Empörungswelle gegen Tönnies - Verzicht auf Staatshilfen gefordert

Kreis Gütersloh. Und wieder hat es Deutschlands größter Schlachtkonzern Tönnies mit Sitz in Rheda-Wiedenbrück in die Twitter-Trends geschafft. Diesmal löste das Unternehmen einen Sturm der Entrüstung im Netz mit der Nachricht aus, sich die Lohnkosten vom Staat zurückholen zu wollen. Ebenso wollen Subunternehmen von ihrem Recht Gebrauch machen, die Ausfälle aus öffentlichem Topf begleichen zu lassen, wie es das Infektionsschutzgesetz für Arbeiter in Quarantäne vorsieht. Nachdem nw.de darüber am Freitagmorgen zuerst berichtete, griffen eine Vielzahl regionaler und überregionaler Medien deutschlandweit die Nachricht auf, die sich wie ein Lauffeuer verbreitete. Bis am späten Freitagabend gastierte Tönnies als Hashtag noch in den Top Ten des Kurznachrichtendienstes Twitter. Und auch den Samstag über trudelten durchgehend weitere Tweets hierzu bei Twitter ein. Laumann: Tönnies sollte sich das sehr genau überlegen Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hält einen gesetzlichen Anspruch der Firma Tönnies und ihrer Subunternehmer für möglich, mahnte aber: "Ich würde mir anstelle von Herrn Tönnies und seinen Geschäftspartnern sehr genau überlegen, was man den Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen eigentlich noch alles zumuten will." Für Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sind die Anträge von Tönnies Beweis dafür, dass die Ankündigungen des Unternehmens "nur leere Worte waren und man kein Vertrauen in die Unternehmensführung haben kann". Es sei dreist, wie Tönnies jetzt abkassieren wolle. "Wer auf ein System der Ausbeutung setzt, die Gesundheit von Menschen riskiert und selbst in der Mitverantwortung für angeordnete Quarantänemaßnahmen steht, sollte sich mit dem Ausreizen von möglichen Erstattungsansprüchen besser zurückhalten." "Ich glaub, mein Schwein pfeift" Auch weitere Politiker als auch zahlreiche andere Nutzer machten vor allem ihrem Ärger Luft. "Erst durch skandalöse Hygiene-Verstöße eine Corona-Eruption auslösen, dabei zig Menschenleben gefährden und danach auch noch für die Lohnausfälle während der Quarantäne in öffentliche Haushaltskassen greifen wollen? Ich glaub, mein Schwein pfeift." twitterte Katja Kipping, Bundesvorsitzende der Partei Die Linke. "Wollte Tönnies nicht alles anders machen? Und was wurde aus dem Anstand des Unternehmens?" fragt einer. Der Bielefelder Cartoonist Ralph Ruthe hat seine eigene Lösung für den Fall der Fälle parat: "Wenn Tönnies damit durchkommt, zahl ich ab sofort keine Steuern mehr." Die juristische Rechtmäßigkeit stellen die wenigsten infrage, doch aus moralisch-ethischer Sicht sind sich die meisten einig: "Ich glaube, es gibt wenige Menschen, die dafür Verständnis haben, auch wenn's zunächst ganz legal aussieht", so ein Kommentator auf nw.de. Ein anderer Leser sieht erst einmal Tönnies in der Pflicht: "Zuerst sollte Tönnies die Kosten für sein Fehlverhalten zahlen, bevor er irgendwelche Ansprüche geltend macht. War immer schon meine Befürchtung. Statt den Konzern haftbar zu machen, schafft er es noch staatliche Hilfen zu kassieren und sich als Opfer darzustellen." "Das wäre ein Schlag ins Gesicht einer ganzen Region" In der Politik vor Ort im Kreis Gütersloh ist die Stimmung kaum anders. Die Grünen in Gütersloh fordern die Landesregierung und die Großschlachterei Tönnies auf, von Staatshilfen für die Lohnkosten in der Tönnies-Krise abzusehen. "Das wäre ein Schlag ins Gesicht einer ganzen Region", erklärt die Bürgermeisterkandidatin der Grünen, Gitte Trostmann in einer Mitteilung. "Gastronomie, kleine Betriebe und vor allem die Familien leiden unter dem von Tönnies verschuldeten Ausbruch - und nun soll der Staat für diese Verfehlung aufkommen? Das kann man doch niemandem vor Ort klar machen", so Trostmann weiter. Die Grünen appellieren an Clemens Tönnies, seinen Worten des Schuldeingeständnisses endlich Taten folgen zu lassen und für die Kosten notfalls auch mit dem Privatvermögen geradezustehen. Gitte Trostmann dazu: "Herr Tönnies sollte gut überlegen, ob er die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für seinen laxen Umgang mit dem Virus zur Kasse bitten will." Viel Hoffnung haben auch die Grünen nicht, dass Tönnies das verspielte Vertrauen in der Region aus freien Stücken wenigstens finanziell wieder gut macht. "Ich fordere die Landesregierung auf, dass sie keine Erstattung leistet, da Tönnies gegen Corona-Auflagen verstoßen hat. Es ist zu klären, ob Land, Kreis und Kommunen sowie geschädigte Mitarbeiter*innen und Unternehmen Anspruch auf Schadensersatz durch Tönnies haben", so Wibke Brems, Grüne Landtagsabgeordnete aus Gütersloh. Tönnies kommt nicht aus den Negativ-Schlagzeilen Die massive Kritik an dem Schlachtkonzern Tönnies ist nicht neu, seit dem Corona-Gau und den Folgen kommt das Unternehmen aber aus den Negativ-Schlagzeilen nicht mehr raus. Und bereits zuvor hatte Tönnies die Twitter-Trends unrühmlich gestürmt: Die rassistischen Äußerungen des Konzern-Chefs Clemens Tönnies brachten ebenso Empörungsstürme hervor, wie der erneute Lockdown für den Kreis Gütersloh als erster Landkreis in Deutschland. Dadurch schaffte es Gütersloh vermutlich erstmals ebenfalls in die Twitter-Trends. Groß war hingegen die Freude besonders bei den Schalke-Fans auf Twitter, als Clemens Tönnies seinen Rücktritt als Aufsichtsratsvorsitzender der Königsblauen bekannt gab. Unter dem konzerneigenen Twitter-Account "Tönnies Dialog" mit gut 700 Followern wird indes auf die Kritik der Nutzer nicht eingegangen. Dabei heißt es da: "Als Lebensmittelproduzent sind uns Meinungen wichtig. Daher treten wir mit Jedem in den Dialog, der sich für unsere Prozesse und Verantwortung interessiert."

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