Gütersloher Patienten warten bis zu einem halben Jahr auf Medikamente

Gütersloh. "Das haben wir leider gerade nicht vorrätig." Diesen Satz hören Kunden in vielen Gütersloher Apotheken mittlerweile immer häufiger. Denn: Für etliche Medikamente gibt es derzeit große Engpässe. Ein Blick in die Liste der gemeldeten Lieferengpässe für Humana-Arzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe) des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte verrät, dass exakt 185 Präparate aktuell nur mit enormer Verzögerung geliefert werden können. Für einige Medikamente wird ein Ende des Engpasses dort erst für November oder Dezember vorausgesagt. &bdquo;Lieferengpässe machen uns nach wie vor in den Apotheken vor Ort zu schaffen", sagt Sven Buttler, Inhaber der Isselhorster Apotheke und Vorsitzender der Bezirksgruppe Gütersloh im Apothekerverband Westfalen-Lippe. Im vergangenen Jahr waren laut Verband mehr als 16 Millionen Rabattarzneimittel nicht verfügbar - darunter vor allem Blutdrucksenker, Schmerzmittel und auch Schilddrüsentabletten. Damit bleiben die Engpässe in Apotheken generell auf einem ähnlich hohen Niveau wie schon im Vorjahr - 2018 waren es etwa 18 Millionen. Im Oktober bestellt - und erst in dieser Woche angekommen Erst Anfang der Woche hat Sven Buttler eine lang ersehnte Lieferung von bestimmten Blutdrucksenkern in Isselhorst erhalten. "Die hatten wir tatsächlich schon im Oktober vergangenen Jahres bestellt - und erst jetzt sind sie angekommen." Auch auf Impfstoffe etwa gegen Lungenentzündungen warte er bis unter ziemlich lang. Wie lange genau, das können die Apotheker oft selbst gar nicht genau sagen. "Mal dauert es nur ein paar Wochen, in anderen Fällen können die Lieferverzögerungen aber auch bis einem halben oder sogar dreiviertel Jahr dauern", sagt auch Olaf Elsner, Inhaber der Storchenapotheke in Gütersloh. Wenn ein bestimmter Wirkstoff dann nach langer Zeit doch wieder verfügbar ist, komme es durchaus auch vor, dass 'gehamstert werde': "Dann bestellt man halt doch mal eine Ladung mehr, einfach um etwas auf Vorrat zu haben. Vor allem bei Arzneimitteln, von denen wir schon wissen, dass es immer mal wieder stockt." Lesen Sie auch: Gütersloher Mohren-Apotheke wird wegen Rassismus-Debatte umbenannt Kunden sind bei Ersatzprodukten schnell verunsichert Die Ursachen dafür sind laut Elsner vielfältig - in den vergangenen Monaten merke man aber durchaus auch Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Transportketten und Lieferwege." Es kommt zum Beispiel immer wieder vor, dass Arzneimittel-Lieferungen mit in Passagierflugzeugen transportiert werden. Da aufgrund der aktuellen Lage aber deutlich weniger Flugzeuge unterwegs sind, kann es schnell zu Verzögerungen kommen." Auch die Schiff-Blockade durch das Containerschiff "Ever Given" im Suez-Kanal habe einige Lieferungen extrem verzögert. &bdquo;Wir betreiben jeden Tag einen großen personellen und logistischen Aufwand, um unsere Patienten mit gleichwertigen Austauschpräparaten zu versorgen, wenn ein bestimmtes Medikament eines Herstellers nicht lieferbar ist", sagt Sven Buttler. Viele Kunden seien allerdings schnell verunsichert, wenn man ihnen ein anderes Mittel anbiete - schon allein wegen der Optik der Verpackung. "Besonders bei älteren Kunden nehmen wir uns viel Zeit für Aufklärungsgespräche - aber das dauert halt und bedeutet für uns insgesamt ein großen Mehraufwand." Vor allem seit Beginn der Pandemie sei das eine extreme Herausforderung, da viele Apotheken-Teams zusätzlich noch mit der Durchführung von Corona-Tests und der Versorgung der Arztpraxen mit Impfstoff stark gefordert seien. Neue Regeln für Apotheken währen Corona Immerhin erleichtert eine neue Regelung, die seit April vergangenen Jahres aufgrund der Pandemie in Kraft getreten ist, die Arbeitsabläufe etwas. Durch die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung erhalten Apotheken mehr Möglichkeiten, verordnete Arzneimittel bei Nicht-Verfügbarkeit auszutauschen, damit Patienten ohne zusätzliche Arztkontakte auch bei Lieferengpässen unbürokratisch mit den notwendigen Arzneimitteln versorgt werden können. "Oft reicht jetzt eine telefonische Rücksprache mit dem behandelnden Arzt", sagt Butler, "wir müssen den Patienten nicht mehr zurück in die Praxis schicken oder einen Boten beauftragen, um das Rezept anzupassen. Das hat das Problem etwas entschärft." Ob die Änderungen über die Corona-Pandemie hinaus bestehen bleiben, ist bislang noch nicht klar. Klaus Michels, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, hofft darauf. Die Apotheken hätten in den vergangenen Monaten bewiesen, dass sie den Spielraum verantwortungsbewusst nutzen würden. Er fordert daher, den Apotheken unabhängig von der Pandemie auch in Zukunft die pharmazeutische Beinfreiheit zu lassen, Ersatzmedikamente auszuwählen. &bdquo;Lieferengpässe waren schon vor Corona da, und es wird sie auch danach geben."

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