Mit Ecken und Kanten: Bielefelder Top-Jurist geht nach 36 Jahren in den Ruhestand

Bielefeld. Ein Richter, so das Credo von Joachim Kleveman, dürfe auch mal unbequem sein. Seit 2018 leitete er das Bielefelder Arbeitsgericht. Nun scheidet der 67-Jährige aus dem Justizdienst aus. Langweilig werden wird es ihm jedoch sicherlich nicht. Dass Joachim Kleveman gerne auch mal abseits der ausgetrampelten Pfade unterwegs ist, zeigt sich im Wortsinn bereits an seinen Zukunftsplänen. So möchte er unter anderem als Wanderer Teile Albaniens und Georgiens erkunden, weitab der vielerorts üblichen Touristenströme. Geboren und aufgewachsen in Niedersachsen, legte Kleveman 1977 in Osnabrück das Abitur ab. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Augsburg und Bielefeld, dem anschließenden Zivildienst sowie einer kurzen Phase am Lehrstuhl für Arbeitsrecht trat er am 30. Mai 1989 in den Justizdienst ein. In der Folge war Kleveman zehn Jahre lang am Arbeitsgericht in Minden tätig, sodann neun weitere Jahre in Bielefeld. Nachfolge am Arbeitsgericht bleibt noch offen Nach der obligatorischen Erprobung am Landesarbeitsgericht in Hamm wurde Kleveman Direktor am Arbeitsgericht in Herford, 2018 übernahm er als Nachfolger von Heinz-Werner Heege – der zuvor ebenfalls Behördenleiter in Herford gewesen war – die Stelle des Arbeitsgerichtsdirektors in Bielefeld. Wer Kleveman nun nachfolgen wird, bleibt aufgrund einer geplanten Strukturreform der nordrhein-westfälischen Arbeitsgerichtsbarkeit vorerst offen. Die kommissarische Leitung des Bielefelder Arbeitsgerichts wird vorerst Arbeitsrichter Christian Vierrath übernehmen. Neben administrativen Aufgaben im nach Dortmund größten Arbeitsgericht Westfalens oblag Kleveman regelmäßig die Verhandlungsführung in Sitzungen der 1. Kammer seiner Behörde. Diese waren zumeist geprägt von der Suche nach einer gütlichen Einigung der Parteien einer-, aber auch durch offene Worte und klare Einschätzungen der Rechtslage andererseits. Zwei Verfahren bleiben Kleveman im Gedächtnis Insbesondere im Gedächtnis geblieben sind dem Wahl-Bielefelder hierbei zwei Verfahren, die auch bundesweit für Aufsehen gesorgt hatten: So war einer Mitarbeiterin des Unternehmens Tönnies gekündigt worden, weil sie während der Corona-Pandemie in den sozialen Medien ein Video geteilt haben soll, das dicht an dicht stehende Mitarbeiter des Konzerns in der Kantine zeigte. &bdquo;Die arme Frau erhielt die Kündigung. Es wurde wenig darüber nachgedacht, ob die Arbeitsbedingungen zu Corona-Zeiten zumutbar waren“, erläutert Kleveman rückblickend. Das Verfahren endete mit einem Vergleich. Mehr zum Thema: Prozess um Video aus Tönnies-Kantine: Küchenhilfe erhält Abfindung Darüber hinaus hebt Kleveman einen Verfahrenskomplex hervor, der gleich mehrere Angestellte betraf: Mitarbeiter des Gütersloher Konzerns Mohn Media sollten ohne ihre Zustimmung und ohne Lohn- oder Freizeitausgleich entgegen bestehender Verträge Mehrarbeit leisten. Um dies durchzusetzen, zog der Arbeitgeber durch die Instanzen, von Bielefeld über Hamm bis zum Bundesarbeitsgericht – ohne Erfolg. Man dürfe als Arbeitsrichter keine Angst haben, sich auch mal mit den Großen anzulegen, so Kleveman: &bdquo;Man muss Flagge zeigen, auch wenn es sich um einen großen Arbeitgeber handelt.“ So findet er deutliche Worte für &bdquo;die Zermürbungstaktik von Mohn Media: Da finde ich die Arbeitnehmer, die unverdrossen klagen, mutig und unterstützenswert“. Lesen Sie auch: Gütersloher Unternehmen Mohn Media kassiert Niederlage: Mehrere Kündigungen unwirksam Klevemans Plan: Weder Rechtsanwalt noch Buchautor Pläne für seine Zukunft hat Kleveman viele – keiner davon hat in irgendeiner Form mit seiner bisherigen Tätigkeit zu tun. So wird der verwitwete Vater zweier Kinder weder als Rechtsanwalt fungieren noch Bücher über das Arbeitsrecht schreiben: &bdquo;Ich mache einen Cut und möchte mich den schönen Dingen des Lebens zuwenden“, sagt der 67-Jährige. Ganz oben auf der Prioritätenliste stehen dabei seine drei Enkelkinder. Ansonsten möchte sich Kleveman, der immer mal wieder lokale Künstler mit Ausstellungen im Arbeitsgericht gefördert hat, intensiv seinem Sport – Fahrradfahren, Fitness- und Krafttraining – sowie dem Reisen widmen. Besuche der Salzburger Festspiele stehen da ebenso auf der Liste wie ein Besuch des Museum of Modern Art (MoMA) in New York. &bdquo;Das fühlt sich gut an“, lautet das Fazit des Juristen, &bdquo;36 Dienstjahre sind genug.“

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