Einstige Solarhauptstadt Deutschlands: Jetzt hinkt Gütersloh hinterher

Gütersloh. In Neubaugebieten müssen private Bauherren laut Ratsbeschluss eine Photovoltaik (PV)-Anlage aufs Hausdach stellen und umweltfreundlich Strom produzieren. Mit der Solarpflicht sei Gütersloh gemeinsam mit nur wenigen anderen Städten in NRW beispielgebend, hieß es in der politischen Debatte. Und die Stadt selbst? Geht auch sie als Eigentümerin zahlreicher Gebäude beim PV-Ausbau voran? Die SPD hatte zu dieser Thematik im Dezember eine Anfrage an die Verwaltung gerichtet. Jetzt liegt eine Liste mit den vorhandenen und geplanten Solaranlagen auf städtischen Gebäuden vor. Das Ergebnis ist teilweise ernüchternd. Schulen Die Aufstellung zeigt, dass zwar fast alle untersuchten Schulen für die PV-Aufstellung geeignet sind. Ausnahmen sind die Grundschulen Isselhorst mit ihren gestückelten Dachflächen und Neißeweg, deren künftige Nutzung noch unklar ist. Doch längst nicht allen anderen Schulen verfügen inzwischen über Solaranlagen. Und in einigen Fällen waren es ohnehin Fördervereine, die bereits vor über 20 die Sonne aufs Schuldach holten. Nun sollen laut Liste für knapp 600.000 Euro vorhandene Anlagen erweitert oder neue errichtet werden. Sportstätten Bei den 12 aufgelisteten Sportstätten, allen voran diejenigen in Friedrichsdorf und Spexard, sind jetzt ebenfalls nennenswerte Investitionen in Sachen Solar geplant. Die Summe liegt hier bei 316.000 Euro. Aktuell wird lediglich im Heidewaldstadion Strom aus Sonnenenergie erzeugt. Kitas Von den 19 aufgeführten Kitas scheiden 11 für einen Ausbau aus, weil zu viel Schatten auf den Dächern liegt oder die Dachformen zu verwinkelt sind. Zu den vorhandenen vier Anlagen sollen fünf weitere hinzukommen; die leistungsstärksten sind am Langertsweg und am Wöstmannsweg geplant. Gesamtkosten: 112.000 Euro. Feuerwachen Von den Feuerwehrstandorten ist bislang nur die neue zentrale Feuerwache mit einer – recht bescheidenen- Anlage bestückt. In Zukunft sollen die übrigen Wachen in Avenwedde, Friedrichsdorf, Isselhorst und Spexard für 105.000 Euro mit Modulen nachgerüstet werden. Verwaltungsgebäude Von den 13 Verwaltungsgebäuden und Betriebsstätten sind lediglich das Rathaus II und der Betriebshof Westring mit PV-Anlagen versehen. Und nur eine weitere (35.000 Euro, Alte Post an der Kaiserstraße) soll hinzukommen. Wann die einzelnen Vorhaben mit einem Gesamtvolumen von knapp 1,2 Millionen Euro umgesetzt werden und in welcher Reihenfolge, das geht aus der Aufstellung nicht hervor. Mit der vorgelegten Liste werde die vorhandene Leistung auf städtischen Gebäuden von rund 720 kWp auf 1.675 kWp mehr als verdoppelt, resümiert der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Stefan Bethlehem. &bdquo;Das ist schon einmal sehr gut.“ Jetzt komme es drauf an, dass nicht wieder mehr als zwölf Monate vergehen, bis die Umsetzung beginne. Bethlehem erinnert auch daran, dass es Ziel sei, die Gesamtleistung im Stadtgebiet auf 60 MWp auszubauen, nicht durch die Stadt allein, sondern auch durch die Haushalte und Unternehmen. Die Stadt nehme aber eine Vorbildfunktion ein und solle die größtmögliche Auslastung auch ausbauen. Nach Aussage der Grünen hat die Stadt in der Vergangenheit viel zu stark auf eine möglichst schnelle Amortisation der Anlagen und auf Eigenverbrauch des produzierten Stroms gesetzt. Folge: Der Ausbau sei viel zu langsam gegangen. Das sei ein Problem, weil die Stadt so nicht mit gutem Beispiel bei der Energiewende vorangegangen sei, so die Aussage der Fraktionssprecherinnen Birgit Niemann-Hollatz und Gitte Trostmann sowie des Umweltausschussvorsitzenden Martin Noack.Gütersloh – einst Solarhauptstadt Deutschlands - nutze damit nur aktuell nur 6 Prozent (Stand: Ende 2020) des solaren Potenzials, anders Rietberg mit 13 Prozent. &bdquo;Damit bleiben wir weit unter unseren Möglichkeiten zurück und erreichen nicht das Ziel, die Stromversorgung zum Beispiel unabhängiger von Strom aus mit russischem Erdgas belieferten Kraftwerken oder aus anderen fossilen Quellen zu machen. Wir gehen damit zu wenig ambitioniert voran, wenn man bedenkt, dass uns nur noch 7 Jahre und 4 Monate bleiben, bis das globale CO2-Budget aufgebraucht ist, das wir zur Verhinderung einer Erwärmung von über 1,5 Grad noch zur Verfügung haben.“ "Dürfen nicht lockerlassen" SPD und auch die Grünen plädieren dafür, so schnell wie möglich ein Umsetzungskonzept und einen Ausbauplan für die in der Liste aufgeführten Vorhaben aufzustellen. Auch für die Gebäude, die jetzt in den Besitz der Concept GT übergegangen sind, sowie für die anderer städtischer Tochtergesellschaften müsse dringend eine solche Liste samt Priorisierung erstellt werden, fordern die Grünen. Einen Grundsatzbeschluss exakt dazu hatte der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz bereits Ende November vorigen Jahres einstimmig beschlossen.&bdquo;Wir sind zuversichtlich, dass auch durch die neu geschaffenen Stellen im Klimaschutz, aber auch in der Stadtplanung nun mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, um den notwendigen Ausbau voranzutreiben“, meint Stefan Bethlehem. Es gehe ja nicht nur um die städtischen Gebäude, die nur einen kleineren Beitrag auf dem Weg zum Gesamtziel 60 MWp Strom aus PV leisteten. &bdquo;Wir dürfen also nicht lockerlassen, und die beschlossene PV-Pflicht muss auch tatsächlich umgesetzt werden.“ Die aktuelle Verteuerung der fossilen Brennstoffe zeige zudem, dass dieser Weg auch aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus sehr sinnvoll sei.

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