Neue Klinik für häufige Erkrankungen wie Depressionen öffnet in Gütersloh

Gütersloh. Was könnte man über die ständige Zunahme psychosomatischer Störungen jammern. Darüber, dass unsere Arbeitswelt immer mehr abhängig Beschäftigte in den Burnout treibt und unsere Gesellschaft immer mehr Menschen zu Depressiven macht. Aber statt gleich zu Beginn weitere Niedergeschlagenheit zu provozieren, hier mal eine gute Nachricht: Das LWL-Klinikum hat demnächst seinen Neubau fertig. Fast ohne Verzögerung und – besonders bemerkenswert – ohne Mehrkosten. Tatsächlich wird bis Ende des Jahres für zehn Millionen Euro, exakt so viel wie veranschlagt, die neue Klinik für Psychosomatik entstanden sein. Sie liegt inmitten des großen Parkgeländes, neben der Kreuzkirche und gegenüber von Festsaal und See. Das Gebäude hat drei Geschosse: Unten die Tagesklinik, die Ambulanz und die gemeinschaftlichen Einrichtungen, darüber die Stationen mit den Zimmern. Im Sommer 2018 hatte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) beschlossen, dass ein solcher Neubau die richtige Antwort auf den Befund sei, dass in Deutschland kaum ein Krankheitsbild derart rasch wächst wie affektive Störungen und deren verschiedene Erscheinungsformen. "Schmerz steht oft für unbearbeitete Geschichten" Psyche & Soma, Seele & Körper: Beides gleichermaßen in den medizinisch-therapeutischen Blick zu nehmen, ist auf dem Gelände des Gütersloher Krankenhauses beileibe (und &bdquo;beiseele") nichts Neues. Seit 2013 ist die kombinierte Behandlung sogar explizit im Krankenhausbedarfsplan ausgewiesen. Während andere Kliniken unter Psychosomatik oft kaum mehr als eine Station für Psychotherapie verstehen, arbeiten an der Buxel- und Hermann-Simon-Straße Ärzte aus der Inneren, der Geriatrie, Neurologie und der Psychiatrie zusammen. Ein kooperativer Verbund, zu dem auch die beiden Akutkrankenhäuser Sankt Elisabeth Hospital und Klinikum ihre Expertise beisteuern. Mehr zum Thema: Bulimie und Magersucht: Annika kämpft seit 18 Jahren gegen Essstörung Das Verbindende zu sehen, gilt auch für die Krankheit – gemeint ist das Erkennen, dass der Patient, der über Herzrasen, Rückenschmerzen oder Darmprobleme klagt und von einem Arzt zum anderen rennt, ohne dass ihm konkrete körperliche Funktionsmängel nachzuweisen wären, in Wahrheit unter seinen Lebensumständen leidet. &bdquo;Schmerz steht oft für unbearbeitete Geschichten", sagt Professor Michael Schulz, Abteilungsleiter Pflege sowie Leiter des Stabes für Klinikentwicklung und Forschung. Anders gesagt: Wer depressiv, essgestört, narzistisch, angstgestört oder ausgebrannt ist, kann auch echte, chronische Magenschmerzen haben. Zu behandeln, mindestens aber zu berücksichtigen ist beides. Ein Team um den Oberarzt, Neurologen und Psychiater Carl Schreiner hat genau das im Blick. Manche Patienten werden bis zu sechs Wochen bleiben &bdquo;Was hat was ausgelöst?" - für den kaufmännischen Direktor Timo Siebert ist das die Kernfrage, denen die Fachleute für affektive Erkrankungen und speziell der Psychosomatik auf den Grund gehen. Die Details überlässt er den Medizinern und Therapeuten, seine eigene Aufgabe ist es vornehmlich, die räumlichen Voraussetzungen für deren Arbeit zu schaffen. Und die werden künftig stark verbessert sein. Der Bau des neuen Gebäudes wird im Oktober abgeschlossen sein. Für den 22. Dezember ist die offizielle Eröffnungsfeier angesetzt, die sukzessive Belegung beginnt im ersten Quartal des nächsten Jahres. Der stationäre Teil der Klinik wird 48 Betten haben, aufgeteilt auf zwei Etagen. Beide werden sich um Patienten mit affektiven Störungen kümmern, die eine vornehmlich um Depressive, die andere um psychosomatisch Erkrankte. Dass die jeweils 24 Betten komplett belegt sind, hält Michael Schulz für unwahrscheinlich und wenig ratsam: Er gehe eher von durchschnittlich 18 stationären Patienten aus, das sei für das Behandlungsteam eine vernünftige Größe, und dafür sei auch die Personalausstattung ausgelegt. Die Verweildauer der Patienten, normalerweise rund 21 Tage, werde gegebenenfalls ausgedehnt, auf bis zu sechs Wochen – vorausgesetzt, der Patient stehe das durch. Die Zimmer bieten nahezu Hotelstandard Ein Bettenzuwachs ist mit dem Neubau nicht verbunden. Es handele sich um eine Verlagerung und eine sinnvollere räumliche Zuordnung, sagt Direktor Siebert. Die aktuelle Psychosomatik zieht aus einem anderen Klinikgebäude (Haus 006) herüber, andere Disziplinen kommen hinzu. Unten im Erdgeschoss werden sich neben Ambulanz und Tagesklinik die Therapieangebote und die Gruppenräume finden: Ergotherapie, Kreativkurse, Handwerkliches und Musisches zum Beispiel. Sport- und Physio-Angebote finden sich auf anderen Teilen des Geländes. Die stationären Patienten werden auf ihren Ein- und Zweibettzimmern nahezu Hotelstandard vorfinden: Nasszellen, Duschen, Einbauschränke, neue Möbel, warme, freundliche Farben. Die Zimmer werden deutlich größer sein als früher. Neuanpflanzungen im Grüngürtel vorgenommen Für den großen Neubaukomplex hatte der LWL zunächst Schwierigkeiten, den passenden Platz zu bestimmen. Letztlich entschied sich der Verband für ein Gelände, das zentral, aber außerhalb der definierten Gartendenkmalzone liegt. Dort rodete er 4.000 Quadratmeter Wald, sicherte aber zu, für jeden gefällten Baum zwei neue zu pflanzen. Laut Walter Großeheide, technischer Leiter Gebäudemanagement, wurden die Neuanpflanzungen in jenem Grüngürtel vorgenommen, der sich rund ums Klinikgelände zieht. Errichtet wurde das Gebäude massiv. Das Sockel- (Erd-)geschoss hat hellen Klinker bekommen, die beiden Stationen darüber mattgelben, wärmegedämmten, atmungsaktiven Kratzputz. Energieversorgt wird das Gebäude über die klinik-eigene Fernwärmezentrale an der Hermann-Simon-Straße. Oben auf dem Dach steht Photovoltaik, eine 65 kw-Anlage. Was die Module daneben noch an Platz gelassen haben, wird begrünt, sagt Großeheide.

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