Zu leise, zu teuer, zu schwache Batterie - was ist dran an den E-Auto-Mythen?

Herr Gunnar Gühlstorf, fahren Sie ein E-Auto? Gunnar Gühlstorf: Seit zwei Jahren fahre ich ein Hybrid-Fahrzeug. Das Fahrzeug wird beim Arbeitgeber und zuhause geladen. Dadurch kann ich sicherstellen, dass ein möglichst großer Anteil der Fahrten mit elektrischem Antrieb zurückgelegt wird. Mein nächster Pkw wird aber vollelektrisch sein. Die mittlerweile verfügbaren Batteriekapazitäten sind für mich als Pendler mit einer vergleichsweise langen Wegstrecke kein Hinderungsgrund mehr, auf ein vollelektrifiziertes Fahrzeug umzusteigen. Von 332.697 angemeldeten Fahrzeugen im Kreis Gütersloh haben aber lediglich 2.609 einen reinen E-Antrieb. Elektroautos machen hier also einen geringen Anteil aus. Woran liegt das? Gühlstorf: Durch das Angebot an E-Fahrzeugen ist der Abwägungsprozess beim Autokauf nicht leichter geworden. Im Zweifel schlägt die Waage dann doch vielleicht in Richtung eines Verbrenners aus, weil er dem Kunden vertrauter ist. Ein wesentlicher Punkt mag aber auch die Ungewissheit über Reichweite und Auflade-Infrastruktur sein. Flächendeckende Tankstellen geben uns ein Gefühl von Sicherheit. Mit Ladesäulen sieht das gegenwärtig noch etwas anders aus. Und nicht jeder kann sein E-Auto privat über eine Wallbox oder in der Firma aufladen. Lesen Sie auch: Viele Gütersloher kaufen E-Ladestationen, obwohl sie gar kein E-Auto besitzen Mit der fehlenden Infrastruktur und der Batterieleistung haben Sie zwei Kritikpunkte angesprochen. Auch der Preis sowie das für viele zu leise Geräusch beim Fahren stellen eine Hürde beim Kauf dar. Was sagen Sie dazu? Gühlstorf: Gegen leise Fahrzeuge ist nichts einzuwenden, sie schonen unsere Gesundheit und verbessern die Lebensqualität insgesamt. Zu hören sind die Fahrzeuge ja immer noch. Wer jedoch einmal mit einem rein elektrischen Fahrzeug unterwegs war, wird sich auch gerne an die Ruhe im Innenraum erinnern. Die Anschaffung eines Elektroautos ist teurer als die eines üblichen Verbrenners. Allerdings werden durch eine größere Serienproduktion und die zukünftig sinkenden Kosten der Batterie Elektroautos immer erschwinglicher. Und doch sind E-Autos vielen Verbrauchern zu teuer. Gühlstorf : Das mag sein. Die laufenden Kosten eines Elektroautos sind aber deutlich geringer. Es verursacht weniger Wartungsaufwand. Auch eine Tankfüllung ist günstiger. Der Strom für 300 bis 400 Kilometer (60 kWh) kostet aktuell etwa 18 Euro. Ein weiterer Vorteil sind die monetären Förderungen, die den Kauf eines Elektroautos günstiger werden lassen. Es wird ein Zuschuss von bis zu 6.000 Euro vom Staat gewährt und weitere 3.000 Euro vom Automobilhersteller. Hinzu kommen steuerliche Vorteile. Bleibt die Kritik an der Reichweite. Gühlstorf: Die Batterietechnologie geht mit Riesenschritten voran. Allerdings sind nach wie vor die Reichweitenangaben der Hersteller mit Zurückhaltung zu betrachten. Im Praxistest weichen die Werte meistens erheblich von den Werbeversprechen ab. Das liegt zum einen an den mangelnden Erfahrungswerten, Beeinträchtigungen durch die Außentemperatur, aber auch durch das Fahrverhalten selbst, das &bdquo;neu" erlernt werden muss: Elektrisch fahren bedeutet, noch vorausschauender zu fahren. Wo liegen aus Ihrer Sicht noch große Hürden und wie könnte man diese beseitigen? Gühlstorf: Die erste Hürde besteht in den Köpfen. Hier kann ich empfehlen, ein E-Auto Probe zu fahren. So bekommt man ohne viel Aufwand ein Gespür für Elektromobilität und kann Vorbehalte abbauen. Und die zweite? Gühlstorf: Fakt bleibt, dass die Ladeinfrastruktur weiter ausgebaut werden muss. Das betrifft vor allem die Orte, an denen die Fahrzeuge lange Standzeiten haben, also beim Arbeitgeber und zuhause. Hier werden nach unserer Einschätzung mit etwa 80 Prozent die meisten Ladevorgänge stattfinden. Im Öffentlichen Bereich stellen die Stadtwerke Gütersloh schon seit etwa 2,5 Jahren mit 20 Ladepunkten eine Art Grundnetz zur Verfügung, weitere Ladepunkte sind in Planung. Lesen Sie auch: Mehr Chance als Schaden - Sharing in der Coronakrise Sie haben kürzlich angekündigt, neue E-Ladesäulen in der Stadt installieren zu wollen. Wo sollen diese stehen? Gühlstorf: Mit der Errichtung von zwei neuen Ladesäulen und damit vier neuen Ladepunkten auf dem Parkplatz der &bdquo;Weberei" stehen wir bereits in den Startlöchern. Zudem ist es für uns &bdquo;gesetzt", dass wir auch neu zu erschließende Wohngebiete mit entsprechender Infrastruktur ausstatten, zum Beispiel das Wohnquartier &bdquo;Krullsbachaue". Beim weiteren Ausbau werden wir auch die Zuwachsraten an E-Fahrzeugen berücksichtigen. Nicht zu vernachlässigen ist, dass sich mehr und mehr E-Fahrzeuge von außerhalb nach Gütersloh bewegen werden, zum Beispiel von Pendlern. Welche Möglichkeiten hat die öffentliche Hand, um Elektromobilität weiter voran zu bringen? Gühlstorf: Die Zuschüsse, Herstellerbeteiligungen und Steuervorteile sind bekannt. Das sind gute Hebel. Wichtiger aber erscheint mir der gezielte Ausbau der Infrastruktur. Diese muss einhergehen mit dem schnellen Ausbau Erneuerbarer Energien. Nicht zu vernachlässigen ist zudem der Blick auf private Haushalte: Die Förderung von Wallboxen war und ist ein probates Mittel. Die zur Verfügung stehende Gesamtleistung an Straßen könnte die Installation von Wallboxen verhindern – ist unser Netz überhaupt für E-Mobilität ausgerichtet? Gühlstorf: Heute entstehen viele Ladepunkte in privaten Garagen, die mit maximal 11 kW betrieben werden. Das stellt das Netz in der Regel noch nicht vor eine Herausforderung. Perspektivisch sind jedoch durchaus Anpassungen des Stromnetzes nötig, um das gleichzeitige Laden vieler Elektroautos zu ermöglichen. In erster Linie muss das Netz "smart " werden. Was bedeutet das? Gühlstorf: Das heißt, es werden intelligente Netzmanagement- und Speichertechnologien eingesetzt, um örtliche und zeitliche Netzbelastungen auszugleichen. Erst dann muss das Netz ausgebaut werden. Die Entwicklung unseres Stromnetzes zum "Smart Grid" ist wegen der Energiewende ohnehin bereits in vollem Gange. Denn die Einspeisung von Energie wird immer mehr von Sonne und Wind abhängig und erfolgt zunehmend dezentral, etwa aus Solar-Dachanlagen. Sie bieten auch Carsharing an: Wie läuft das Angebot in Gütersloh an? Gibt es bereits Pläne das Angebot zu vergrößern? Gühlstorf: Bei Markteinführung war klar, dass wir Neuland betreten. Das gilt für das Geschäftsmodell an sich, aber auch für die Etablierung des Angebots in einem Lebensraum, dessen Haushalte noch immer von Zweitwagen geprägt sind. Nach einem etwas holprigen Start nehmen wir jetzt Fahrt auf. Manchmal sind die Vorzüge des Angebots, zum Beispiel ein günstiger Preis und einfache Handhabung schlichtweg nicht bekannt. Insofern geht es aktuell auch nicht primär um die Ausweitung des Angebots, sondern um die Marktdurchdringung. Mit unseren über 20 E-Rollern sehe ich uns derzeit gut aufgestellt. Eng wird es vermutlich schon bald bei den drei vollelektrischen Pkw, die immer beliebter werden. Viele Interessenten entscheiden sich noch gegen ein E-Auto, weil es noch zu wenig Lademöglichkeiten gibt, um lange Strecken fahren zu können. Wenn das gegen einen Kauf spricht, spricht das nicht auch gegen E-Carsharing? Gühlstorf: Unsere E-Sharing-Pkw haben schon eine recht ordentliche Reichweite. Im Großraum Ostwestfalen kommen Sie damit problemlos von Gütersloh zum Zielort und auch wieder zurück. In einer Kundenanalyse haben wir herausgefunden, dass die Fahrzeuge überwiegend für kürzere Strecken eingesetzt wurden. Ob die Reichweite eine Barriere für längere Fahrten darstellt, kann ich nicht beurteilen. Aber auch hier gilt: Die Infrastruktur an den Hauptverbindungsstraßen und in den Innenstädten wächst; das löst manche Blockade. Inwiefern glauben Sie, dass die steigenden Benzinpreise der E-Mobilität in die Karten spielen? Gühlstorf: Dass daraus ein kurzfristiger Treiber für den Absatz von E-Fahrzeugen wird, glaube ich nicht. Wir werden noch einige Jahre ein Nebeneinander von Verbrennern und E-Fahrzeugen sehen. Dabei wird die Zahl der E-Fahrzeuge kontinuierlich steigen. Wenn Sie die Strategie führender Automobilhersteller und das Aufkommen neuer Anbieter beobachten, sprechen die Signale für sich. Und in letzter Konsequenz wird es in einigen Jahren auch schlichtweg keinen Treibstoff für herkömmliche Verbrennungsmotoren geben – oder er wird nicht mehr erschwinglich sein. Die Zeichen stehen auf &bdquo;E", das ist unstrittig.

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