„Der Lärm macht uns krank“: Bürger am Bielefelder OWD kämpfen für schärferes Tempolimit

Bielefeld. Als der vier- bis sechsspurige Ostwestfalendamm (OWD) in den 1960er-Jahren mitten durch die Stadt geplant wurde, um eine &bdquo;autogerechte Stadt“ zu schaffen, gab es noch keine Gesetze zur Lärmvorsorge. Erst beim 2. Bauabschnitt gehörte ein Planfeststellungsverfahren dazu, in dem auch Lärmschutzmaßnahmen festgelegt wurden. 15.000 Fahrzeuge pro Tag sollen damals für den neuen rund neun Kilometer langen OWD prognostiziert worden sein. Heute sind es werktags zwischen 70.000 und 100.000 – mit allen Folgen für die Anwohner. Sie kämpfen mittlerweile seit 50 Jahren für mehr Lärmschutz. Und sie werden nicht lockerlassen. Seit Anfang November gelten auf einem Teilstück des OWD neue Geschwindigkeiten. 80 km/h am Tag, 60 km/h nachts. Erkämpft von der 1984 gegründeten Bürgerinitiative gegen Lärm am OWD, die auch den Gang vor Gericht nicht gescheut hat. Damit wurde die Stadt gezwungen, neue Lärmschutzgutachten erstellen zu lassen, um festzustellen, ob die 2019 angeordnete Geschwindigkeit von Tempo 80 für den gesamten Ostwestfalendamm ausreicht, um die Bürger vor dem Verkehrslärm zu schützen. Es reichte nicht, das Ergebnis ist bekannt. Belastung am OWD &bdquo;weiterhin gesundheitsschädlich“ Für Sabine Domm ist das nur ein Zwischenstand im unermüdlichen Kampf der Bürgerinitiative. Die Sprecherin hat sich an diesem Tag mit Mitstreitern auf der Fußgängerbrücke Haller Weg versammelt, darunter auch die 83-jährige Heide Seven, die seit mittlerweile 40 Jahren für mehr Ruhe kämpft. Seven ist betrübt darüber, dass nach all der langen Zeit auf einem Teil des OWD immer noch Tempo 100 gilt. Sie halten Schilder hoch, die zusammen den Spruch &bdquo;Lärm ist out“ ergeben. Unter ihnen rauscht der Feierabendverkehr dahin, eine Unterhaltung fällt wegen des Lärms schwer. &bdquo;Was wir bis jetzt erstritten haben“, sagt die Ärztin, &bdquo;liegt weiterhin im gesundheitsschädlichen Bereich.“ Lesen Sie auch: Dem Erdboden gleichgemacht – Wie in Bielefeld ein komplette Stadtviertel verschwand Es geht um Lärm, Feinstaub, Reifenabrieb, um Gesundheitsbelastung und Verkehrssicherheit. Durchgängig Tempo 80 gibt es immer noch nicht auf dem OWD. Der Landesbetrieb Straßen.NRW sträubt sich weiterhin. Stadtauswärts gilt 320 Meter hinter dem Knoten Quelle für 1,5 Kilometer wieder Tempo 100. Nahezu ab Höhe des Grundstücks, auf dem eine der siegreichen Klägerinnen gegen die Stadt Bielefeld wohnt. In Richtung Innenstadt kann von der Auffahrt bei Ikea bis zur Abfahrt Quelle 100 gefahren werden. Die Tempowechsel sind aus Sicht des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) eine Gefahr für Leib und Leben. Erst am 3. November hatte sich ein schwerer Unfall auf dem OWD stadtauswärts ereignet, kurz hinter dem Abschnitt mit Tempo 100. Durch die Wucht des Auffahrunfalls wurde der stehende Wagen von der Straße und kopfüber auf die Leitplanke geschleudert. Vor knapp vier Jahren starb eine junge Frau im Bereich der Abfahrt Quelle durch einen Raser, der mit überhöhter Geschwindigkeit auf das Stauende aufgefahren war. VCD: Gleichmäßiges Tempo sorgt für sicheren Verkehrsfluss Für Bernd Küffner vom OWL-Büro des VCD sind 14 Sekunden mehr Fahrzeit, die Tempo 80 von Tempo 100 unterscheiden, absolut marginal. Dafür sei der Verkehr lauter und das Unfallrisiko steige. &bdquo;Der OWD mit seinen vielen Abfahrten kurz hintereinander und einem erheblichen Lkw-Anteil braucht auch aus Sicherheitsgründen einen Verkehrsfluss mit angeglichen Geschwindigkeiten.“ Das schreibt Küffner in einem offenen Brief, den er an Bielefelds Verkehrsdezernenten Martin Adamski, an die Noch-Polizeipräsidentin Sandra Müller-Steinhauer und an Manuela Rose, Leiterin der OWL-Niederlassung von Straßen NRW, geschickt hat. Tempo 30 in der Innenstadt? Die Bielefelder haben dazu eine klare Meinung Eigene Geschwindigkeitsmessungen im Bereich der Graphia-Brücke hätten zudem ergeben, dass Verkehrsteilnehmer mit bis zu 181 km/h in der Spitze über den autobahnähnlichen OWD gebraust seien. Küffner bittet die Adressaten seines offenen Briefes, ihre Verantwortung für den Lärmschutz und die Verkehrssicherheit wahrzunehmen und dafür zu sorgen, dass die bereits beschlossene Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h endlich auf dem gesamten Ostwestfalendamm umgesetzt wird. Noch einmal zurück zur Bürgerinitiative. Sabine Domm und auch andere berichten, dass es nachts mit Tempo 60 hörbar leiser geworden sei. Das bestätigt auch Harald Klein, Bezirksvertreter aus Gadderbaum. &bdquo;Danke an alle, die sich an die Begrenzung halten“, sagt die Ärztin. Vielleicht könnten sie es im Sommer dann doch mal versuchen, bei offenem Fenster zu schlafen. Ein OWD-Abschnitt ohne Tempo 60 nachts. Warum? Unverständnis äußert die Bürgerinitiative darüber, dass die Stadt bei der neuen Beschilderung 80/60 auf ihrem Abschnitt des OWDs, der an der Brücke Haller Weg stadteinwärts beginnt, einen Streckenteil außen vor gelassen hat. Von der Abfahrt Stapenhorststraße bis zur Abfahrt Jöllenbecker Straße gibt es keine nächtliche Absenkung von 80 auf 60 km/h. Die neue Schilderstrecke, sagt Sabine Domm, hört ebenfalls in Höhe jenes Grundstückes auf, auf dem ein anderer Kläger der Bürgerinitiative wohnt. Auch interessant: &bdquo;Dieser Lärm macht krank“: So leben Menschen in Bielefeld direkt am Ostwestfalendamm Kein Meter freiwillig mehr sei die Devise, vermutet die Sprecherin. Als ob die Anwohner, beispielsweise am Goldbach oder in den &bdquo;Apfelsinenkisten“ an der Mindener Straße, keinen nächtlichen Lärmschutz nötig hätten. Zumal der 2012 auf dem städtischen OWD-Abschnitt aufgebrachte Flüsterasphalt seine Wirkung altersbedingt bereits eingebüßt habe. Darum wird die Bürgerinitiative weitermachen. Nächstes Ziel: 80 km/h tags und 60 km/ nachts für den gesamten OWD. In einem weiteren Schritt will man Tempo 60 rund um die Uhr. Damit die Immissionsgrenzwerte entlang der Stadtautobahn weiter runtergehen. Sabine Domm ist sich sicher, dass eine solche Regelung über kurz oder lang kommen wird. &bdquo;Wir reden hier nicht über Pillepalle“, betont sie, &bdquo;Umgebungslärm macht bekanntermaßen krank.“ Und dass der am OWD besonders stark sei, könne sich jeder auf den Lärmkarten der Stadt selbst anschauen. Vision: &bdquo;Autos verschwinden“ – Ostwestfalendamm wird grüne Fußgängerzone

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