Darf ich der Arbeit fernbleiben, wenn mein Arbeitgeber keine Tests anbietet?

Gütersloh. Seit vergangener Woche steht fest: Arbeitgeber müssen ihren Arbeitnehmern, die nicht im Homeoffice arbeiten, künftig mindestens einen Corona-Test pro Woche anbieten und die Kosten übernehmen. So will es die jüngste Anpassung der Corona-Arbeitsschutzverordnung, die das Bundeskabinett kürzlich beschlossen hat. Eine Pflicht des Arbeitnehmers, sich auch tatsächlich testen zu lassen, besteht allerdings nicht. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Beteiligten? Ein Arbeitsrechtler aus Bielefeld gibt Auskunft. Ein durch den Arbeitgeber wöchentlich angebotener Test ist nun das Minimum, unter gewissen Umständen sind auch zwei Tests pro Woche vorgesehen. Laut der neuen Verordnung ist das der Fall für Beschäftigte, die in Gemeinschaftsunterkünften oder in geschlossenen Räumen arbeiten, personennahe Dienstleistungen anbieten oder betriebsbedingt häufig wechselnden Kontakt mit anderen Menschen haben. "Aus meiner Sicht ist das Angebot von zwei Tests immer dann nötig, wenn die Arbeit im Homeoffice nicht möglich ist, sich die Abstandsregeln nicht einhalten lassen und in geschlossenen Räumen gearbeitet wird", sagt Joachim Wagner. Verstöße könnten mit Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet werden Um welche Art von Test es sich konkret handeln soll, wird in der Verordnung nicht konkretisiert – es eignen sich also sowohl PCR-Tests als auch Antigen-Schnelltests, die von geschultem Personal oder zur Selbstanwendung durchgeführt werden. In Unternehmen mit Betriebsrat sei die Kontrolle der Umsetzung eines solchen Testangebots durch den Arbeitgeber einfacher als in denjenigen ohne, sagt Wagner. "Der Betriebsrat hat mitzubestimmen, wenn es einen gesetzlichen Rahmen gibt, der nicht alle Details regelt und könnte in diesem Fall also sowohl die Art und Weise der Tests mitgestalten als auch deren Umsetzung kontrollieren", sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht. Andernfalls werde es sicherlich Grauzonen geben, da die Ämter für Arbeitsschutz schon konkrete Hinweise für eine Kontrolle benötigten. Verstöße könnten mit einem Bußgeld in einer Höhe von bis zu 30.000 Euro geahndet werden. Doch dürfte der Arbeitnehmer gegebenenfalls gar der Arbeit fernbleiben, wenn ihm der Arbeitgeber das Angebot verweigert? "Es gibt grundsätzlich ein arbeitsvertragliches Zurückbehaltungsrecht. Der Arbeitnehmer könnte also seine Arbeitsleistung zurückbehalten, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nachkommt und trotzdem von ihm Geld erhalten", sagt Wagner. Er sei damit aber eher vorsichtig. Wann darf der Arbeitgeber einen Corona-Test verlangen? Bei der Frage, ob die Durchführung des Tests künftig zur Arbeitszeit zählen, verweist Wagner auf den dritten Absatz in Paragraf drei des Arbeitsschutzgesetzes, wonach der Arbeitgeber die Kosten für Maßnahmen der Sicherheit nicht dem Arbeitnehmer auferlegen dürfe. Er leitet daraus ab, dass die Zeit also entsprechend vergütet werden muss. Warum der Gesetzgeber auf eine konkrete Testpflicht für Arbeitnehmer verzichtet hat, darüber kann der Jurist nur spekulieren. "Möglicherweise hat die Politik sich überlegt, dass das rechtlich schwierig sein könnte, weil es sich um einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte handelt", sagt Wagner. Seiner Auffassung nach greifen die Persönlichkeitsrechte aber nicht unbegrenzt, sondern enden dort, wo die Freiheitsrechte anderer eingegrenzt werden. "Insofern kann der Arbeitgeber zumindest einen Test verlangen, wenn es beim Arbeitnehmer klare Hinweise auf Symptome oder eine Infektion gibt oder es eine Entwicklung in einem Betrieb, wie damals bei Tönnies, nötig macht", erklärt er. Wenig Verständnis hat Wagner derweil für die Aufregung der Wirtschaftsverbände. So hat etwa der deutsche Mittelstand angekündigt, gegen die Verordnung klagen zu wollen. Wagner glaubt jedoch nicht, dass das Aussicht auf Erfolg hat. "Die Aufregung um die wirtschaftliche Belastung kann ich verstehen, nicht aber um die arbeitsschutzrechtliche Verpflichtung", sagt er. Denn Verordnungen dieser Art seien für die Arbeitgeber grundsätzlich nichts Neues.

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