sagt Glaw. Ein genaues, sorgfältiges, überaus konkretes. Glaw nennt Namen. Er berichtet, dass die verbrannten Hexen Else Laufkötter und Else Moselage hießen, er schreibt, dass im Fall von Johann Bruningk der Diebstahl einer Tischdecke ausreichte, um ihn zum Tod durch den Strang zu verurteilen, er schildert, wie der polnische Zwangsarbeiter Tadeusz Opolski zu Unrecht in der Pixeler Heide aufgeknüpft wurde. Lesen Sie auch: Die True-Crime-Serie Tatort GT - alle brutalen Verbrechen im Überblick Kurzer Prozess: Angeklagt, verurteilt, gehenkt - fertig Tagelang hat sich Glaw in den heimischen Archiven vergraben, sich durch Gerichtsakten gewühlt. Manche Fälle fand er gut dokumentiert, andere weniger. &bdquo;Oft wurde mit dem Täter im wahrsten Sinne des Wortes kurzer Prozess gemacht. Das dauerte nur ein paar Minuten. Angeklagt, verurteilt, gehenkt – fertig. Da hat sich anschließend niemand die Mühe gemacht, das alles ordentlich aufzuschreiben.“ Dass manche Unterlagen in Mittelhochdeutsch verfasst sind, machte die Recherche für Glaw nicht leichter. Als besser erwies sich die Quellenlage, sobald Kirchen ins Spiel kamen: &bdquo;Bei ihnen lief es zwar ebenfalls meistens auf ein Todesurteil hinaus, aber immerhin dokumentierten sie gründlicher“, sagt Glaw. Bei den Hexenprozessen hatte das freilich einen perfiden Grund: Unter der Folter – &bdquo;peinliche Befragung“ (Pein, Schmerz) genannt – sollten sie nicht nur ihren Pakt mit dem Teufel beichten, sie sollten auch andere Frauen der schwarzen Magie anklagen. Verhängnisvoll, wenn deren Namen dann geschrieben stand. Glaws Buch ist mit sechs Exkursen zur Rechtsgeschichte gesprenkelt. &bdquo;Mir geht es um die Einordnung. Wie änderte sich der Umgang mit den Verbrechen im Laufe der Jahrhunderte?“ Die 30 Fälle, die er beschreibt, datieren auf die Jahre 1550 bis 1945. Hexen: Ein Bund mit dem Satan geschlossen Man hatte wohl bewusst einen Freitag, Todestag Christi, gewählt. Am 26. September 1561 wurden Else Laufkötter und Else Moselage bei lebendigem Leibe verbrannt. Viel Volk war auf dem Marktplatz von Wiedenbrück zusammengekommen, um das Schauspiel der ersten Hexenverbrennung in der Stadt mitzuerleben. Die beiden Frauen waren, ein häufiger Vorgang in jener Zeit, von Nachbarn denunziert worden. Sie sollen Kröten in ihren Kochtopf gelegt, neunmal Gott und alle himmlischen Heere geleugnet, Besuch von einem langen schwarzen Mann (lanck swart man) empfangen, miteinander auf dem Hamelbruch hinter Westrups Kampe getanzt haben. Kurz: Sie hatten, so die Anklage, einen Bund mit dem Satan geschlossen.In der &bdquo;gütlichen Befragung“ leugneten Else Laufkötter und Else Moselage alles. Half ihnen das? Mitnichten. Der Folterknecht schwenkte um zur &bdquo;peinlichen Befragung“ und lieferte schon bald das, wonach die Öffentlichkeit verlangte: Geständnisse. Die natürlich unweigerlich zum Schuldspruch führten. Der Stadtkämmerer zahlte dem Stadtzimmermann sodann drei Schillinge, damit dieser Brennholz, Stroh und Teer beschaffte, Leitern und Stühle fertigte und auf dem Marktplatz einen Scheiterhaufen errichtete. Laufkötter und Moselage verbrannten gründlich, und am Ende wurde der Marktplatz gefegt. Beinah 100 Jahre währte in Wiedenbrück der Hexenwahn, er endete erst 1662. Kurz zuvor war der Osnabrücker Fürstbischof Franz Wilhelm von Wartenberg, ein glühender Anhänger der Hexenverfolgung, gestorben. Kriegsverbrechen: Die Körperteile auf die Stadttore gesteckt In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) ging es wüst daher. Marodierende Truppen aller Kriegsparteien zogen durch die Lande, plünderten, brandschatzten. Todesurteile fielen zuhauf, auch in den Jahren danach. Mitunter reichten Kleinigkeiten. Der Wiedenbrücker Johann Bruningk etwa hatte nur eine Tischdecke gestohlen. Doch leider stellten die Befrager fest, dass sein Rücken bereits &bdquo;mit Ruthen gestriechen und gebrandmercket sey“ – Zeichen einer früheren Bestrafung. Da Bruningk also Rückfalltäter war, hängte man ihn. Binnen weniger Jahre, von 1640 bis 1665, verhängte man in Wiedenbrück gleich sechs Todesstrafen. Ein Wiedenbrücker Ratsherr und dessen Sohn hatten sie säuberlich notiert. So wurde Johan Grönen dafür, dass er einen Mitbürger mit dem Degen erstochen hatte, enthauptet – ein gnädiger Tod, verglichen mit dem, was Arent Surmann zu befürchten hatte. Diesen hatte man des versuchten Verrats der Stadt Wiedenbrück an den Kriegsgegner für schuldig befunden. Ein solch schlimmes Vergehen musste gemäß Strafrecht mit dem Vierteilen bestraft werden, doch der Verurteilte hatte Glück: Der Scharfrichter enthauptete ihn zunächst. Erst danach vierteilte er ihn und stellte die Körperteile zur Abschreckung an den Stadttoren zur Schau. Den Kopf ebenfalls: Den steckte er aufs Rad.Weniger gnädig verfuhr er mit Hanß zur Worth, einem Bauern aus Lintel, der sein eigen Kind ermordet hatte. Der Scharfrichter zerbrach ihm auf dem Marktplatz-Schafott die Gliedmaßen mit dem Wagenrad, eines nach dem anderen. Taxifahrer mit Schraubenschlüssel erschlagen Johannes Rottmann überlebte seinen ersten Arbeitstag als Taxifahrer nicht. Als am 4. Juli 1930 um 7.30 Uhr die ersten beiden Fahrgäste vor dem Gütersloher Bahnhof in sein Taxi stiegen und baten, nach Schloß Holte gebracht zu werden, ahnte er nicht, dass es eine Fahrt in den Tod werden sollte. Man fand ihn vier Tage später mit einer Schusswunde und anderen Verletzungen im Unterholz, daneben ein blutverschmierter Stein und die Griffschalen eines Revolvers. Die Polizei ermittelte, gab die Beschreibung eines Zeugen am Bahnhof heraus, nahm Verdächtige fest, setzte 1.000 Mark Belohnung aus – nichts half. Der Fall kam zu den Akten, wurde ein &bdquo;Cold Case“ der Kriminalgeschichte, bis sich sieben Jahr später die Ehefrau eines der beiden Täter gegenüber einer Bekannten verplapperte. Karl Georg Genée und Walter Krause, kurz darauf verhaftet, gestanden alles. Genée war verschuldet gewesen, sein Arbeitgeber Wirus hatte ihm gekündigt. Ihm kam in den Sinn, mit einem Komplizen den Geldboten der Firma zu überfallen. Da er glaubte, mit dem Fahrrad nicht rasch genug fliehen zu können, wollte er ein Taxi kapern. Dass er ausgerechnet an Johannes Rottmann geriet, war Pech. Die beiden kannten sich von der Arbeit bei Wirus. Genée und sein Komplize befürchteten, Rottmann werde gegen sie aussagen, also beschlossen sie, ihn nicht auszusetzen, sondern umzubringen. Am Liemker Weg ließen sie den Ahnungslosen anhalten, schossen ihm in den Kopf und schlugen ihn mit dem Schraubenschlüssel tot. Den Geldboten überfielen sie nicht mehr.Am 11. Juni 1938 köpfte man sie in der Strafanstalt Wolfenbüttel mit dem Fallbeil.

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