
Bielefeld. Vor dem Saal des Bielefelder Landgerichts reichen sich beide Streitparteien zur Begrüßung noch die Hand. Doch der zuvor locker wirkende Robert Tönnies blickt sein Gegenüber feindselig aus schmalen Augen an. Im Gerichtssaal fleht Geschäftsführer Daniel Nottbrock, der bisher als Finanzchef eingesetzte Schwager von Konzernchef Clemens Tönnies, Robert später an: „Bitte, tu mir und allen den Gefallen und kehr an den (Verhandlungs-)Tisch zurück. Wir sind doch eigentlich nicht weit auseinander."
Bei der Verhandlung vor der 8. Kammer für Handelssachen wird schnell klar: Der erbitterte Streit zwischen den beiden Gesellschaftern, dem Konzernchef Clemens Tönnies und seinem Neffen Robert (beide halten 50 Prozent) um die Macht im Fleischkonzern wird sich noch Jahre hinziehen. „Es gibt so viele strittige Themen. Die Tür ist faktisch zu", hatte Robert Tönnies schon vor der Verhandlung gesagt. Nun werde ihm der Schwarze Peter zugeschoben, beklagt er sich vor Gericht. Nottbrock erbost: „Die Tür hast du zugemacht."
Damit kommt Gero Debusmann, Ex-Präsident des Oberlandesgerichts Hamm, den Clemens Tönnies als Schlichter zur Beilegung des gesamten Streits befürwortet hatte, nicht zum Einsatz. Robert wolle einen Mediator und keinen Schlichter – wohl aus der Furcht, dann abgefunden und aus dem Unternehmen gedrängt zu werden, heißt es.
Klage gegen Tönnies-Holding
In wie vielen Klagen sich beide Parteien streiten, weiß Robert selbst nicht genau. An diesem Tag geht es um seine „Entnahme"-Klage gegen die Tönnies-Holding. Um die Anteile seines nierenkranken Bruders Clemens Tönnies junior (40) per Kauf- und Abtretungsvertrag (2011) zu übernehmen („Er ist nach einer Nieren-Spende meiner Mutter nicht belastbar und braucht nach 10 bis 20 Jahren wieder eine neue Niere"), durfte Robert laut Gesellschafterbeschluss (2008) den Kaufpreis von maximal 100 Millionen Euro der Holding in mehreren Jahresraten entnehmen.
Die Liquiditätslage des Konzerns lasse diese Auszahlungspraxis aber nicht mehr zu, begründet Nottbrock das Verhalten der beklagten Holding. Richter Wolfgang Drees kann dies kaum glauben. Er will nun eine Beweisaufnahme und Beschlüsse sehen. Auch an anderer Stelle ist er verwundert: „Die 25 Millionen Euro, die Sie ihrem Bruder damals sofort zahlen sollten, haben Sie bis heute nicht gezahlt." Nur gut zehn Millionen Euro hat Robert dem Bruder gutgeschrieben. Drees fordert die Streitparteien auf, sich zumindest darauf zu einigen, dem kranken Bruder zunächst 15 Millionen Euro zu zahlen und die die Antwort des Finanzamtes abzuwarten (der Buchwert soll bei 67 Millionen Euro liegen). Robert ist dazu bereit. Doch Anwalt Hans-Joachim Bodenbenner sagt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Clemens senior diesen Punkt wegschenkt und sich isoliert darüber einigt." Auch am Kaufpreis von 67 Millionen Euro äußert der Anwalt Zweifel, sein Vorgänger Mark Binz habe von 100 Millionen geredet.
Den Vorschlag Nottbroks, Robert könne ein Darlehen aus seinen jährlichen Gewinnentnahmen bezahlen, lehnt der ab: „Das kann ich nicht."
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