Gütersloh Wachsam bis zum Schluss: Langjährige Kämmerin in Gütersloh hört auf

Gütersloh. Kämmerer sind Spaßbremsen, von Amts wegen. Ständig müssen sie mahnen, appellieren, Bedenken tragen, all die schönen Blütenträume der Politiker zerpflücken. Das auszuhalten, fällt nicht jedem leicht. Christine Lang war in der Lage dazu – und deswegen in ihrer Rolle als Kämmerin und Erste Beigeordnete so idealbesetzt. 35 Jahre hat Lang über die Finanzen der Stadt Gütersloh gewacht. Sie hat um jeden kommunalen Euro gerungen, als sei es ihr eigener – das unterstreichen wirklich alle, die mit ihr zu tun hatten. Sie passte auf, dass die Stadt nicht in Schieflage geriet, gab acht, dass niemand auf die Idee kam, das kommunale Säckel zu plündern. Nun hat sie damit aufgehört. Am Freitag, räumte sie ihren Schreibtisch. Lang geht mit 63 Jahren in den Ruhestand, zwei Jahre früher als sie müsste. Christine Lang ging es immer um das Wohl Güterslohs &bdquo;Mir ging es immer um das Wohl der Stadt“, sagt Lang. Dafür habe sie weder andere noch sich selbst geschont. Lösungsorientiert, pragmatisch: So sehe sie sich, so sei sie hoffentlich wahrgenommen worden. Bei der Verabschiedung im Stadtrat vor ein paar Tagen attestierte ihr CDU-Fraktionschef Heiner Kollmeyer &bdquo;Mut, Ehrlichkeit und eine große Lebensleistung. Man konnte Frau Lang ins Feuer schicken, dorthin, wo es wehtut.“ So etwas zu hören, tue ihr gut, sagt Lang. Die vergangenen Tage hat sie sich von Kollegen und Weggefährten verabschiedet. Bei aller Auseinandersetzung um Einzelthemen: In Summe geradlinig und glaubwürdig zu bleiben, das habe sie versucht, genau das bekomme sie jetzt als Wertschätzung zurück. Norbert Morkes bezeichnet Lang als "heimliche Bürgermeisterin" Christine Lang sei manchmal die &bdquo;heimliche Bürgermeisterin“ gewesen, sagte Norbert Morkes bei ihrer Verabschiedung. Ob sie das auch so sehe? &bdquo;Nein, das würde ich nicht unterschreiben wollen.“ Sie sei nicht der Mensch, der auf öffentliche Stadtfeste gehe und das Bad in der Menge suche, sie ziehe keine Befriedigung daraus. &bdquo;Mein vorrangiges Handlungsmotiv ist es nicht, gemocht zu werden, sondern das Richtige zu tun.“ Intern, innerhalb der Verwaltung, habe sie als Erste Beigeordnete durchaus den Anspruch gehabt, führungsstark zu sein. &bdquo;Das entspricht meinem Verständnis dieser Rolle, und das ist etwas, was aus 35 Jahren Verwaltungserfahrung erwächst.“ Als Dezernentin für die Querschnittsbereiche Recht und Finanzen (&bdquo;am Ende kostet fast alles Geld“) habe sie die Folgen von Entscheidungen gut mitdenken können. &bdquo;Wenn ich eine Meinung zu etwas habe und sie begründen kann, sollte es mein Job sein, sie auch auszusprechen.“ Die Verwaltung als neutrale Institution Klar und konstruktiv zu sein: Darauf komme es an. Gespiegelt hat sich das in ihren Sitzungsvorlagen: Was Lang unterzeichnete, war präziser in den Formulierungen als das, was mitunter aus anderen Dezernaten kommt. Sie sagt: &bdquo;Politik braucht eine vernünftige Entscheidungsgrundlage. Dazu gehört, den Sachverhalt pointiert auf den Punkt zu bringen, und sei es, damit sich die Fraktionen daran reiben können. Alles andere sind Halbheiten und vernebeln nur.“ Dass die Verwaltung dabei als neutrale Institution begriffen und betrieben werde, sei unerlässlich. Dafür habe sie gebürgt. Sie streite nicht ab, eine politische Nähe eher zu CDU und Grünen zu empfinden, aber ein Parteibuch habe sie nie haben und sich nie vereinnahmen lassen wollen. Schon charakterlich sei sie nicht der Typ für Schulterschlüsse. Probleme mit der SPD? &bdquo;Ich habe es eher umgekehrt so erlebt, dass die SPD mit mir gefremdelt hat, warum auch immer.“ Ihr Urgroßvater hatte eine Bäckerei in Gütersloh Langs Karriere (so würde sie es vermutlich nicht nennen) verlief ohne Brüche. 1958 in Salzgitter geboren, wächst sie in Bückeburg auf. Jurastudium in Würzburg und Münster, dann, noch vor dem zweiten Staatsexamen, Stammdienststelle am Landgericht Bielefeld. Mit ihrem Freund, der sein Lehramtsreferendariat in Hamm antritt, einigt sie sich auf Gütersloh als Wohnsitz in der Mitte – so kommt es, dass Lang an jenen Ort zurückkehrt, an dem sie Wurzeln hat: Ihr Urgroßvater, ein Mann namens Drewel, hatte am Berliner Platz, wo heute Karstadt steht, eine Bäckerei betrieben. Kaum in Gütersloh angekommen, entdeckt Lang 1987 in der NW, dass die Stadt einen Juristen sucht. Sie bewirbt sich und hat Erfolg. Dass sie drei Jahre später die erste weibliche Amtsleiterin wird, ist ein Fakt, auf den sie stolz ist. &bdquo;Ich hoffe, ich habe ein wenig dazu beigetragen, dass solche Posten für Frauen heute selbstverständlich sind“, sagt sie. Vieles wurde von Christine Lang in die Wege geleitet Nach Geburt ihrer Tochter wird sie erste Amtsleitung mit reduzierter Stundenzahl, 2008 erste weibliche Beigeordnete. Vorbehalte? &bdquo;Habe ich nicht wahrgenommen, ich habe mich auch nie unter besonderer Beobachtung gesehen. Ich fand das alles so selbstverständlich, mir wäre gar nicht in den Sinn gekommen, das aus Frauensicht zu reflektieren.“ Dass es inzwischen viele Fachbereichsleiterinnen gibt und mit Nina Herrling eine Beigeordnete, registriere sie gleichwohl. Zuständig für Finanzen, Recht, Ordnung, Feuerwehr, Umwelt, Grünflächen und Stadtreinigung: Lang verantworte ein riesiges Dezernat und schaffte es gleichwohl, in den Themen sattelfest zu bleiben. Manches heute Selbstverständliche leitete sie in die Wege: Schaffung des Bürgerbüros, Umwandlung der Freiwilligen in eine Berufsfeuerwehr, Verankerung von Umwelt- und Klimabelangen in der Stadtplanung. Dass sie mit der Fusion des Klinikums mit dem Sankt-Elisabeth-Hospital am Veto des Kartellamtes scheiterte, fuchst sie. Als Kämmerin machte es ihr Gütersloh vergleichsweise leicht: &bdquo;Abundant“ nennen die Finanzfachleute eine Kommune, die in der Lage ist, ihre Ausgaben mit eigenen Einnahmen zu decken. Diese Wohlhabenheit, so Lang, habe indes eine Kehrseite: Sie sei verführerisch. &bdquo;Es verleitet die Ratsfraktionen dazu, allzu großzügig das Geld auszugeben.“ Die Rolle als Mahnerin stand Christine Lang gut 2008, Lang war soeben Beigeordnete geworden, ploppte die Finanzkrise auf, die Stadt geriet in Geldnöte. &bdquo;Die Steuereinnahmen rutschten in den Keller, wir mussten heftig gegensteuern. Das war herausfordernd. Der Konsolidierungsprozess, den wir angeschoben haben, war notwendig, er hielt uns handlungsfähig.“ Damals, so Lang, habe sie ein bereitwilliges Sparbemühen erleben dürfen, eine Anstrengung, die allen Fraktionen wichtig war. Die üppigen Jahre danach hätten dieses gemeinsame Bemühen verflüchtigen lassen. Für die städtischen Finanzen sei das gar nicht gut. Die parteipolitische Konkurrenz führe dazu, die Ausgaben hoch zu schaukeln, eine Spirale, die den Sparwillen bröckeln lasse. &bdquo;Ich sehe ernsthaft die Gefahr, dass die Fraktionen erst aufwachen, wenn die Stadt Millionendefizite macht.“ Da ist sie wieder, ihre Rolle als Mahnerin, bis zum letzten Arbeitstag. Glaubwürdiger geht kaum. Wohl deshalb bescherten ihr die Ratsfraktionen zum Abschied minutenlange Standing Ovations.

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