Bürgermeister Morkes will reichlich Personal einstellen

Gütersloh. Früher nannte man den Moment, in dem der Bürgermeister seinen Haushalt vorstellte, die &bdquo;Stunde der Verwaltung". Bedeutungsschwer und pathetisch sollte das klingen, und so lief es auch ab: Das Stadtoberhaupt trug Rede und Zahlen vor, die Politiker lauschten andächtig. Diesmal, 2021, Corona-Jahr, war es anders: Keiner sagte was. Nicht mal Norbert Morkes. Der neue Bürgermeister lieferte elektronisch ab; Rede und Haushaltsentwurf stellte er ins Netz. &bdquo;So weit mir bekannt, ist es das erste Mal in der Geschichte unserer Stadt, dass der Haushalt ohne Worte eingebracht wird", sagte Morkes – vier Stunden vor der Ratssitzung im Zoom-Gespräch mit der Presse. Nicht nur das war außergewöhnlich. Außergewöhnlich war auch die Sitzung selbst. Morkes hatte sich im Vorfeld mit den Fraktionen darauf verständigt, den Rat zu schrumpfen – auf 29 Mitglieder, gut die Hälfte. Die Mehrheitsverhältnisse seien so gewahrt, aber die Sicherheit für alle Anwesenden erhöht. Auch war an die Ratsmitglieder der Appell ergangen, auf Wortmeldungen möglichst zu verzichten – was ja, siehe oben, ohnehin nur für die anderen 28 Tagesordnungspunkte galt; Stadt und Politik wollten eine Marathondebatte bis in die Nacht vermeiden. DIE KENNZAHLEN Sahen schon mal rosiger aus. Der Etat 2021 weist unterm Strich ein Minus von 12,6 Millionen Euro auf – ein Loch, das Kämmerin Christine Lang mit Geld aus der Ausgleichsrücklage stopfen will. Die Gewerbesteuer hält sie stabil, ebenso die Grundsteuern A und B. Investieren will die Stadt 63 Millionen Euro. Das sei ein realistischer Betrag, so Morkes. Anders als zuletzt, wo die Stadt mangels Personal und Handwerkerfirmen manche Vorhaben kaum angehen konnte, habe sie sich auf die umsetzbaren Projekte beschränkt. MORKES’ SEITENWECHSEL Morkes überschrieb seine Rede (genauer gesagt: sein Papier) mit &bdquo;Vertrauen und Offenheit". 20 Jahre habe er im Stadtrat auf der anderen Seite gesessen und damals, wie viele andere Ratsmitglieder, oft die Verwaltung kritisiert und gedacht, &bdquo;jetzt wollen die schon wieder eine neue Stelle". Als Bürgermeister habe er nun eine &bdquo;total andere Sichtweise". Er könne jetzt hinter die Kulissen schauen und habe die vielen Überstunden registriert. Er habe mit vielen Kollegen gesprochen, auch mit dem Personalrat, und bitte nun die Politik, der Verwaltung Vertrauen zu schenken. STELLENPLAN Morkes möchte reichlich Personal einstellen. Sein Entwurf für den Stellenplan sieht 53,5 neue Stellen vor – ein größerer Zuwachs als in den vergangenen beiden Jahren, in denen sein Vorgänger Henning Schulz nur 19 und 29 neue Stellen beantragt hatte. Morkes begründet den Bedarf mit dem Wachstum Güterslohs zur Großstadt, mit dem hohen Arbeitsanfall und den Überstunden. &bdquo;Ich kann versichern, dass nicht eine Stelle davon zu viel ist." Von den 53,5 Stellen entfallen 21,5 auf den Geschäftsbereich Soziales (allein 16 sind für Kita-Erzieher ausgewiesen), 13,5 auf den Bereich Bau und Verkehr (Ingenieure, Techniker, Architekten), 6,5 auf Finanzen/Umwelt/Recht/Ordnung, 1,5 auf die Kultur sowie 10,5 auf Zentraleinheiten (z.B. Systemadministratoren, Öffentlichkeitsarbeit, Smart City). DIE INVESTITIONEN Von den 63 Millionen Euro entfallen 17,7 auf Schule/Jugend, 13,3 auf Kanäle/Tiefbau, 12,6 auf die Tochtergesellschaften (Stadtbus, Klinikum, Theater, Stadthalle, Gewerbepark Flugplatz, etc.), 6,4 auf Immobilien und 3,8 auf Kitas – das sind die größten Brocken. Bei den Einzelinvestition bleibt die dritte Gesamtschule mit 8,5 Millionen Euro auch dieses Jahr an der Spitze. 4,2 Mio. fließen in den Ganztags-Ausbau der Heidewaldschule, 3 Mio. in die Stadthalle, 2,8 in die Brücke über den Westring, 2,2 in die Schul-IT, 1,6 an die freien Kita-Träger, 1,5 in die Kita Pelikanweg, 1,5 in die Sozialräume des Bauhofes ander Goethestraße, 1,1 in die vierte Reinigungsstufe im Klärwerk Putzhagen, 900.000 in den Umbau der 15 Briten-Häuser Alsenstraße, 850.000 ins Stiftische Gymnasium. Dieses Jahr noch nicht dran sind etwa die Holzbauten für den Schul-Ganztag oder die alte Feuerwache des Löschzuges. CORONA-SCHULDEN Die Stadt beziffert sie mit 12,7 Millionen Euro. Knapp sechs Millionen Euro davon entfallen auf weniger Gewerbe- und Einkommensteuern, der Rest auf entgangene Einnahmen wie Bußgelder und VHS-Gebühren oder auf Mehrausgaben für Sicherheitspersonal oder Technik. Allerdings flossen der Stadt aus den Rettungspaketen von Bund und Land im vergangenen Jahr 44 Millionen Euro zu – genug, um kompensieren und obendrein die Ausgleichsrücklage füllen zu können. Für die freien Kulturschaffenden in der Stadt schlägt Morkes abermals vor, einen Sonderfonds einzurichten, auch für die Gastronomie will er was tun. DIGITALER AUFBRUCH Für den &bdquo;Digitalen Aufbruch" sei ein immenser PR-Aufwand &bdquo;in nicht unerheblicher sechsstelliger Höhe" betrieben worden, so Morkes. Er werde den Aufbruch nicht stoppen, aber gemeinsam mit den Akteuren überlegen, welche Projekte sinnvoll seien. Morkes stellte den Erfolgen des Aufbruchs den dringenden Handlungsbedarf bei der digitalen Ausstattung von Schulen, Kitas und der Verwaltung selbst gegenüber; IT-Ausstattungen und Internetverbindungen seien oft mangelhaft, daran gelte es zu arbeiten. Abgesagt habe er die im März geplante Abschlussveranstaltung des Aufbruchs, bis zu 50.000 Euro hätte sie kosten sollen. Mit den 13 Millionen für die &bdquo;Smart City" – davon 8,5 Mio. Fördermittel des Bundes – lasse sich die digitale Entwicklung der Stadt voranbringen und Vorbildhaftes leisten, den Stellenplan allerdings will er von fünf auf drei Stellen schrumpfen. BÜRGERRAT An der Idee des Bürgerrates hält Morkes fest, nennt aber keinen Zeitplan. Der Bürgerrat werde themenbezogen arbeiten und sich aus den unterschiedlichsten Alters- und Gesellschaftsschichten zusammensetzen; Themen könnten etwa Innenstadt, medizinische Versorgung, Stadtentwicklung, Umwelt und Natur sein. AUSBLICK Der Ausblick, &bdquo;mittelfristige Finanzplanung 2022 bis 2024" genannt, fällt ernüchternd aus. Kämmerin Lang befürchtet, dass das Haushaltsdefizit 2022 gewaltige 47 Millionen Euro beträgt und in den beiden Folgejahren mit 45 und 44 Millionen kaum weniger. Schon jetzt kündigt sie an, 2022 eine höhere Gewerbesteuer (von 411 auf 417 Punkte) und eine höhere Grundsteuer B (von 381 auf 443 Punkte) vorzuschlagen – schlecht für die Firmen und Hausbesitzer. Der Schuldenstand, derzeit bei 65 Millionen, könnte, so die Sorge, binnen kurzer Zeit auf 220 steigen. Lang und Morkes mahnten die Politiker, nicht das Füllhorn auszuschütten.

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