Gütersloh. Mit dem Autoführerschein Motorrad fahren – das ist seit Anfang des Jahres möglich. Denn eine neue Verordnung erlaubt nun auch das Steuern von sogenannten 125ern, also von Motorrollern bis maximal 125 Kubik, 15 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h – und zwar ohne zusätzliche Prüfung.
Schlüsselzahl 196 lautet die Zahlenkombination, mit der man die bisher benötigte Fahrberechtigung der Klasse A1 umgeht. Wer sie in seinen Führerschein eintragen lassen möchte, muss drei Voraussetzungen erfüllen: Mindestens 25 Jahre alt sein, seit fünf Jahren die Fahrerlaubnis der Klasse B und bei einer Fahrschule vier Theorie- und fünf Praxis-Einheiten zu je 90 Minuten abgeleistet haben. Wer dann binnen eines Jahres zur Führerscheinstelle geht, die Bescheinigung, ein biometrisches Passfoto, Führerschein, Personalausweis und 29 Euro mitbringt, darf ein Leichtkraftrad fahren – auch mit Beiwagen.
Fahrschulen sind von Regel nicht überzeugt
Neu ist das Ganze nicht: Wessen Fahrerlaubnis vor dem 1. April 1980 in den Klassen 2, 3 oder 4 ausgestellt wurde, darf und durfte bisher 125er steuern. Die anderen mussten den A1-Schein machen oder sich mit Rollern bis 50 Kubik begnügen. Das hat sich wieder geändert, jedoch gilt die Erlaubnis nur für Deutschland und es ist nicht möglich, später in die A2-Klasse für schwere Motorräder aufzusteigen.
Markus Klich-Beckmann, Unterbezirksleiter für die Fahrschulen im Kreis Gütersloh sowie die meisten Fahrschulen sind von der neuen Regel nicht überzeugt, wenngleich sie die Argumentation von Verkehrsminister Andreas Scheuer, mehr Mobilität im ländlichen Raum zu fördern und die E-Mobilität zu stärken, nachvollziehen können. Aber: „Merkwürdigerweise dürfen wir Fahrlehrer zur Schulung gar keine E-Roller nutzen." Denn der Gesetzgeber verlange, dass dafür Fahrzeuge der Klasse A1 verwendet werden, doch bisher gebe es keinen Hersteller, der ein „prüfungstaugliches E-Motorrad" anbietet.
„Es bedarf einer ganz anderen Ausbildung"
Er hält die neue Verordnung nicht nur für unausgereift, sondern für falsch, weil gefährlich: „Es ist etwas anderes, ob ich ein mehrspuriges Fahrzeug wie ein Auto oder ein einspuriges Fahrzeug steuere, da bedarf es einer ganz anderen Ausbildung." Es sei zu befürchten, dass manch einer die Prüfung für den A1-Führerschein (kostet bis zu 1.500 Euro) mit den vorgeschriebenen 13,5 Zeitstunden (Kosten: 600 bis 800 Euro) zu umgehen versuche. Das Problem dabei: Die für den A1-Schein vorgeschriebenen Autobahnfahrten (180 Minuten), die Überlandfahrt (225 Minuten) und Fahrten bei Dunkelheit oder Nacht (135 Minuten) entfallen. Außerdem spiele es keine Rolle, wie gut der Schüler letztlich seine Aufgabe gemeistert habe, „selbst bei schlechten und beratungsresistenten Personen" müssen wir als Fahrlehrer im Anschluss die Bescheinigung ausstellen", sagt er. „Wir haben da keine Handhabe."
Josef Reckhenrich von der Verkehrswacht rät, diese im Zweifel nicht auszustellen. „Wenn ein Fahrlehrer Bedenken hat, sollte er die Bescheinigung aus Gewissensgründen nicht aushändigen." Fahranfängern empfiehlt er mindestens ein Fahrsicherheitstraining, allein schon, um im Verkehr nicht selbst gefährdet zu werden. Sonst sei zu befürchten, dass es mehr Unfälle gibt.
Die Kreispolizei befürchtet das nicht. „Ein signifikanter Anstieg der Unfallzahlen ist eher nicht zu erwarten", sagt Sprecherin Katharina Felsch und verweist auf die erforderlichen Vorerfahrung und die geforderten Fahrschuleinheiten, so dass man „von einer gewissen Fahrerfahrung" sprechen könne. Die Unfälle mit Verletzten, an denen 125er beteiligt waren, habe in den vergangenen Jahren stets unter zwei Prozent gelegen.
Interesse hält sich in Grenzen
Bislang halte sich das Interesse am neuen Führerschein in Grenzen. Fahrlehrer Klich-Beckmann und Josef Reckhenrich von der Verkehrswacht berichten zwar von Anfragen, aber nicht von Anmeldungen, genau wie auch das Straßenverkehrsamt noch keinen Antrag vorliegen habe. „Es ist nicht die Jahreszeit für Fahrstunden auf dem Motorrad", so Kreissprecher Jan Focken, der darauf hinweist, dass es wichtig ist, den Führerschein mindestens fünf Jahre in Folge zu besitzen. Wessen Erlaubnis kürzlich neu ausgestellt wurde, weil er vielleicht eine Medizinisch Psychologische Untersuchung (MPU) machen musste, für den beginnen die fünf Jahre ab Datum der Neuausstellung.
Ob ein Run auf die 125er stattfinden wird, bleibt abzuwarten, adäquate Fortbewegungsmittel für Stadt und Land sind sie allemal. Und günstig im Unterhalt. Laut Paragraf 3 Absatz 2 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung sind Leichtkrafträder steuerfrei, lediglich eine Haftpflichtversicherung (zwischen 47 Euro und 70 Euro im Jahr) ist erforderlich.