Gütersloh

Autofahrer brauchen viel Geduld: "Lkw raus aus den Ortschaften"

Es läuft wie immer: die einen wollen eine Straße, die anderen nicht. Wir brauchen neue Ideen, fordert die Gütersloher Lokalchefin Jeanette Salzmann.

Lkw rauben vielen Autofahrern in Ortschaften häufig den letzten Nerv. | © Symbolfoto/picture alliance

02.12.2019 | 02.12.2019, 10:00

Gütersloh. Wer mal die B64 nach Münster gefahren ist, weiß, wie viel Geduld das erfordert. Eingeklemmt zwischen Lkw zuckelt man dahin und passiert – angefangen in Rheda – geschätzte 120 Ampeln und 10 Starenkästen. Die Strecke ist mir persönlich sehr vertraut. Und ich weiß: es war mal besser. Alle Strecken waren mal besser – als diese wahnsinnige Menge an Lkw noch nicht vor uns her rollte. Pkw auch, klar. Und weil wir alle genervt sind, wollen wir neue Straßen.

Es ist die Hoffnung auf Besserung. Von denen auf der Straße und von denen an der Straße. Verkehrslärm beeinträchtigt das Leben vieler Menschen. So fühlen sich 75 Prozent der deutschen Bevölkerung nach aktuellen Studien vom Straßenverkehrslärm gestört oder belästigt.

Das Konzept aber funktioniert nicht

Das Konzept aber funktioniert nicht. Haben die einen Ruhe, sind die anderen betroffen. Und die Natur? Die kann sich nicht wehren, also wird über sie verfügt, bis am Ende nichts mehr übrig ist. B64n, Ausbau der B61 oder Umgehungsstraße Friedrichsdorf – allesamt jahrzehntealte Großprojekte, deren tatsächliche Umsetzung in unsere Nähe rückt.

Was wir dabei erleben, ist die lineare Verlängerung der Verkehrspolitik aus dem vergangenen Jahrhundert: Es gibt mehr Lastwagen, also muss es mehr Schnellstraßen geben. Noch mehr Lastwagen – noch mehr Schnellstraßen. Experten rechnen dagegen: Es wurden in den vergangenen Jahrzehnten 35.000 Kilometer Schienennetz stillgelegt, 6.000 Bahnhöfe geschlossen, 80 Prozent aller Güteranschlussgleise abgebaut.

Beim Thema Fern- und Schnellradwege geht es nur schleppend, wenn nicht gar überhaupt nicht voran. Dabei lassen sich durch E-Bikes und Pedelecs heute viel größere Distanzen zurücklegen. Wir sind und bleiben auf den Autoverkehr fixiert.

Ein Straßenmonster

Noch nie habe ich eine derartig abschreckende Straßenplanung wie die der B64n im Bereich Herzebrock-Clarholz gesehen. Als Hochtrasse angelegt, lässt sie alles andere neben sich verkümmern. Ein Straßenmonster. Das Fürstenhaus Bentheim zu Tecklenburg hat sich entschieden dagegen ausgesprochen – es sind die ersten prominenten Widersacher. Sie stellen sich gegen ein ganzes Bündnis der Industrie, die ihren Willen zur B64n deutlich bekundet hat. Was zählt dagegen schon eine flache und unscheinbar daherkommende Landschaft wie Sundern oder ein Kloster.

Der Straßenbau spaltet. Menschen haben begriffen, dass wir an den Rand unserer Kapazität gekommen sind. Wir haben es übertrieben. Wenn wir mit dem, was wir haben, nicht mehr auskommen, dann funktioniert nicht das Prinzip „mehr", sondern „anders". Wenn wir klimapolitisch unsere Hausaufgaben machen wollen, dann müssen andere Mittel her.

Jetzt müssen es nur noch unsere politischen Vertreter begreifen

Umwege für den Schwerlastverkehr sind ein erstes (!) probates Mittel. Lkw raus aus den Ortschaften! Geht nicht? Doch! Wenn man den Mut aufbringt, sich gegen die Interessen der Wirtschaft und ihre reflexartigen Drohungen zu stellen. Das Autobahnnetz gibt viel her.

Der Mensch und sein Lebensumfeld steht im Vordergrund der Betrachtung – nichts anderes. Darin sind sich übrigens Gegner und Befürworter von Straßenbauprojekten einig. Jetzt müssen es nur noch unsere politischen Vertreter begreifen.