Gütersloh. Als glühender Anhänger des Ballspielvereins Borussia 09 aus Dortmund ist die Münchener Allianz-Arena für Patrick Bremehr normalerweise eine verbotene Zone. „Wir haben im Gästeblock aber auch in München schon viele schöne Stunden erlebt", überwindet der 38-Jährige, Inhaber einer Dauerkarte für die Südtribüne im Signal-Iduna-Park, zumindest einmal im Jahr seine Abneigung gegen den Branchenkrösus.
Am Dienstagabend betrat der Gütersloher Fußballfan mal wieder die Heimspielstätte des ungeliebten FC Bayern – traditionell durch den Gästeeingang übrigens. Seinen schwarz-gelben Dress hatte Bremehr, der als ehrenamtlicher Helfer in der 3.ManSchafft auch dem FC Gütersloh zugeneigt ist, diesmal jedoch gegen das weiße Trikot der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft eingetauscht. Gemeinsam mit zwei Freunden aus Dortmund gehörte der Geschäftsführer einer Agentur für neue Medien zum Kreis der 14.500 Zuschauer, die leibhaftig beim EM-Debüt der Löw-Elf gegen Frankreich zuschauten.
"In neun von zehn Fällen geht der Ball ins Toraus"
In der Sitzreihe 8 der Heimkurve, direkt hinter Tor von Manuel Neuer, musste das Trio aus zehn Meter Entfernung hilflos mit ansehen, wie ausgerechnet BVB-Akteur Mats Hummels seinen Keeper per Eigentor mit dem einzigen Treffer des Abends überwand. Für den erfahrenen Fußball-Globetrotter Bremehr, der schon bei neun EM- und WM-Turnieren mitfieberte, war die spielentscheidende Szene schlicht und einfach Pech: „In neun von zehn Fällen geht der Ball ins Toraus."
Am verdienten Sieg des Weltmeisters gab es trotz des Blickes durch die schwarz-rot-gold gefärbte Brille indes keinen Zweifel. Insgesamt sei der Auftritt der Kicker mit den Bundesadler auf der Brust zwar „spielerisch gar nicht so schlecht" gewesen. Deutliche Kritik gab es indes an der Offensive: „Wir brauchen eindeutig mehr Abschlüsse. In dem Spiel gab es keinen, der die Murmel mal aufs Tor gebracht hat." Ohne echten nominellen Mittelstürmer sehe er „derzeit keinen Heilsbringer, der uns Tore garantiert."
Trotzdem wird es nach seiner Ansicht gegen Portugal und Ungarn „deutlich einfacher" vorne die dringend benötigen Treffer zu erzielen. „Die Franzosen standen hinten schon sehr massiv." Genau wie den ersten Auftritt der DFB-Equipe wird der Gütersloher auch bei den zwei folgenden deutschen Gruppenspielen live vor Ort zugegen sein. Was angesichts der stark reduzierten Ticketkontingente wie ein kleines Wunder erscheinen mag, ist für Patrick Bremehr „nichts Besonderes." Nach über 20 Jahren mit der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft wisse er einfach, wie die Kartenvergabe funktioniert. Erst am Mittwoch, einen Tag nach dem Frankreichspiel, hat er spontan über reguläre Kanäle und zu völlig normalen Preisen für zwei Freude kurzfristig Tickets für das Portugal-Spiel am Samstag organisiert. „Wenn Eintrittskarten kurzfristig auf den Markt kommen, muss man einfach nur schnell sein", lautet eines der Geheimnisse des in vielen Jahren aufgebauten Netzwerks.
Die Partie in München war im übrigen schon das zweite Live-Spiel der laufenden Europameisterschaft. Seinen EM-Auftakt 2021 zelebrierte der Vielfahrer in Sachen Fußball bereits am vergangenen Sonntag. Im Deutschland-Dress mit der Nummer 13 vorne auf der Brust und einem leckeren Bierchen in der Hand, saß Patrick Bremehr in Amsterdam beim 3:2 Sieg der Niederländer gegen die Ukraine auf der Tribüne der Johan-Cruyff-Arena.
Auf die Gerstensaftkaltschorle habe man ausgerechnet im Hopfenland Bavaria aber verzichten müssen, auch in Sachen Stimmung stellte Bremehr Unterschiede fest: „Holländer und Franzosen hatten uns deutlich was voraus."
"Mein Maßstab ist die Südtribüne in Dortmund"
Der Gütersloher hätte sich mehr Begeisterung außerhalb des organisierten, aus ein oder zwei La Olas nebst einstudierter Gesänge bestehenden Supports gewünscht. Freilich, und das räumt er gerne ein: „Mein Maßstab ist die Südtribüne in Dortmund – da geht nichts drüber."
Ähnlich wie viele der 80 Millionen Bundestrainer vor den Fernsehgeräten sah auch das heimische Trio in der Löwschen Aufstellung Optimierungsbedarf: „Ich finde Gnabry und Sane haben in der Mannschaft einfach nichts zu suchen. Bei Bayern profitieren sie von Lewandowski. Ohne den sind sie längst nicht so stark." Ob er das als Bayern-Fan wohl auch gesagt hätte? Obwohl der Start alles andere als optimal verlief, ist sich der Gütersloher sicher: „Einen Punkt gegen Portugal, einen Sieg über Ungarn – das sollte mit vier Punkten auf alle Fälle als Gruppendritter fürs Weiterkommen reichen."
"Arbeiten kann ich mit dem Laptop auch von unterwegs"
Ob er die Nationalmannschaft bei ihrer weiteren Reise quer durch Europa begleitet, will Patrick Bremehr immer vom jeweiligen Spielort sowie den im jeweiligen Gastgeberland vorherrschenden Coronabestimmungen abhängig machen. „In meinem Terminkalender sind noch einige Termine geblockt. Da wäre ich flexibel. Arbeiten kann ich mit dem Laptop auch von unterwegs, am Flughafen oder im Hotelzimmer", sagt er.
Fahrten nach England, wo die deutsche Elf im Falle von Platz zwei in der Gruppe, beim Einzug ins Halbfinale und im Finale spielen müsste, seien aufgrund der notwendigen achttägigen Einreise-Quarantäne momentan nur schwer vorstellbar. Patrick Bremehr: „Für ein Viertelfinale nehme ich keine achttägige Quarantäne auf mich. Dafür ist der Aufwand zu hoch." Bei einer Finalteilnahme sehe es dagegen „schon komplett anders" aus.
Durch die Pleite gegen Frankreich ist Bukarest als Achtelfinal-Spielort des Ersten der Gruppe F schon fast unmöglich, als Dritter sind Budapest oder Sevilla denkbar. „Nach Budapest kann man super mit dem Zug fahren", hat sich der Groundhopper schon schlau gemacht. Zuvor müsste die Löw-Elf allerdings ihr bestehendes Offensivproblem lösen.
Viertelfinale der Champions-League war das Highlight
Fragt man den Gütersloher nach seinem emotionalsten Stadionerlebnis, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Das Viertelfinalrückspiel in der Champions League 2013 zwischen Dortmund und Malaga." Abwehrspieler Felipe Santana drückte damals nach einem Rückstand in der allerletzter Sekunde der Nachspielzeit den Ball zum spielentscheidenden 3:2 über die Linie. Halbfinalgegner Real Madrid (mit Cristiano Ronaldo) wurde von Robert Lewandowski anschließend mit vier Treffern beim 4:0-Hinspielsieg im Alleingang demontiert. Sollte es auch Samstag gegen CR 7 und seine Portugiesen so kommen – kein deutscher Fußballfan hätte sicherlich etwas dagegen. Doch was auch immer passiert: Patrick Bremehr ist auf jeden Fall live im Stadion dabei.