Zwei Meter Abstand unmöglich: Zahnarzt-Praxen trotz Corona-Risiko geöffnet

Gütersloh. Zwei Meter Abstand halten – mindestens aber 1,50 Meter. Diese Anweisung hört und liest man aktuell überall. Um das sich ausbreitende Coronavirus so gut wie eben möglich einzudämmen, raten Ärzte und Virologen, Kontakt zu anderen Menschen zu vermeiden. Oder eben auf ausreichend Abstand zu gehen. Über Zahnärzte spricht in diesen Tagen so gut wie niemand. Vor allem nicht diejenigen, die Entscheidungen fällen könnten. Geschäfte, Fitnessstudios und Schulen sind schon dicht – Zahnarztpraxen weiterhin geöffnet. Die Ärzte und Arzthelferinnen kommen fremden Menschen nach wie vor täglich so nah, wie kaum jemand. Die NRW-Landesregierung sieht den Betrieb von Zahnarztpraxen im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Pandemie zum jetzigen Zeitpunkt trotzdem offenbar nicht als entscheidenden Faktor an. Eine Schließungsanordnung liegt nicht vor und die Zahnärztekammer sowie die Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe verfügen rechtlich nicht über die Befugnis zu einer solchen Anordnung. Unmut in den Praxen wächst Kammer und Vereinigung können aktuell also lediglich Empfehlungen aussprechen und an Ärzte und ihre Teams appellieren. &bdquo;Reduzieren Sie planbare zahnärztliche Behandlungen mit Blick auf das infektions-epidemiologische Risiko auf das unbedingt notwendige Maß", heißt es. Es obliege jedem Arzt, nach Abklärung aller Risiken zu entscheiden, ob eine Behandlung unter den vorherrschenden Gegebenheiten durchgeführt oder aufgeschoben werden soll. Der Unmut in den Praxen wächst derweil von Tag zu Tag. &bdquo;Wir werden derzeit im Regen stehen gelassen. Es gibt keine Vorgaben, keine Regelungen, nichts", sagt der Gütersloher Zahnarzt Stephan Lücke. Der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts, mit chirurgischem Mundschutz zu arbeiten, könne man gar nicht nachkommen. &bdquo;Wir kriegen die Masken ja nirgendwo. Sie sind überall weg." Nachschub sei geordert und auch versprochen – ändern tue sich aktuell aber nichts, so Lücke. Sein Team arbeitet aktuell mit der herkömmlichen Schutzausrüstung. "Derzeit finden wir in der Öffentlichkeit nicht statt" &bdquo;Im Prinzip machen wir aber nur noch einen erweiterten Notdienst. Wir verschieben viele Termine, die nicht unbedingt jetzt sein müssen. Die Patienten reagieren total verständnisvoll." Viele von ihnen würden auch von sich aus absagen. Lücke hat bereits die Kammer kontaktiert – ohne großen Erfolg. Auch beim heimischen Bundestagsabgeordneten Ralph Brinkhaus hat er das aktuelle Problem geschildert und platziert. Ob sich etwas tut? &bdquo;Ich hoffe es. Ich habe eine Verantwortung den Patienten und meinen Mitarbeitern gegenüber. Derzeit finden wir in der Öffentlichkeit beim Thema Corona gar nicht statt. Das muss sich dringend ändern." Ein Kollege von Stephan Lücke, der ebenfalls eine Zahnarztpraxis in Gütersloh betreibt, aber anonym bleiben möchte, schildert ähnliche Erfahrungen. &bdquo;Wir können den Mindestabstand nicht einhalten. Das ist ja unmöglich." Auch er klagt über den Engpass bei Masken. Die Praxis sei knapp zwei Monate im Voraus ausgebucht – vor allem mit Prophylaxe. Man versuche die Termine so gut es geht, wahrzunehmen. Allerdings werde jetzt verstärkt darauf geachtet, dass sich immer nur ein Patient in der Praxis aufhalte. Um das einhalten zu können, müssten Termine angepasst werden, so der Gütersloher Zahnarzt. "Es wäre sinnvoll jetzt ein Notfallzentrum einzurichten" Er fordert: &bdquo;Es wäre sinnvoll jetzt ein Notfallzentrum einzurichten und alle anderen Behandlungen einzustellen. Aber dafür braucht es zwangsweise eine einheiltliche Regelung. Derzeit kocht jeder sein eigenes Süppchen." Nadine Schüttmann (Name auf Wunsch geändert) ist seit 18 Jahren Zahnarzthelferin. Auch sie und ihre Kollegen hoffen seit Tagen auf eine deutliche Anweisung der Regierung. &bdquo;Wir sind den Patienten so nah bei der Behandlung. Wasser und Aerosole spritzen uns ins Gesicht – trotz Maske. Man will sich eigentlich nach jedem Patienten einfach nur am ganzen Körper desinfizieren." Bei ihr komme neben der Sorge, sich selbst mit dem Coronavirus zu infizieren, noch das Problem mit der Kinderbetreuung dazu. Schüttmann ist Mama von zwei Kindern im Alter von fünf und zehn Jahren. Kita und Schule sind dicht – also musste eine andere Lösung her. &bdquo;Meine Kolleginnen und ich bringen die Kinder jetzt mit in die Praxis. Sie halten sich in einem Privatraum auf. Das ist natürlich nicht optimal, aber wir haben keine andere Möglichkeit."

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