Größte Sprengung Deutschlands? Hagedorn sprengt am Sonntag ein Kraftwerk

Gütersloh. Etwas in Schutt und Asche zu legen, ist für Hagedorn Alltag. Doch am Sonntag steht dem Gütersloher Abbruchspezialisten ein Spektakel bevor: Es sprengt das Kohlekraftwerk in Lünen in die Luft. Das Ereignis ist derart gewaltig, dass Hagedorn und die Stadt Lünen zu zweierlei raten: Das Gelände weiträumig zu umfahren oder besser noch zu Hause zu bleiben - und die Sprengung vom Sofa aus zu verfolgen. Denn: Hagedorn wird die Sprengung filmen. Mehr noch: Es hat rund um die zeitlich versetzten Detonationen eine Online-Show organisiert. Moderiert von Matze Knop, dem Entertainer und Schauspieler, können die Zuschauer zwei Stunden lang aus verschiedenen Kameraperspektiven verfolgen, wie ein bedeutendes Zeugnis deutscher Industriegeschichte dem Erdboden gleichgemacht wird. Was im Politikersprech wenig anschaulich &bdquo;Struktur- und Energiewandel" heißt, fliegt dem Zuschauer am Sonntag bildlich um die Ohren: Das also ist das, was gemeint ist, wenn Deutschland ankündigt, bis 2038 auch das letzte Kohlekraftwerk vom Netz genommen zu haben. Angekündigt ist eine Dreifach-Sprengung Passieren wird das am Sonntag ab 10.30 Uhr in Form einer Dreifach-Sprengung: Ein 110 Meter hoher Kühlturm, ein 250 Meter hoher Schornstein und ein 70 Meter hohes Kesselhaus samt Pumpenhaus, Bunkerschwerbau und Rauchgasentschwefelungsanlage werden mit einigem Karacho in sich zusammenstürzen. Drei Jahre nachdem der Energieversorger Steag sein Kohlekraftwerk vom Netz genommen hat, wird es von der Bildfläche verschwinden. Hagedorn hat vor, ganze Arbeit zu leisten. Die Gütersloher Unternehmergruppe, die das stillgelegte Kraftwerk Ende 2019 gekauft hat, sprengt nicht nur, es macht auch besenrein. Rückbau, Altlastensanierung, Entsorgung: Die komplette Abwicklung übernimmt Hagedorn, die Firma kümmert sich sogar darum, das Baurecht zu besorgen, um die 37 Hektar große Fläche danach an Grundstücksentwickler zu verkaufen. &bdquo;Das ist unsere Stärke", sagt Unternehmer Thomas Hagedorn, &bdquo;Revitalisierung einer Industriebrache aus einer Hand. Wir sind die einzigen, die das in dieser Form können." Für den 250 Meter hohen Turm braucht es zwei Anläufe Doch am Anfang steht diesen Sonntag die Sprengung. Die Deutsche Sprengunion GmbH, eine hundertprozentige Hagedorn-Tochter mit einigen Dutzend Beschäftigten, übernimmt das. Sprengmeister André Schewcow und sein Team haben 2.100 Bohrungen gesetzt und die Löcher mit 420 Kilogramm Sprengstoff gefüllt. &bdquo;Besonders herausfordernd ist es, den bis zu 50 Millimeter dicken Stahl zu durchtrennen", sagt Schwecow. Der 41-Jährige macht sich vor solchen Herausforderungen allerdings nichts bange: Vor zwei Jahren hat er das Kohlekraftwerk Knepper in Castrop-Rauxel in die Luft gejagt, eine kaum kleinere Nummer. Damals genügten ihm 380 Kilo Sprengstoff und 15 Sekunden, um Kesselhaus, Kühlturm und Schornstein zum Einsturz zu bringen. Diesmal wird der Ablauf ein anderer sein. Dramaturgisch günstig. &bdquo;Es wird zweimal gesprengt", sagt Thomas Hagedorn, um 10.45 und um 11.45 Uhr. Warum? Weil der 250 Meter hohe Schornstein nur auf diese Weise passend fällt. Beim ersten Mal wird er auf 160 Metern Höhe einknicken – dort oben die Bohrlöcher anzubringen, war ein Auftrag für die Schwindelfreien in Schewcows Team. Danach, im zweiten Schritt und befreit von der Kopflast, fällt es leichter, auch den Rest des Turmes in die passende Himmelsrichtung zu dirigieren. Beim letzen Mal kamen 16.500 Zaungäste - diesmal sind sie unerwünscht Zaungäste kann Hagedorn dabei nicht gebrauchen: Corona. Verfolgten beim Kraftwerk Knepper 16.500 Zuschauer und 500 geladene Gäste das Ereignis, so verbietet das die Ansteckungsgefahr in diesem Fall. Hagedorn und die Behörden haben rund ums Kraftwerk eine Sperrzone von bis zu 800 Metern errichtet. Wohnhäuser werden evakuiert, Straßensperren errichtet, Parkplätze gesperrt. &bdquo;Wir raten dringend davon ab, die Sprengung vor Ort zu verfolgen", sagt Projektleiter Ingo Schäfer. Menschenansammlungen würden sofort aufgelöst. Polizei, Ordnungsamt, Technisches Hilfswerk, Feuerwehr und zusätzliches Sicherheitspersonal seien im Einsatz, um die Sicherheit zu gewährleisten. Über die örtlichen Radiosender und die Zeitungen läuft schon seit einigen Tagen der Aufruf, bloß fernzubleiben. Miterleben könne das Spektakel trotzdem jeder, der möchte – und zwar über die Online-Übertragung. Zig Kameraeinstellungen sind montiert, es wird Interviews geben, Filmeinblendungen, einen Rückblick auf die Kraftwerksgeschichte, Kühlturmprojektionen, Liveschaltungen zur Einsatzzentrale und einen durchgehenden Countdown, das alles moderiert von Matze Knop. &bdquo;Wer die Sprengung verfolgen möchte, sollte das übers Internet tun", sagt Benedikt Spangardt, Sprecher der Stadt Lünen. Die Adresse: sprengung.ug-hagedorn.de

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