Modernes Wohnen: "Wenn Zuhause der Grund ist, warum es einem schlecht geht"

Gütersloh. Die Makler im Kreis Gütersloh sind sich einig: Der Handschlag schon während der Besichtigung ist der sicherste Weg, um seine Traumimmobilie kaufen zu dürfen. Wer groß überlegt und sich mit einer Kaufentscheidung Zeit nimmt, hat verloren. Ein anderer Interessent schlägt in diesem Moment gewiss zu und schnappt einem das Wunschobjekt direkt vor der Nase weg. Angebot und Nachfrage regulieren den Markt. Das war schon immer so. Allerdings ist es anstrengend, dass die Gesellschaft ein solch exzessives Konkurrenzdenken entwickelt hat. Schon beim Anschauen der Bilder im Exposé, während man vor dem inneren Auge versucht, sich sein zukünftiges Zuhause mit Möbeln und neuem Anstrich vorzustellen, muss eigentlich die Entscheidung pro Kauf bereits gefallen sein. Bewusst oder unbewusst - es entsteht Druck Wenn nicht, dann ist das Spiel gelaufen. Es kommen Gedanken auf, wie viele andere Familien sich zum gleichen Zeitpunkt wie man selbst das Inserat noch anschauen. Ist das nicht fürchterlich? Bewusst oder unbewusst - es entsteht Druck. Druck, der bei einer solch wichtigen Entscheidung fürs Leben nicht da sein sollte. Das positive Gefühl geht verloren. Dabei ist Wohnen grundsätzlich ein sehr persönliches und sensibles Thema.Kommen Objekte wie die 45 Britenhäuser an der Englischen Straße im Sommer auf den Markt, sind die Augen der Gütersloher wegen der Grundstücksgröße und der Lage vermutlich erst einmal groß. Dass sie auf den ersten Blick günstiger erscheinen als die schon zum Verkauf stehenden Offiziershäuser, ist klar. Im Bieterverfahren werden sich die Interessenten aber gegenseitig übertrumpfen. Wer das meiste Geld hat, gewinnt auch hier das Rennen. Wer kann da mithalten? Wie soll die Entwicklung weitergehen? Unter solchen Umständen eine vernünftige und durchdachte Entscheidung zu treffen, ist schwer. Für ihre Wunschimmobilie geben Menschen Geld aus, das sie nicht haben. Bevor sie aber gar keine Wohnung mehr bekommen, nehmen sie eine deutliche Überschuldung in Kauf. Das zieht einen Rattenschwanz nach sich, der, wenn alles gescheitert ist, nur noch das Gefühl von Leere hinterlässt. Das Zuhause, das man sich so sehr gewünscht hat, ist dann der Grund dafür, warum es einem schlecht geht. Dabei sollte es doch der erste Grund sein, warum es genau das eben nicht tut. Wie soll die Entwicklung weitergehen? Mittdreißiger müssen sich schon heute um das Wohnwohl ihrer Kinder sorgen. Zieht das Töchterchen in 20 Jahren aus dem Elternhaus aus, schaut es sicherlich in die Röhre, wenn Mama und Papa sich nicht schon jetzt um ihre Zukunft gekümmert haben. Ohne Erbe mit reiner Arbeitskraft wird sie sich ihre Traumimmobilie im Jahr 2042 bei immer weiter steigenden Preisen niemals kaufen können.Die aktuelle Generation von Eltern, die sich ihr eigenes Traumhaus derzeit schon nicht mehr leisten kann, verkommt so zum Mittelsmann für seine eigene Familie. Das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit bleibt beim Hauskauf auf der Strecke und kann womöglich nur noch per Mietwohnung erreicht werden. Macht man bei dem munteren Treiben im Kampf um den schönsten Wohnraum mit, ist Depression angesagt. Wir müssten alle an einem Strang ziehen Wie lässt sich das ändern? Nochmal: Angebot und Nachfrage regulieren den Markt. Wir sind Angebot und Nachfrage. Warum steigen wir nicht einfach aus dem Markt aus?Nur weil uns von Kindheit an von der Öffentlichkeit eingetrichtert wird, irgendwann ein Eigenheim mit Garten besitzen zu müssen, ist es noch lange keine Schande zur Miete zu wohnen. Wenn niemand mehr bei dem Wettrennen um die tollste Kaufimmobilie mitmacht, dann kann man irgendwann eine der wichtigsten Entscheidungen des Lebens auch wieder in Ruhe treffen - ohne dem Makler noch bei der Besichtigung den Handschlag geben zu müssen.Das bleibt aber Utopie. Denn der Mensch ist egoistisch, vergleicht sich und strebt nach Fortschritt und Verbesserung. Schneller. Weiter. Höher. Das gilt im übertragenden Sinn auch für die eigene Immobilie. Damit wir alle an einem Strang ziehen und aus dem Wettbewerb auf dem Immobilienmarkt aussteigen, muss viel passieren. Wenn es nicht einmal eine weltweite Pandemie, verbunden mit einer extrem hohen Inflation schafft, die Menschen zu einen, kann man in dieser Hinsicht nur schwarz sehen.

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