Erste Gütersloher Ratssitzung mit der AfD: "Ohne Mut klappt das nicht"

Gütersloh. Jetzt sitzen sie da. Zum ersten Mal zieht die AfD in den Gütersloher Stadtrat ein. Mit ihren drei Fraktionsmitgliedern ist die Partei in den kommenden Jahren voll umfänglich in der politischen Ausschussarbeit sowie im Ältestenrat der Stadt involviert. &bdquo;Für uns ist die Entwicklung erschreckend. Wir streiten für eine weltoffene, freie und gerechte Gesellschaft", sagen die Jusos. Um die Öffentlichkeit an dieser Wegmarke noch einmal sanft zu rütteln, hatte ein breites Bündnis zu einer &bdquo;Mahnwache gegen Rassismus, Hetze und Hass" aufgerufen. Zur Klarstellung: Das war keine Demo gegen die AfD. Es war ein Appell für zivilisiertes Benehmen auf der (lokal-)politischen Bühne. Das sich das eine vom anderen schlecht trennen lässt, zeigen die Ereignisse und Schlagzeilen rund um den heimischen AfD-Bundestagsabgeordneten Udo Hemmelgarn in Berlin in dieser Woche. Sie stellen eindrucksvoll unter Beweis, wie wichtig dieses Ausrufezeichen der Jusos ist. &bdquo;Gerade der Schulterschluss der Jugendorganisationen zeigt, dass wir rechte Tendenzen auch in Gütersloh nicht unwidersprochen hinnehmen", gab sich das Mahnwachen-Bündnis kämpferisch. Allein, bei zwei politischen Mitbewerbern der Jusos blieb der Appell ungehört: Von den Jungen Liberalen gab es vorab keine Rückmeldung. Die Junge Union Gütersloh distanzierte sich gar von der Mahnwache, weil man neutral bleiben wolle. Im Rathaus Gütersloh ist man besorgt Sollte sich die AfD im Stadtrat so benehmen, wie sie es bislang im Kreistag getan hat, dann ist alle Aufregung umsonst. Hier saßen gewählte Vertreter der AfD auf ihren Sitzungsstühlen – ganz viel mehr war aber auch nicht. Dass das jedoch so bleibt, muss bezweifelt werden. Die AfD-Vertreter sind ausgetauscht, die nächsten Landtagswahlen stehen 2022 an, und es gilt sich zu profilieren für Spitzenpositionen in Düsseldorf. Im Rathaus Gütersloh ist man derweil besorgt, dass die AfD die Stadtverwaltung lahmlegt. Aus Erfahrungsberichten anderer Städte ist bekannt, dass die AfD einen großen Eifer darin entwickelt, dermaßen viele Anträge zu formulieren, dass die städtischen Beamten ihrer eigentlichen Arbeit kaum mehr nachkommen können. Bei den tatsächlichen Gütersloher Themen muss man ja nahezu gespannt sein, wie Torsten Drescher, Maxim Dyck und Arno Niederastroth argumentieren. Hat die AfD eigentlich eine Position zur Gütersloher Verkehrsentwicklung, zur Planung des Mansergh-Quartiers oder zur Schaffung neuen Wohnraums? Zur Karstadt-Schließung samt Innenstadtentwicklung hat sie eine. Die AfD Gütersloh schreibt auf ihrer Internetseite: &bdquo;Nach wie vor ist keine signifikante Übersterblichkeit (durch Corona, Anm. d. Red.) festzustellen und doch werden die Bürger weiter mit nicht mehr nachvollziehbaren Maßnahmen drangsaliert, Unternehmen wie auch Karstadt wissentlich in die &bdquo;roten Zahlen" getrieben. (...) Wertvolle Arbeitsplätze werden &bdquo;über Nacht" ruiniert." Dass der Kaufhauskonzern seit Jahren im Sanierungsmodus ist und die Schließung von insgesamt 60 Filialen weit vor Ausbruch der Pandemie eingeleitet wurde, verkommt zur Nebensache. Was nicht passt, wird halt passend gemacht. Wie gehen wir mit dieser Partei um? Wie gehen wir also um mit dieser Partei, von der bislang wahrlich kein positiver Impuls ausgegangen ist? Harsewinkeler Politiker stehen nach den Nachrichten aus Berlin nun auf und nehmen als Erste Haltung ein im Kreis Gütersloh: &bdquo;Alle Mitglieder des Stadtrates sind geschockt und sprachlos", so Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide. &bdquo;Die Harsewinkeler Fraktion der SPD im Stadtrat und der Ortsverein schämen sich heute fremd für den Harsewinkeler Bundestagsabgeordneten und Stadtrat der AfD", verliest SPD-Ortsvereinsvorsitzender Ralf Dräger eine Stellungnahme seiner Partei. &bdquo;Wir schämen uns, dass Udo Hemmelgarn Teil des Stadtrates ist." Die Forderung aus den Reihen der SPD Harsewinkel, sein Ratsmandat niederzulegen, die von allen Fraktionen unterstützt wird, weist Udo Hemmelgarn genauso zurück wie die Vorwürfe, Teil einer konzertierten Aktion seitens der AfD gewesen zu sein. So schnell ist der Spuk nicht vorbei und in Gütersloh fängt er womöglich gerade erst an. &bdquo;Wir erwarten, dass die demokratischen Fraktionen im Stadtrat auch weiterhin Haltung zeigen", sagt Sebastian Sieg von den Jusos. Gemeinsam werde man daher die Arbeit der AfD-Fraktion in den kommenden Monaten genau beobachten. Die NW-Redaktion wird genau beobachten Das werden wir auch. Die NW-Redaktion Gütersloh wird ebenfalls genau beobachten. Wir werden rechte Tendenzen nicht unkommentiert lassen, aber wir werden in der Berichterstattung nicht über jedes Stöckchen springen, das uns die AfD hinhält. Wir werden auch nicht in Autos steigen, die uns zu geheimen Treffpunkten der AfD-Fraktion bringen wollen, zu denen wir exklusiv eingeladen sind. Und wir werden es weiter geduldig und vor allem unerschrocken aushalten, wenn wir uns nach der Berichterstattung monatelang mit juristischen Klagen dieser Partei auseinandersetzen müssen. &bdquo;Das muss Demokratie aushalten", lautet einer der meistgesprochenen Sätze im Zusammenhang mit dem Gebaren der AfD. Falsch. Die neue Parteienvielfalt, die müssen wir aushalten. Die gehört tatsächlich zur Demokratie. Der Rest nicht.

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