Bielefelderin verzweifelt bei der Arztsuche: Warum Augenärzte Kinder ablehnen

Bielefeld. Der kleine Sohn von Samanta Kieffer ist drei Jahre alt, als der Kinderarzt bei der Vorsorgeuntersuchung feststellt, dass der Junge auf einem Auge nicht die volle Sehkraft hat. Die Mutter erhält eine Überweisung in eine Augenarztpraxis. Das war 2023. Mehr als ein Jahr später hat Kieffer eine Telefon-Odyssee hinter sich. Doch eine Augenarztpraxis für ihr inzwischen vierjähriges Kind hat sie in Bielefeld bis heute nicht finden können. In den Kinderarztpraxen der Stadt ist das Problem bekannt. Seit Dezember 2023 ist Kieffer auf der Suche – erst verzweifelt, inzwischen ist sie wütend. &bdquo;Mein Sohn rennt mir hier inzwischen schon gegen Türrahmen. Egal, wo ich angerufen habe, in allen Augenarztpraxen bekam ich sofort ein Nein zu hören, oft patzig. Sogar in der Praxis meines Mannes. Das verstehe ich einfach nicht.“ Kieffer holt sich Tipps von anderen Müttern in der Kita. Kurz sieht es so aus, als klappe es in einer Praxis in Brackwede. &bdquo;Dort war zwar eine Ärztin erkrankt.“ Kieffer schafft es aber auf die Warteliste. Sie soll sich einige Wochen später noch einmal melden. &bdquo;Als ich wieder angerufen habe, hieß es: Tut uns leid, jetzt haben wir schon jemand anderem zugesagt und sind voll.“ Die nervenaufreibende Suche beginnt von vorne und zieht sich hin. Erfolglos. News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld Kein Termin trotz Überversorgung in Bielefeld Inzwischen hat die 37-Jährige schon die nächste U-Untersuchung für ihren Sohn hinter sich, seit Dezember die zweite Überweisung zu Hause in Senne liegen. &bdquo;Das kann doch nicht sein, dass man für ein Kind keinen Termin bekommt. Unser Kinderarzt sagte uns, dass wir nicht die einzigen Eltern seien, die verzweifelt nach einem Augenarzt suchen.“ Kieffer erhält den Rat, sich an die Presse zu wenden, und schreibt der &bdquo;NW“. 28,25 Augenärztinnen und -ärzte in Vollzeit gebe es in Bielefeld, ein Versorgungsgrad von 112,5 Prozent, heißt es auf Anfrage von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), die dafür zuständig ist, die gesundheitliche Versorgung in der 340.000-Einwohner-Stadt sicherzustellen. &bdquo;Es gibt keine weitere augenärztliche Niederlassungsmöglichkeit aufgrund der statistischen Überversorgung.“ Warum dennoch kein Termin zu bekommen ist? Gründe für eine Ablehnung von Patienten könne sein, &bdquo;dass die Kapazitäten der Praxis vorübergehend ausgeschöpft sind.“ Auf die Frage, wann der nächste Termin für einen Kindersehtest in einer Bielefelder Praxis verfügbar wäre, gibt es keine Antwort. Obwohl die KVWL mit ihrer Hotline 116 117 auch für Terminvermittlungen zuständig ist. Was ein Bielefelder Kinderarzt Eltern rät Dass es für Eltern schwierig ist, in Bielefeld einen Augenarzt für ein Kind zu bekommen, erlebt auch Marcus Heidemann, seit 2004 niedergelassener Kinderarzt in Bielefeld. Viele seien nach drei, vier vergeblichen Anrufen in verschiedenen Praxen frustriert. Der Sprecher der Bielefelder Kinderärzte rät Eltern, durchzuhalten, es weiter zu probieren oder über eine private Zusatzversicherung nachzudenken. &bdquo;Man kann sich auch an die KVWL wenden, aber ob das Erfolg hat, ist fraglich. Patienten müssen für die zugewiesenen Termine oft absurd lange Fahrten auf sich nehmen.“ Zu den Gründen, warum immer mehr Augenarztpraxen Kinder ablehnen, sagt Heidemann, diese seien auch wirtschaftlich. &bdquo;Krankenkassen rechnen Kinder als kleine Erwachsene ab, obwohl ihre Behandlung oft mehr Zeit in Anspruch nimmt. Denn Kinder machen auch mal nicht mit. Sie können ein Störfaktor in den Praxisabläufen sein. Manche Augenarztpraxen stellen dann lieber gar nicht erst die Fachkräfte ein, die für die Behandlung von Sehstörungen bei Kindern notwendig sind, weil sich das nicht rechnet. Gleichzeitig gibt es aber auch einen großen Fachkräftemangel in dem Bereich.“ Kinder sind für Augenärzte also teure Patienten: &bdquo;Der politische Wille scheint jedoch nicht vorhanden zu sein, die Kinderaugenheilkunde adäquat zu vergüten, weshalb sie dadurch in einen verhängnisvollen Wettbewerb zur Versorgung von Erwachsenen gedrängt wird“, erklärt der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) auf Anfrage. Der Verband fordert ein Ende der festen Budgets pro Kalenderjahr für die Versorgung von Kindern, weil aktuell eine gründliche augenärztliche Untersuchung von Kindern nicht kostendeckend zu leisten sei. So sieht es auch Kinderarzt Heidemann, der im Vorstand des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte sitzt: &bdquo;Die Vergütungen für Kassenpatienten, die Politik und Kassen vorsehen, sind so absurd niedrig, dass man darauf keine wirtschaftliche Praxisstruktur mehr aufbauen kann.“ Bielefelder Eltern verzweifeln: Kinderarzt-Suche gleicht einer endlosen Odyssee Bielefelder Arzt erklärt die Lage in den Praxen Und die Praxen seien voll. &bdquo;Wir sind alle am Limit. Ein Faktor ist dabei, dass die Methoden heute moderner, Eingriffe komplexer geworden sind, das gilt für alle Fachrichtungen, sicher auch für die Augenheilkunde.“ Mehr Patienten würden heute operativ versorgt. &bdquo;Das ist wertvolle Arbeit, die mehr Zeit kostet. Sie wird aber auch besser vergütet.“ Immer Facharztpraxen spezialisieren sich deshalb auf chirurgische Eingriffe. &bdquo;Wenn aber Ärztinnen und Ärzte anfangen, sich aus der medizinischen Grundversorgung zurückzuziehen, funktioniert unser Gesundheitssystem nicht mehr“, sagt der Sprecher der Kinderärzte. &bdquo;Ethik allein reicht nicht. Wenn es so weitergeht, wird das System in Kürze einstürzen.“ Samanta Kieffer hat nach noch mehr Telefoniererei jetzt einen Termin für ihren Sohn finden können. Im Februar, vierzehn Monate nach der ersten Überweisung. In Gütersloh. &bdquo;So schlimm war es noch nie“: Sprecher der Bielefelder Kinderärzte schlägt Alarm

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