Karstadt-Parkhaus abreißen! Gütersloher Innenstadt braucht mehr als Mode Sinn

Gütersloh. Manche mögen es einen Coup nennen: Nur einen Tag nach dem geplanten Karstadt-Aus verkündet die Modegruppe Sinn, dass stattdessen sie dort einzieht. Auf zwei der vier Geschosse will die Firma Mode verkaufen. 4.400 Quadratmeter Verkaufsfläche: Da kann man eine Menge Hosen und Blusen hinhängen. Ist es das, worauf wir so gewartet haben? Ergibt das – Achtung, Kalauer – Sinn? Viele bezweifeln das. Selbst aus den Worten von Rainer Schorcht klingt Skepsis heraus. &bdquo;Sollte Sinn eine Lücke im Gütersloher Textilangebot treffen, kann es dauerhaft ein erfolgreicher Marktbegleiter sein", kommentierte der Einzelhandelssprecher trocken. Eine Lücke im Textilangebot? Gibt es die? Und falls ja, ist Sinn das richtige Unternehmen, sie zu stopfen? Mit Außergewöhnlichem ist nicht zu rechnen Tatsächlich fischen die Hagener im selben Becken wie Finke, Klingenthal, Eusterhus und Wörmann. Mit Schrägem, Außergewöhnlichem ist da eher nicht zu rechnen. Auch mit wenig, was sich nicht auch von zuhause aus bestellen ließe. Wer gehofft hatte, der Abzug von Karstadt schaffe Platz für völlig Neues, wird enttäuscht sein. Uniforme, gesichtslose, austauschbare Fußgängerzonen, bestückt mit Filialisten, sind langweilig, diese Erkenntnis ist nicht neu. Längst wissen wir: Um in Zukunft attraktiv zu bleiben, müssen sich die Innenstädte wandeln, auch unsere. Nur wie? Wohl am ehesten, indem man sie lebenswert macht. Indem man ihre Aufenthaltsqualität erhöht, mit Überraschungen lockt, Vielfalt anbietet. Was heißt das konkret? Viele verschiedene Nutzungsformen vor allem. Eine Innenstadt ist nicht nur zum Shoppen da, sondern auch zum Arbeiten, zum Leben, zum Fortbilden, zum Spielen, zum ziellosen Rumbummeln. Sie braucht Rückzugsorte ohne Konsumdruck, Orte, an denen man sich niederlassen kann. Sie braucht mehr Cafés und mehr Wohnungen, auch solche in parterre. Es kann sein, dass dafür mancher Quadratmeter Ladenfläche verloren geht, aber das macht nichts, sofern sich nur die Quirligkeit erhöht: In die Innenstadt gehen die Leute, weil sie ein elftes Paar Schuhe suchen, aber auch, weil es da andere Leute zu gucken gibt. Nur fürs Paar Schuhe könnten sie beinah ebenso gut auf dem Sofa bleiben. Parkhaus verhindert reizvolle Alternativen Was noch? Weniger Autos. Es ist schwer zu begreifen, warum Schorcht & Co. so sehr darauf pochen, das Parkhaus zu erhalten. Wozu denn? Die Innenstadt ist von Parkhäusern und Tiefgarage umringt, das an der Daltropstraße ist nur wenige Meter von Karstadt entfernt. Dass mit der Münsterstraße und der Spiekergasse kaum einen Blumentopf zu gewinnen ist, hat auch damit zu tun, dass die Parkhaus-Zufahrt jede reizvolle Alternative verhindert. Statt Millionen in die Sanierung des maroden Parkhauses zu stecken – diese Investition käme schon bald auf die Stadt zu – hier ein anderer Vorschlag: Fort damit! Abreißen! Den Abriss kann sich Gütersloh aus mehreren Gründen erlauben. Erstens: Stärkung des Radverkehrs. Hunderte von Güterslohern satteln gerade um, und die Entwicklung ist noch lange nicht am Ende. Zweitens: Es gibt, von wenigen Tagen abgesehen, Parkplätze satt; wer das bestreitet, sollte gelegentlich mal die Tiefgarage Daltropstraße oder das Parkhaus neben der AOK ansteuern. Drittens: Das neue Hotel Hampton by Hilton neben Theater und Stadthalle; es entsteht im Paket mit einem neuen Parkhaus;, das 110 Stellplätze haben wird, die Hotelgäste brauchen nur einen Bruchteil davon. Wo Warenhäuser verschwinden, eröffnen sich neue Chancen. Diese Erfahrung macht auch Gera gerade, jene Stadt, in der Hermann Tietz jene Kette gründete, der er die Anfangsbuchstaben seines Namens gab. 18 Jahre lang stand das historische Hertie-Kaufhaus leer, nun wird es wiederbelebt. Mit einer Mischung aus öffentlichen Einrichtungen, Wohnungen, Bildung und Handel. Ergibt Sinn.

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