Amtsgericht Gütersloh plant Verhandlungen via Video

Gütersloh. Der Anwalt sitzt in seiner Kanzlei, der Zeuge oder ein Sachverständiger daheim im Wohnzimmer und der Richter allein mit einer mobilen Videoanlage im Gerichtssaal. So oder so ähnlich könnte es aussehen, wenn am Amtsgericht Gütersloh in nächster Zeit die erste mündliche Verhandlung im Zivilrecht via Videokonferenz stattfindet. Seit einigen Tagen verfügt die Behörde an der Berliner Straße im Zuge einer Pilotphase der Justiz in NRW über die dementsprechenden technischen Mittel. Am Donnerstag gab es einen ersten Testlauf. Fünf Amtsgerichte in OWL Der Standort Gütersloh ist neben Bielefeld, Minden, Brakel und Lemgo eines von fünf Amtsgerichten aus Ostwestfalen-Lippe, die in den letzten Wochen vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit speziellen Gerätepaketen ausgerüstet worden sind, um in Zeiten von Pandemie und Abstandsregeln Prozesse virtuell führen zu können. Der Inhalt: Kamera- und Mikrofon-Sets, &bdquo;die mittels Standard-PC betrieben werden können und damit nicht die Verwendung einer ganz bestimmten Software voraussetzen", wie OLG-Pressesprecher Martin Brandt erläutert. Besonders vor dem Zugriff Externer geschützt Im Gütersloher Fall handelt es sich um ein für mittlere Sitzungssäle vorgesehenes Ausstattungspaket im Wert von rund 2.300 Euro, das aus Kamera, Mikrofonen, einem zusätzlichen Monitor und Verbindungskabeln besteht. Das Kernstück ist das mobile Konferenzgerät &bdquo;Group VK System" des Herstellers Logitech. Dessen Einsatz ist mit handelsüblicher Computertechnik und allgemein verbreiteter Browser-Software möglich, so dass sich Rechtsanwälte und weitere Verfahrensbeteiligte zum Videoprozess völlig unproblematisch &bdquo;reinklicken" können. Derartige technische Lösungen werden aktuell seitens der Justiz in Nordrhein-Westfalen besonders vor dem Hintergrund der laut Martin Brandt &bdquo;auch pandemie-bedingt gestiegenen Bedürfnisse und der sich entwickelnden technischen Möglichkeiten" erprobt. Dabei sind in einem ersten Schritt der Pilotphase die zehn Landgerichte sowie insgesamt 21 Amtsgerichte im Bezirk des OLG Hamm mit den entsprechenden Paketen ausgerüstet worden. Die Technik ist auf die räumlichen Verhältnisse der Sitzungssäle abgestimmt. Zudem soll sie die Anforderungen erfüllen, die für die Datenübertragung über das Landesverwaltungsnetz erforderlich sind. Das nordrhein-westfälische Justiz-Netz ist &bdquo;aus nachvollziehbaren Gründen der IT-Sicherheit vor dem Zugriff Externer besonders abgeschirmt", wie Martin Brandt erläutert. Amtsgericht-Direktor: Unnötige Verkehrsbewegung verhindern Die Verhandlung via Video bieten für den Gütersloher Amtsgerichts-Direktor Axel Meyer neben dem verminderten Risiko einer Ansteckung mit dem Corona-Virus auch &bdquo;eine interessante Variante, um zum Beispiel unnötige Verkehrsbewegungen zu verhindern." Die Parteien und Bevollmächtigten würden einfach einen Link erhalten, können sich so zuschalten und virtuell an der Verhandlung teilnehmen anstatt womöglich von weit her per Pkw anzureisen. Insgesamt 16 Richter sind am Amtsgericht Gütersloh tätig. Für sie ist das Verfahren eines Video-Prozesses Neuland, dabei gibt es die Option schon seit längerer Zeit. Gesetzlich möglich sind Videoverhandlungen grundsätzlich nach Paragraph 128a der Zivilprozessordnung (ZPO) seit dem Jahr 2002. Genutzt wurde diese Möglichkeit bislang kaum. Wohl auch, da es in vielen Gerichtssälen an der erforderlichen Konferenztechnik fehlt. Die Corona-Krise aber beschleunigt einmal mehr die digitale Entwicklung. Zwölf Videoverhandlungen am Landgericht Bielefeld - Tendenz steigend Das Landgericht Bielefeld hat bereits im Mai und Juni vergangenen Jahres die ersten Versuche der Nutzung eines Videokonferenzsystems vorgenommen. &bdquo;Im Juli 2020 fanden die ersten beiden Verhandlungen mit Hilfe der Videokonferenzanlage statt. Seit September wird die Anlage regelmäßig genutzt", erklärt Guiskard Eisenberg, Vorsitzender Richter am Landgericht. Dort wurden seit Jahresbeginn zwölf Zivilsachen per Videokonferenz verhandelt. Derzeit gäbe es durchschnittlich zwei bis vier solcher Verhandlungen pro Woche. Tendenz steigend! &bdquo;Für den Monat Februar sind bereits zehn Buchungen eingegangen", erklärt Guiskard Eisenberg. Das Gericht nutzt die Software "WebEX" von Cisco, zum Einsatz kommt das mobile Videokonferenzsystem von Logitech. Ein stationäres System des gleichen Herstellers werde demnächst zusätzlich in Betrieb genommen. Teilweise ist die Verbindung instabil &bdquo;Die Resonanz ist, soweit feststellbar, überwiegend positiv. Das System wird gut angenommen und mit fortschreitender Nutzungsdauer nunmehr regelmäßig gebucht", sagt Guiskard Eisenberg. Also eine zukunftsträchtige Angelegenheit? Aus Sicht des Richters nur bedingt, denn der Videoprozess &bdquo;stellt nach derzeitiger Gesetzeslage lediglich eine Alternative zum gesetzlichen Regelfall der Anwesenheitsverhandlung dar. Das Gericht wird bei seiner Entscheidung immer auch im Blick haben, ob sich das konkrete Verfahren für diese alternative Verhandlungsform eignet. Dies ist nicht immer der Fall." Ein oftmals geäußerter Kritikpunkt sei laut Guiskard Eisenberg zudem vor allem &bdquo;die teils instabile Netzverbindung", welche auf die Anbindung der zuzuschaltenden Parteien zurückzuführen sei. Für das Amtsgericht Gütersloh sind zunächst keine weiteren Anschaffungen im Bereich der Videokonferenztechnik geplant. &bdquo;Es gilt, zunächst die Ergebnisse der Pilotierung abzuwarten", sagt Martin Brandt.

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