Gütersloh

"Klettern mit Hund" - Das geht demnächst im Gütersloher Klettergarten

Grenzenlos am Kiebitzhof: Im Klettergarten gibt es ab 26. April etwas Einzigartiges: „Klettern mit Hund“ soll die Beziehung zwischen Mensch und Vierbeiner stärken

Im Klettergeschirr: Zu Testzwecken zieht Thomas Woesthoff die Hundeschulenbesitzerin Simone Isenberg und ihre Mabel nach oben. Normalerweise erfolgt der Einstieg in den Kletterpark über die breiten Gänge. | © Jens Dünhölter

19.04.2018 | 19.04.2018, 22:05
Versuch: Kletterpark-Chef Thomas Woesthoff hievt Mabel in ihrem Sicherheitsgeschirr nach oben. - © Jens Dünhölter
Versuch: Kletterpark-Chef Thomas Woesthoff hievt Mabel in ihrem Sicherheitsgeschirr nach oben. | © Jens Dünhölter

Gütersloh. Mabel ist nicht gerade erfreut. Das testweise durchgeführte, angegurtete Hochziehen auf drei Meter Höhe hat die dreijährige Golden Retriever-Dame noch völlig entspannt überstanden. Auf der Hängebrücke war sie sogar weit vor ihrem unter Höhenangst leidenden, sich behutsam vortastenden Frauchen Simone Isenberg (49) auf der anderen Seite.

Die nächste Aufgabe wird eine Herausforderung für beide. Mit der sogenannten Fähre geht es auf einer zirka 1 x 1 Meter großen ziehbaren Platte über freiem Abgrund in drei Metern Höhe sieben Meter weit bis zur nächsten Plattform, und von da aus wieder zurück. „Du musst Dich an den Haltegriffen festhalten wie im Bus“, ruft Kletterpark-Leiter Thomas Woesthoff (44) dem menschlichen Teil des Duos zu.

Für den Vierbeiner gibt's am Ende zur Belohnung ein Leckerli

Das angelegte Klettersteig-Set, jeweils zwei Karabinerhaken und die angebrachten Kletterseile verhindern im Zweifelsfall den Absturz, beruhigen das Nervenkostüm der beiden Abenteurer ungemein. Trotzdem sitzt Mabel ganz still. Nicht einmal der Kopf dreht sich. Nach der Rückkehr zum Ausgangspunkt gibt’s für den Vierbeiner zur Belohnung ein extra Leckerli. Als nicht sichtbarer Effekt und Zweck der Übung ist das ohnehin gute Verhältnis zwischen Frauchen und Hund und umgekehrt weiter gewachsen.

Hängebrücke: Diesen Gang absolviert Mable weit vor ihrem Frauchen Simone Isenburg. - © Jens Dünhölter
Hängebrücke: Diesen Gang absolviert Mable weit vor ihrem Frauchen Simone Isenburg. | © Jens Dünhölter

Das war’s für diesen Tag. Über den rollstuhlbreiten Gang des Inklusionsklettergartens Grenzenlos am Kiebietzhof nähert sich das gut angeleinte Duo wieder sicherem Boden. Den laut Thomas Woesthoff „vermutlich schwersten Teil des Kletterparcours“, die für Hunde schwer gehbare, in zwei Hälften mit Luft in der Mitte aufgeteilte 85 Zentimeter breite Rollstuhl-Schiene als nächstes Hindernis, lassen beide hinter sich liegen. Vielleicht beim nächsten Mal. Gemeinsam sind Hund und Frauchen ohnehin schon buchstäblich viel weiter gegangen, als es bei ihrem zweiten gemeinsamen Besuch im vom Sozialpädagogischen Institut (SPI) betriebenen familiengerechten Inklusions-Klettergarten für Menschen mit Handicap geplant war. Außerdem sehen sich die Beteiligten ohnehin bald regelmäßig wieder.

Bislang einzigartig in Gütersloh: "Klettern mit Hund"

Als Gemeinschafts-Pilotprojekt initiieren das Grenzenlos-Kletterpark-Team und die auf Sport mit Hunden spezialisierte Inhaberin der Hundeschule „Two for More“ ab dem 26. April den zehn Einheiten umfassenden, in Gütersloh bislang einmaligen Kurs „Klettern mit Hund“.

Angesichts der feinen Tiernäschen ist man fast versucht, von einem Schnupperkurs zu sprechen. Die Idee dahinter ist indes nicht von der Hand zu weisen. Simone Isenberg : „Gemeinsame Erlebnisse fördern die Beziehung, man lernt sich besser kennen, vertrauen und verstehen.“ Die für Paare, Familie, Gruppen oder Firmen gültige Grundregel gilt selbstredend auch für die Non-Verbale-Verbindung zwischen Mensch und Vierbeiner. Speziell unsichere Hunde würden beim Klettern „Vertrauen entwickeln, das vereinfacht den Alltag“. Auch bei Menschen mit Höhenangst wie bei ihr selbst werde ein Kletter-Schuh draus. Simone Isenberg: „Der Mensch hat eine Fellnase an der Seite, die von der eigenen Angst ablenkt.“ Das wichtigste Argument unterstreicht der Klettermeister: „Es macht tierisch Spaß, das sind Pädagogik und Freude unter einem Hut.“

Die Kooperations-Idee ging von beiden Seiten aus

Die Kooperations-Idee ging fast zeitlich von beiden Seiten aus. Als offenes Familien-Freizeitangebot gerade für Menschen mit Handicap erreichten das Klettergarten-Aufsichtsteam seit der Eröffnung im Juni 2015 immer wieder „Kann ich auch meinen Hund mit nach oben nehmen“-Anfragen. Da das Thema Sicherheit beim Klettern in Höhen bis maximal fünf Metern alleroberste Priorität hat, waren als tierische Begleiter bislang nur ausgebildete Service- oder Assistenzhunde wie Blindenführerhunde zulässig.

Im Sommer 2017 hatte eine Gruppe von fünf Hunden, sechs Rollstuhlfahrern und ein paar „Radlosen“ (Umgangssprache für Fußgänger) zweimal vier Stunden jede Menge Spaß. Die Initialzündung. Per Zufall landete wenig später eine E-Mail der immer nach weiteren sportlichen Möglichkeiten suchenden Physiotherapeutin, lizensierten Hundetrainerin und ehemaligen Kollegin von Hunde-Coach-Gott Martin Rütter im Klettergarten-Postfach. Nach dem das entsprechende Sicherheitskonzept erstellt, und auch die von drei bis 27 Kilogramm reichenden, zertifizierten, für den Bergsportbereich zugelassenen Hundegeschirre eingetroffen waren, kann es nach den Testläufen von Mabel und Simone Isenberg im April bei wärmerem Wetter endlich los gehen.

Der Kurs dauert zehn Wochen

Die Kursdauer von zehn Wochen à eineinhalb Stunden ist bewusst auf Nachhaltigkeit, auf behutsamen, sich allmählich steigernden Pfote-für-Pfote-Aufbau konzipiert. „Jedes Team entscheidet für sich, wo die Grenzen sind“, verzichtet Simone Isenberg bewusst auf Vorgaben. Natürlich sei es Ziel des Kurses, „die fünf Paare (zwei Plätze sind noch frei) nach zehn Wochen in die Höhe zu bringen. Aber ohne Zwang. Jeder bekommt die Zeit, die er braucht“.

Der sternförmige, von jeder Plattform drei Alternativen bietende Klettergarten-Aufbau mit den breiten Rollstuhlwegen spielt in den Planungen die Hauptrolle. Thomas Woesthoff: „85 Prozent sind so gebaut, dass man egal ob im Rollstuhl, mit Hund oder zu Fuß problemlos auf dem Absatz kehrt machen kann.“

Vom Erfolg der Idee sind beide felsenfest überzeugt. Simone Isenberg: „Es ist etwas anderes, als mit dem Hund nur Gassi zu gehen.“ Und als Herrchen eines eigenen Vierbeiners gefällt Thomas Woesthoff der Gedanke: „Unser Anspruch, grenzenlos zu sein, gilt jetzt auch für alle sozialverträglichen Hunde.“