Hoffentlich ist der Neue im Gütersloher Rathaus stark wie Herkules

Gütersloh. Corona-Pandemie, Flüchtlingskrise, Gas-Mangellage und die hohe Inflation belasten nicht nur Firmen und private Haushalte, sondern auch die öffentliche Hand. Eine &bdquo;Herkulesaufgabe“ sei es, unter diesen Umständen einen Haushalt aufzustellen, sagt Torsten Fischer. Er ist Kämmerer und Beigeordneter der Stadt Rheda-Wiedenbrück. Weil Einnahmen und Kosten nicht mehr in Einklang zu bringen sind, hat er diese Woche den lokalen Politikern in der Nachbarstadt zu Steuererhöhungen geraten. Was auch sonst. Die Stellschraube der Stadtverwaltungen liegt in der Grund- und Gewerbesteuer. Sobald eine Kommune im Kreis Gütersloh voran geht, trauen sich andere. Auch in Gütersloh werden wir in Kürze diesen Vorschlag vernehmen. Es müsste schon Geld vom Himmel regnen, um eine Steuererhöhung zu vermeiden. In den nächsten Jahren droht hohes Haushaltsdefizit Wie es heißt, droht in diesem und in den nächsten Jahren ein hohes Haushaltsdefizit. Es seien ernsthafte Anstrengungen notwendig, um eine Haushaltssicherung abzuwenden. Einige Fraktionsspitzen seien über den Ernst der Lage im Laufe der Woche vom Verwaltungsvorstand um Bürgermeister Morkes informiert worden. Schon im laufenden Jahr hatte die Stadt mit einem Minus von 49 Millionen Euro kalkuliert. Im kommenden Jahr soll das Defizit bei knapp 60 Millionen Euro liegen, in den Jahren darauf bei annähernd 70 Millionen Euro. Die Gefahr, in die Haushaltssicherung zu rutschen, ist daher reell. Gütersloh steckt in der klassischen Zwickmühle. Noch nie hat es so viele Bauprojekte gegeben, die gerade in Planung sind und umgesetzt werden (müssen). Allein das Projekt &bdquo;Zukunftsfähige Schule“, das größte Bauprojekt der Stadtgeschichte, muss mit rund 100 Millionen Euro geschultert werden. Der Ausbau der Janusz-Korczak-Gesamtschule, weil 26 Räume fehlen und die Bezirksregierung mahnend den Finger hebt. Der Neubau des Ev. Stift. Gymnasiums, der Ausbau des Städt. Gymnasiums und natürlich die Fertigstellung der Dritten Gesamtschule, deren Kosten vormals falsch kalkuliert wurden. Versäumnisse der Vergangenheit Es sind vielfach die Versäumnisse der Vergangenheit, die der Politik nun auf die Füße fallen. Zahlreiche Sparrunden haben den Stadthaushalt entlastet, jedoch zu einem Investitionsstau geführt, der jetzt zusammentrifft mit einer vollkommen unwägbaren Gesamtlage. Die Sozialkosten steigen ins Unermessliche. Dazu kommen weitere Projekte wie der Ausbau von Bahnhof und Busbahnhof. Stadtentwicklung lässt sich schlecht aufs Wartegleis schieben. Es gibt Dinge, die müssen getan werden. Aber wie? Nach den Herbstferien bringt die Verwaltung den Haushaltsentwurf 2023 ein. Vor zwei Jahren bat Bürgermeister Norbert Morkes die Politik und Verwaltung darum, ihm Vertrauen zu schenken. Vertrauen dafür, dass 53 neue Stellen notwendig sind. Im letzten Jahr forderte er rund 40 Stellen. Auch sein Vorgänger Henning Schulz hatte knapp 50 neue Stellen beantragt. Die Aufgaben der Verwaltung sind gestiegen und jeder einzelne Posten mag gerechtfertigt sein – aber kann es auch bezahlt werden? Schon Anfang 2021 hatte Kämmerin Christine Lang befürchtet, dass der Schuldenstand der Stadt Gütersloh binnen kurzer Zeit auf 220 Millionen steigen könnte. Zusammen mit Norbert Morkes mahnten sie die Politiker, nicht das Füllhorn auszuschütten. Lang ist inzwischen von Bord, sie wird geahnt haben, was kommt. "Vertrauen und Offenheit" Seit gestern hat Gütersloh einen neuen Kassenwart: Thomas Könnecker. Er war Leiter der Kämmerei des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Der 55-Jährige war bislang für einen Haushalt im Umfang von rund 3,7 Milliarden Euro verantwortlich. Die Bürger dürfen demnach davon ausgehen, dass ein Profi ihr Geld verantworten wird. Nur hat Könnecker mit dem nächsten Haushalt noch rein gar nichts zu tun. Und ob er überhaupt weiß, auf was er sich da als Kämmerer in Gütersloh einlässt, ist ungewiss. So wird er vermutlich – ähnlich wie Morkes – um Vertrauen werben. Das gilt es jetzt auch zu schenken und darauf zu hoffen, dass in schwierigen Zeiten auch die politischen Lager keine Schlammschlacht über Versäumnisse austragen, sondern sachlich und konstruktiv die Dinge in die Hand nehmen. Denn: Gütersloh ist kein Einzelfall. Einer Umfrage des Städte- und Gemeindebundes zufolge, schaffen weniger als 30 Prozent der Kommunen in NRW einen echten Haushaltsausgleich. Man darf von einer strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen ausgehen. Gütersloh kann den Schulterschluss üben gegenüber der Bundesregierung und Norbert Morkes kann sein Versprechen einlösen, mit &bdquo;Vertrauen und Offenheit“ zu agieren. Und das Motto seiner letzten Haushaltsrede ist aktueller denn je: &bdquo;Nach- und umdenken“. Es gilt ab sofort das Schlagwort, dass uns bereits aus dem Energiesektor bekannt ist: Sparen!

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