Heikle Funde in Gütersloh: Große Nachfrage nach umstrittenen Gegenständen

Gütersloh. Ein Neusser Auktionshaus, eigentlich auf Briefmarken spezialisiert, hat kürzlich für Aufsehen gesorgt. Grund: Es wurden Zeugnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus angeboten - Briefe von KZ-Insassen ebenso wie Dokumente der Lagerverwaltung. Nach heftigen Protesten zog das Auktionshaus das Angebot zurück. Auch der Gütersloher Auktionator Detlef Jentsch kritisiert das Vorgehen der Neusser scharf. Doch wie geht er mit Dingen aus der NS-Zeit um? In Neuss wurde unter dem Titel &bdquo;Das System des Terrors Vol. II 1933–1945“ der Eindruck erweckt, als diene die Versteigerung der Aufklärung über diese Zeit. Dass die Auktion vor allem einen kommerziellen Aspekt hatte, wurde unter anderem von Opfer-Organisationen kritisiert. &bdquo;Für Verfolgte der Nazis und Überlebende des Holocaust ist diese Versteigerung ein zynisches und schamloses Unterfangen“, erklärte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner in einer Pressemitteilung des Internationalen Auschwitz-Komitees. &bdquo;Dokumente der Verfolgung und des Holocaust gehören den Familien der Verfolgten. Sie sollten in Museen oder Gedenkstätten ausgestellt und nicht zu Handelsobjekten degradiert werden.“ Auch das Fritz-Bauer-Institut kritisierte: &bdquo;Mit solchen Unterlagen dürfen keine Geschäfte gemacht werden.“ Jentsch: Namen werden nicht veröffentlicht Ein Kritikpunkt betraf auch die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. So sei, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, ein Gutachten über einen zwangssterilisierten Mann angeboten worden, dem &bdquo;angeborener Schwachsinn“ attestiert wurde. &bdquo;In einem öffentlichen Archiv würde ein solches Dokument nur unter Auflagen zugänglich gemacht, um die Angehörigen zu schützen“, zitiert die Süddeutsche das Fritz-Bauer-Institut. Dass in Neuss die Namen nicht unkenntlich gemacht wurden, hält auch Detlef Jentsch für einen groben Fehler. &bdquo;Das geht überhaupt nicht. Man darf keine Briefe oder öffentliche Dokumente veröffentlichen, in denen Namen stehen. Das gilt auch dann, wenn keine Angehörigen oder Nachfahren mehr leben sollten.“ Lesen Sie auch: Bekannter Gütersloher bringt Gold und andere Schätze eines Milliardärs unter die Leute Als öffentlich bestellter und vereidigter Versteigerer, seit 1973 der einzige in OWL, wird er häufig auch mit der Versteigerung von Nachlässen betraut. Im Laufe der Jahrzehnte hat er sich dabei das Vertrauen vieler, auch teils sehr wohlhabender Familien weit über die Region hinaus erworben. Bei dem Auftrag, den Nachlass zu versteigern, kommen ihm nicht selten auch Gegenstände des NS-Systems unter den Hammer. SS-Sachen bringen mehr ein als ein Schrank von 1740 &bdquo;Es gibt viele Familien, auch in Gütersloh, in denen Vorfahren hohe Positionen im NS-Regime innehatten. Dinge aus dieser Zeit wurden nach dem Krieg versteckt. Aber jetzt kommen sie langsam wieder ans Tageslicht“, sagt Jentsch. &bdquo;Ich frage dann schon beim Eintritt in diese Häuser: War hier einer bei Onkel Adolf? Das wird natürlich immer verneint. Und plötzlich kommen dann doch im Schrank oder auf dem Dachboden versteckte NS-Sachen zum Vorschein.“ Einmal habe sich in einem Haushalt durch den Fund eines versteckten Bildes herausgestellt, dass der Verstorbene bei der Waffen-SS war. &bdquo;Da haben wir den ganzen Dachboden durchwühlt und viele Sachen von der SS gefunden. Die haben bei der Versteigerung 16.000 Euro gebracht, ein kostbarer Schrank von 1740 hingegen nur 300 Euro. Das müssen Sie sich mal vorstellen“, sagt Jentsch kopfschüttelnd. Einmal habe er in einem Nachlass ein Heft gefunden, in dem Beteiligte an der Pogromnacht 1938 in Gütersloh namentlich aufgelistet waren. &bdquo;Es heißt ja immer, die seien von außerhalb gekommen. Sie würden staunen, wenn Sie wüssten, wer hier aus Gütersloh dabei war. Da sind viele bekannte Namen darunter.“ Verraten aber wird er diese Namen nicht. Verschwiegenheit und Diskretion gehört zu seinem Beruf. Das Heft ist ohnehin verkauft, es ging an eine Privatperson. Überwiegend kaufen Museen Gegenstände aus der NS-Zeit Doch überwiegend würden NS-Gegenstände bei ihm von deutschen Museen ersteigert. &bdquo;Und dort gehört sie eigentlich auch hin. Museen wollten jahrzehntelang mit solchen Sachen nichts zu tun haben. Seit einigen Jahren merken sie aber, dass sie kaum Gegenstände aus dieser Zeit haben“, so Jentschs Erfahrung. Unentgeltlich gibt er diese Dinge nicht ab. Auch nicht an Museen oder andere Forschungsinstitutionen. Die (pekuniären) Interessen der Auftraggeber haben Vorrang. Lesen Sie auch: Diese Villa in Gütersloh birgt Schätze – und Sie können sie ersteigern Doch auch bei Privatleuten ist das Interesse groß, sich solche Dinge zuzulegen. Diese gehörten zum betuchteren Teil der Gesellschaft. Und nicht nur das: &bdquo;Manche feiern auch noch Führers Geburtstag. Auch in Gütersloh.“ Einige dieser Interessenten sammelten auch Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg. &bdquo;Das ist illegal und wird streng verfolgt, und das ist auch richtig so“, sagt Jentsch. Er selbst versteigere keine Maschinengewehre oder Ähnliches, auch weil er nicht hundertprozentig sicherstellen könne, dass diese wirklich dauerhaft funktionsunfähig sind. &bdquo;Die Verantwortung kann ich nicht übernehmen.“ Olympiamedaille von 1936 in Gütersloh versteigert Mit Gegenständen aus der NS-Zeit verfährt Jentsch diskret. Nur aufgrund der NW-Anfrage wegen der abgesagten Neusser Auktion erzählt er, dass bei der Weihnachtsauktion am Samstag, 29. November, auch einige NS-Gegenstände unter den Hammer gekommen sind. Es waren zumeist einschlägige Orden und Abzeichen. Auch eine Teilnehmermedaille in Bronze von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin ist dabei. Bemerkenswert ist die fehlerhafte Inschrift: &bdquo;Ich rufe die Junge der Welt“. Auch ein Hakenkreuz ist abgebildet. Detlef Jentsch hat es, wie er es immer bei solchen verfassungswidrigen Symbolen tut, sorgfältig abgeklebt. 500 Euro ruft er dafür aus. Auch interessant: Einblicke in Gütersloher Villa: Eigentümer sucht bald Mieter für außergewöhnliche Wohnung Eine andere Auszeichnung, der Orden Isabellas der Katholischen, wird mit 1.000 Euro ausgerufen. Der Orden selbst ist politisch eher unverdächtig. Beigefügt ist jedoch eine Urkunde vom 24. November 1942, die den Träger dazu ermächtigt, die Auszeichnung anzunehmen - unterschrieben von Adolf Hitler.

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