Gütersloher bleiben auf Messie-Wohnung sitzen: "Vermutlich waren wir zu kulant"

Gütersloh. Thomas Wiemann schreitet durch seine Wohnung an der Hedwigstraße 5 und greift nach einer leeren Pfanddose, die auf einem völlig verdreckten und zugerümpelten Wandschrank steht. "Das ist der einzige Wertgegenstand, den uns unser Mieter hinterlassen hat. Immerhin 25 Cent", sagt der 61-Jährige mit sarkastischem Unterton. Seinen Humor hat er nicht verloren, auch sein langjähriger Kumpel Thorsten Becker nicht, mit dem er die Wohnung samt Kellerraum gemeinsam vermietet. Die beiden Gütersloher sind einem Mieter aufgesessen, der nur unregelmäßig zahlte, die Wohnung im ersten Obergeschoss nach seinem Auszug dafür in einem vollkommen verwahrlosten Zustand übergab. Lesen Sie auch: Keine Lust auf Aufräumen? Diese Frau beseitigt das Chaos für Sie Der Müll türmt sich bis zur Zimmerdecke "Den ersten Schrecken haben wir hinter uns. Jetzt kann man das nur noch mit Humor ertragen", sagt Becker und ergänzt: "Als wir die Tür zur Wohnung das erste Mal wieder öffneten, sahen wir was los war. Wir wollten sie nur schnell wieder schließen und einfach abhauen." Essensreste, die dazugehörigen Konservendosen, zahlreiche Feuerzeuge, Taschenlampen und 2.000 leere Glasflaschen füllten die 37 Quadratmeter großen Mieträume. "Fast bis zur Zimmerdecke", wie Wiemann erzählt. Das Badezimmer? Verdreckt. Die Küche? Nicht mehr zu gebrauchen. Allein am Donnerstag haben die Freunde rund 60 Säcke voller Müll zum Bauhof transportiert. An den Vortagen entsorgten sie 20 Säcke voller Altkleider sowie 25 bis 30 Taschen mit leeren Alkoholflaschen. "Neben der Arbeit räumen wir jeden Tag etwa drei bis vier Stunden auf, um den Müll möglichst schnell zu beseitigen", sagt Thorsten Becker. Jeden Abend tritt er außerdem seine Nachtschicht als Lastwagenfahrer an. Vermieter waren vom Zustand der Wohnung überrascht Dass die beiden Gütersloher ihre Wohnung, nach ihren Angaben Baujahr 1985, in einem solchen Zustand vorfinden mussten, habe sie überrascht. "Der Mieter wohnte hier zwölf Jahre lang. Er war eigentlich ein guter Kerl, den wir auch kannten", beginnt Becker zu erzählen. Der Bekannte aber zahlte nur unregelmäßig seine 230 Euro teure Kaltmiete. Auch die Nebenkosten beglich er nicht immer. Ende 2019 wurde ihm sogar der Strom abgeschaltet. Seit mehr als einem Jahr habe der Mieter außerdem nicht auf Anrufe oder Briefe seitens der Vermieter reagiert. Weil der Kontakt zueinander abgebrochen ist, haben auch Angehörige des Mannes nicht vermitteln können. Schließlich begaben sich Wiemann und Becker am 17. September zu ihrer Wohnung an der Hedwigstraße und stellten ihren Mieter vor der Haustür des Neun-Parteien-Mehrfamilienhauses. Prompt unterschrieb der Mann die von den Güterslohern mitgebrachte Kündigung - am 30. September sollte er die Wohnung verlassen. "Da ahnten wir noch nicht, dass er uns eine Messie-Wohnung hinterlassen würde", so Becker. Nach der Schlüsselübergabe verschwindet der Mieter zügig Wie geheißen, kam es am 30. September zur Schlüsselübergabe. "Er drückte uns vor dem Haus den Schlüssel in die Hand und verschwand. Am nächsten Tag haben wir dann den ganzen Müll entdeckt", sagt Wiemann. Den Männern sei bewusst, dass sie naiv gehandelt haben. "Vermutlich waren wir zu kulant", resümiert Becker und fügt hinzu: "Einfach, weil wir ihn kannten." Es sei ihm ein Rätsel, wie es ein Mensch zu einer solch verdreckten Wohnung kommen lassen kann. "Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte. Aber er hätte uns anrufen können, und von seinen Problemen berichten können", sagt Wiemann. Auf den Kosten für die Müllbeseitigung sowie für die Entkernung und Sanierung der Wohnung bleiben die Gütersloher nun sitzen. Natürlich haben sie an den Klageweg gedacht, sind aber zu dem Entschluss gekommen, dass "da nichts zu holen ist. Wir würden dann auch noch für die Gerichtskosten aufkommen müssen. Das wollen wir nicht", so Becker. Das Duo rechne mit Kosten in Höhe von mehreren tausend Euro. "Denn alles muss raus", sagt Wiemann. "Der Boden, die Tapeten. Auch Bad und Küche müssen ersetzt werden." Vor mehr als 20 Jahren haben die Freunde die Wohnung an der Hedwigstraße nach eigenen Angaben für rund 80.000 DM gekauft. Ein Teil davon sei noch nicht abgezahlt. "Die Wohnung war quasi als ein Part unserer Altersvorsorge gedacht", so der 51-jährige Becker. Sanierte Wohnung soll bald verkauft werden Um andere Vermieter zu warnen, wenden sich die Freunde jetzt an die Öffentlichkeit. Anders als die beiden Gütersloher sollten sie vor der Vertragsunterschrift stets eine Schufa-Auskunft verlangen, womöglich sogar den Vormieter kontaktieren, um sich über den potenziellen neuen Mieter aufklären zu lassen. "Wir würden das mittlerweile so machen", sagt Becker. Er empfehle auch Übergabeprotokolle, auf die das Duo verzichtete. Ihre Wohnung an der Hedwigstraße wollen die Gütersloher übrigens nicht noch einmal vermieten, stattdessen solle sie verkauft werden. "Ich will da nichts mehr mit zu tun haben", sagt Thorsten Becker. "Nach diesem Erlebnis möchte ich keine Mieter mehr haben." Wiemann, Besitzer von zwei weiteren Wohnungen in Gütersloh, überlege sogar auch diese zu veräußern.

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