So wird in einem Gütersloher Seniorenheim Weihnachten gefeiert

Gütersloh. "Herr Gerhards wünscht sich bestimmt eine Playstation 5", sagt Heimleiter Stefan Rischer und zwinkert seinem Sitznachbarn zu, der den Kommentar verschmitzt grinsend aufnimmt. Wilhelm Gerhards (91) ist Witwer und lebt seit sieben Jahren im Seniorenzentrum. Mit seinem Rollator sei er noch ganz gut zu Fuß, sagt er. Und dann hat er noch ein für seine Generation eher ungewöhnliches Hobby: er spielt sehr gerne Videospiele. Drei Spielekonsolen und einen PC nennt er sein eigen."Das hält mich fit im Kopf! Ich habe gerade Final Fantasy 10 durchgespielt, nur der finale Gegner steht mir noch bevor", berichtet der 91-Jährige. Außerdem ist er ein leidenschaftlicher Leser. Besonders stolz ist er auf seinen ersten selbstverfassten Roman "Wbz 2 – Eine erdachte Zukunft", den er hier im Haus geschrieben hat. Das Werk ist im Buchhandel und in der Stadtbücherei erhältlich. "Zu Weihnachten kommt wahrscheinlich mein Enkel mit Frau und Baby zu Besuch", sagt Wilhelm Gerhards. Bewohner des Florin-Hauses basteln Weihnachtsdekoration selbst Das Wilhelm-Florin-Haus an der Berliner Straße ist mit viel Liebe zum Detail geschmückt, im Garten erstrahlt zusätzlich eine 17 Meter hohe Tanne abends im Lichterglanz. "Die Weihnachtsdeko wurde von den Bewohnern selber gebastelt", erklärt Stefan Rischer, der im März die Hausleitung des zum Evangelischen Johanneswerk gehörenden Seniorenzentrums übernommen hat. "Das Zusammenleben hier ist keine Zweckgemeinschaft, es gibt viele soziale Verbindungen untereinander. Man denkt bei einem Seniorenzentrum oft, dass das auf ein kleines Zimmer reduziert ist, dabei gibt es viele Gemeinschaftsflächen und Gruppen-Angebote", sagt Stefan Rischer.Die drei Bewohner stimmen zu, sie möchten gerne, dass die Öffentlichkeit auch positive Eindrücke aus ihrem Leben mitbekommt. "Die Weihnachtsbäume werden von den Mitarbeitern gemeinsam mit den Bewohnern dekoriert. Einige Bewohner bringen auch ihren alten Christbaumschmuck von zu Hause mit", so Rischer. Insgesamt gibt es in der Adventszeit viele Angebote. In der Backgruppe beispielsweise werden zusammen Plätzchen und Kuchen gebacken, die an der Adventstafel bei Kaffee und Tee verzehrt werden. Auch das Orchester der Feuerwehr hat schon auf der Gartenterrasse ein coronakonformes Konzert gegeben. 85-Jährige trifft sich mit ihren Angehörigen zur Vorsicht nur kurz draußen Emma N. (Name geändert) hat die Entscheidung, ins Wilhelm-Florin-Haus zu ziehen, bewusst getroffen. Der 85-jährigen Witwe wurden Haus und Garten zunehmend zu viel und sie war viel alleine zu Hause. Im Oktober 2020 zog sie in das Seniorenzentrum - und steht voll hinter dieser Entscheidung. "Als ich das erste Mal zur Tür reinkam wusste ich: das ist es! Alles was ich heute hier entdecken kann, hätte ich so zu Hause nicht machen können." Sie nutze die Angebote des Zentrums, gehe viel spazieren und habe eine kleine Spielegruppe nach dem Abendbrot. Außerdem schreibe sie viele Briefe und Karten. Gerne achtet sie auch darauf, andere Bewohner mit einzubeziehen. Ihre Pläne zu Weihnachten? "Mein Sohn und meine Schwiegertochter wollten eigentlich vorbeikommen. Aber wegen der neuen Corona-Variante haben wir beschlossen, dass wir uns nur kurz draußen treffen. Ich finde das in Ordnung, hier zu bleiben. Hier habe ich auch insgesamt mehr Gesellschaft." Für die Bewohner wird an Heiligabend ein Vier-Gänge-Menü serviert Marianne Kramme (85) wohnt seit Januar 2021 im Seniorenheim, es ist ihr erstes Weihnachtsfest hier. "Als ich letzten November aus der Reha kam und kurz darauf die Narbe bei einem Sturz wieder aufriss, sagte mein Sohn 'Mutter, ich kann nicht mehr. Etwas muss jetzt passieren'." Für ihr Sozialleben stellte sich der Umzug als Glücksfall heraus.Zu Hause sei sie oft alleine gewesen, nun habe sie viele Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme ohne weite Wege. Aber nicht nur vor Ort, sondern auch über WhatsApp halte sie viel Kontakt zu Freunden. Heiligabend werde sie mit ihrem Sohn verbringen, den ersten Weihnachtstag mit ihrer Tochter. "Und am Zweiten Weihnachtstag...da will ich vielleicht auch einfach mal meine Ruhe haben", sagt die Seniorin und lacht."Viele Bewohner verbringen die Feiertage tatsächlich auch bei ihrer Familie zu Hause", sagt Stefan Rischer. Für die, die an Heiligabend da bleiben, gebe es ein Weihnachtsprogramm. "Der Speisesaal wird umdekoriert. Die Tische werden zu kleineren Gruppentischen zusammen gestellt und schick eingedeckt, wie im Restaurant. Dann wird ein Vier-Gänge-Menü serviert." Ein traditionelles Weihnachtsessen mit Gans und Rotkohl, ein Glas Wein dazu, begleitet von Klavierspiel im Foyer - das soll für festliche Stimmung sorgen. Vor Corona seien auch die Familien der Bewohner dabei gewesen, aber das sei dieses Jahr leider nicht möglich. Fokus liege auf der Zeit, die man einander schenkt, sagt Marianne Kramme Unter dem Weihnachtsbaum im Speisesaal steht bereits die traditionelle Weihnachtskrippe - an Heiligabend gesellen sich Päckchen dazu, denn auch eine Bescherung soll es geben. "Die Geschenke besorgen die Pflegekräfte für die Bewohner, die sie am besten kennen. So können sie auch individuell für den Menschen ausgewählt werden", erklärt der Hausleiter. Weihnachtsgottesdienst und Gesang darf auch nicht fehlen. Das Materielle sei ihnen gar nicht so wichtig, der Fokus liege eher auf der Zeit, die sie einander schenken, sagen die Senioren. "Und dass man seine Lieben mal richtig in den Arm nehmen kann", erklärt Marianne Kramme. Jemandem etwas schenken könne man ja auch das ganze Jahr über, nicht nur an Weihnachten. Diese Regeln gelten für Besucher des Hauses "Dieses Jahr ist alles Gott sei Dank lockerer", sagt Stefan Rischer. "Wir haben inzwischen eine gute Impfquote bei Bewohnern und Personal, etwa 85 Prozent, und fast alle sind auch schon geboostert." Aktuell gilt für Besucher 2G+, wobei der Test nicht älter als 24 Stunden sein darf. Vor Ort wird zu festen Zeiten eine Testung angeboten, darüber hinaus befindet sich in der Nähe ein Testzentrum, das auch über die Feiertage geöffnet hat. Bei Eintritt wird außerdem die Temperatur gemessen und es besteht eine Maskenpflicht. Trotz der zahlreichen Vorsichtsmaßnahmen gebe es viele Besucher und diese seien auch sehr geduldig und voller Verständnis. Einen positiven Aspekt kann Rischer der Corona-Situation abgewinnen: "Der Kontakt zwischen den Besuchern und den Mitarbeitern der Einrichtung ist intensiver geworden. Jetzt, wo sich jeder an- und abmelden muss, kommt man viel mehr ins Gespräch, lernt sich besser kennen."

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