Gütersloh

Geschäfte dürfen am Sonntag in Gütersloh öffnen - und Verdi schweigt

Das Oberverwaltungsgericht kippt die erstinstanzliche Entscheidung und gibt damit den Weg für den verkaufsoffenen Sonntag frei. Für die Gewerkschaft ist das eine herbe Schlappe

Am Sonntag kann in Gütersloh geshoppt werden. | © Montage/Andreas Frücht

22.03.2019 | 22.03.2019, 17:02

Gütersloh. Rolle rückwärts: Der verkaufsoffene Sonntag in Gütersloh findet nun doch statt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Minden am Freitag kurzerhand wieder gekippt. Das OVG folgte der Argumentation der Stadt, wonach der „Gütersloher Frühling" hinreichend wichtig ist, um die Öffnung der Geschäfte zu rechtfertigen. Für die Gewerkschaft Verdi, die gegen den verkaufsoffenen Sonntag geklagt hatte, bedeutet das Urteil eine herbe Niederlage.

Die Händler reagierten erleichtert. „Ich freue mich für unsere Geschäfte, unsere Stadt und für unsere Gärtner, deren Arbeit nun auch richterlich die Würdigung bekommen hat, die sie verdient", sagte Rainer Schorcht, Vorsitzender des örtlichen Einzelhandelsverbandes. „Das OVG hat erkannt, dass der ’Frühling’ eine Veranstaltung mit hoher, auch überregionaler Strahlkraft ist", sagte Jan-Erik Weinekötter, Geschäftsführer von Gütersloh Marketing. Keine andere Sonntagsveranstaltung werde mit derart hohem Aufwand vorbereitet und betrieben, insofern sei das Ersturteil aus Minden auch so irritierend gewesen. Der Stadt und ihren Bürgern stehe ein tolles Wochenende bevor.

Vorbereitungen für Sonntag wieder aufgenommen

Die Nachricht vom OVG-Beschluss hatte sich am Vormittag in Windeseile verbreitet. Die 250 Innenstadthändler, am Mittwoch noch konsterniert, nahmen im Nu wieder ihre Vorbereitungen für den Sonntag auf. Rund 40.000 Besucher werden erwartet, angesichts der guten Wetterprognose möglicherweise sogar noch mehr. Bürgermeister Henning Schulz teilte mit, die Entscheidung aus Münster sei für die Bürger sehr wichtig. Die Stadtverwaltung, die am Donnerstag umgehend Beschwerde gegen das Mindener Urteil eingelegt hatte, fühle sich in ihrer Beharrlichkeit bestätigt.

Die Gewerkschaft gab am Freitag trotz mehrmaliger Aufforderung keine Stellungnahme zu dem aktuellen Urteil ab. Einzelhandelschef Schorcht sagte, Verdi müsse sich fragen lassen, inwieweit es mit seinen Klagen gegen die Sonntagsöffnungen überhaupt die Interessen der Mitglieder und aller anderen Beschäftigten vertrete. Nur zehn Prozent der Arbeitskräfte im Einzelhandel gehörten der Gewerkschaft an, und selbst unter denen seien viele mit den Klagen nicht einverstanden.

"Der Einzelhandel hat eh stark zu kämpfen"

Schorcht, Vizepräsident im Handelsverband NRW, sagte, es sei an der Zeit, Verbände und die Politik für die Frage zu sensibilisieren, inwieweit Verdi mit derlei Klagen Machtmissbrauch betreibe. Die Belegschaft des Schuhhauses Potthoff verschickte am Freitag eine Stellungnahme, wonach die verkaufsoffenen Sonntage wichtig seien, um den örtlichen Einzelhandel zu stärken. „Der Einzelhandel hat eh stark zu kämpfen und steht in großer Konkurrenz zum Online-Shoppen. Wenn wir den Kunden nicht einmal mehr einen verkaufsoffenen Sonntag anbieten können, sehen wir darin noch ganz andere Probleme: Unsere Arbeitsplätze sind in Gefahr, immer mehr Geschäfte schließen, die Räume stehen leer, die Stadt stirbt aus."

Zudem bekämen die Beschäftigten für den Sonntag einen doppelten Freizeitausgleich, so die Potthoff-Belegschaft. „Wir verstehen nicht, warum Verdi nicht uns fragt, was wir möchten. Wir sind gerne bereit, an den vier Sonntagen für unsere Kunden da zu sein und freuen uns darauf."

Zeigt Verdi jetzt Einsicht?

Marketing-Geschäftsführer Weinekötter sagte, er hoffe, dass Verdi nun Einsicht zeige und von seinem „destruktiven Ansatz" abrücke. In seiner Urteilsbegründung schreibt der vierte Senat des OVG, die Veranstaltung „Gütersloh blüht auf" stelle einen Sachgrund dar, „der in der Abwägung mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Sonntagsruhe die konkrete Ladenöffnung – auch hinsichtlich ihres räumlichen Geltungsbereichs – rechtfertigt". Damit weist der Senat die Kritik von Verdi zurück, die in die Ladenöffnung einbezogenen Porta Möbel und Media Markt lägen zu weit außerhalb.

Das OVG führt weiter aus, „Gütersloh blüht auf" sei zwar nicht mit einem Volksfest oder einem Markt zu vergleichen, ziehe aber dennoch beträchtliche Besucherströme an und präge die Innenstadt derart, „dass sie einen sichtbaren besonderen Anlass für die Ladenöffnung" biete. „Mit seinem außergewöhnlichen Schmuck der Innenstadt" wecke es gerade an dem bevorstehenden Sonntag besonderes Besucherinteresse. „Temporäre vergleichbare Parkanlagen im Rahmen einer Landesgartenschau ziehen regelmäßig auch ohne ein umfangreiches Rahmenprogramm zahlreiche Besucher an", so das OVG.

Nicht als bloßes Beiwerk wahrgenommen

Dass der Parkplatz des Porta-Marktes in der Vergangenheit schon vor Öffnung der Geschäfte (13 bis 18 Uhr) zu 40 Prozent belegt sei, „ist durchaus ein gewichtiges Indiz dafür, dass die frühlingshafte Gestaltung der Innenstadt nicht als bloßes Beiwerk zur Ladenöffnung wahrgenommen wird."
Zur Einbeziehung von Porta und Media Markt schreibt der Senat, das Verwaltungsgericht habe zwar zu Recht Zweifel geäußert, ob sie sich noch als Annex zu „Gütersloh blüht auf" rechtfertigen ließen. „Die Ausstrahlungswirkung einer Veranstaltung kann sich aber durchaus auf Bereiche erstrecken, die eine große Anzahl von Besuchern als Weg zum Veranstaltungsort nutzen", so das Gericht.

Ralph Wiesel, geschäftsführender Gesellschafter des Media Marktes, reagierte erfreut auf diese Klarstellung. „Wir haben schon immer gesagt, dass wir uns als Teil der Innenstadt sehen." Mit einer eigenen Frühlingsmesse, Hüpfburg, Glücksrad und Sondervorführungen leiste man im übrigen ebenfalls einen Beitrag zur Gesamtveranstaltung. Auch eine Sprecherin von Porta sagte, man sehe sich durch das Gerichtsurteil bestätigt.