
Bielefeld. 200 Gäste haben jetzt in der Ravensberger Spinnerei die neu eingebürgerten Bielefelder begrüßt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier richtete mit einer Videobotschaft persönliche Grußworte an die neuen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Auch Oberbürgermeister Pit Clausen begrüßte die frisch Eingebürgerten und dankte Stadtverwaltung, Verwaltungsteam und den neuen Deutschen für ihre Entscheidung, Bielefeld zu ihrer Heimat zu machen. Und musste sich gleich entschuldigen.
Andreas Turow, Leiter der Bielefelder Ausländerbehörde, betonte, wie bedeutsam Zuwanderung für die Stadt sei: „Aus demografischen und volkswirtschaftlichen Gründen brauchen wir Menschen, die bleiben, die arbeiten, die mitgestalten.“ Gleichzeitig machte er keinen Hehl daraus, dass die Behörde derzeit wegen der Vielzahl an Anträgen an ihre Belastungsgrenze stößt: Wer sich jetzt einbürgern lässt, hat im Schnitt fast zwei Jahre gewartet.
Hintergrund: Seit dem 27. Juni 2024 ist das neue Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft. Nun ist eine Einbürgerung bereits nach fünf statt acht Jahren Aufenthalt möglich und auch Mehrstaatigkeit wird zugelassen – mit dem Effekt, dass die Zahl der Einbürgerungsanträge in Bielefeld und bundesweit schlagartig gestiegen ist. Die Verwaltung kommt mit dem Bearbeiten kaum noch hinterher und klagt über akuten Personalmangel.
Der Anstieg der Antragszahlen sei sogar schon vor der Gesetzesänderung bereits mit den öffentlichen Diskussionen über mögliche Veränderungen im Staatsangehörigkeitsrecht vor rund drei Jahren zu beobachten gewesen, sagt Turow. Hinzu komme, „dass viele anerkannte Flüchtlinge aus den Jahren 2015 bis 2017 mittlerweile die zeitlichen Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllen.“ Die Antragszahlen seien von rund 1.500 Anträgen in den Jahren 2021 und 2022 auf weit über 3.100 im Jahr 2024 gestiegen.
Identität muss vollständig nachgewiesen werden
Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung sind indes umfangreich: Die Antragstellenden müssen seit mindestens fünf Jahren dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland leben und ihre Identität vollständig nachweisen können. Sie benötigen ein unbefristetes oder dauerhaft angelegtes Aufenthaltsrecht, müssen den Lebensunterhalt für sich und ihre Angehörigen eigenständig sichern und ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen.

Zudem sind Grundkenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung, das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die Einordnung in die hiesigen Lebensverhältnisse und ein tadelloses Führungszeugnis Voraussetzung. Die Prüfung all dieser Kriterien kann sich teils erheblich hinziehen, wie die Stadtverwaltung bestätigt.
Rassismus und Diskriminierung gehören zum Alltag
Bielefelds Oberbürgermeister Clausen bat für die Wartezeiten um Entschuldigung. In seiner Rede sparte er auch gesellschaftliche Herausforderungen nicht aus: Die Themen Rassismus und Diskriminierung seien für viele in Deutschland weiter Alltag – „und leider nicht nur hier, sondern auch andernorts in Europa und jenseits des Atlantiks.“
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Für Emotionalität sorgten die anschließenden Interviews: Ein indisches Paar – sie Softwareentwicklerin, er Wissenschaftler – erzählte, dass Bielefeld mittlerweile für die gemeinsame Familie zur zweiten Heimat geworden sei. Ein Syrer schilderte, dass sein allererster Kauf nach der Ankunft eine Regenjacke war. Und eine frisch eingebürgerte Amerikanerin fand die passenden Worte: „Ich habe Bielefeld in mein Herz geschlossen.“
800 Einbürgerungen jährlich in Bielefeld
Rund 800 Menschen werden in Bielefeld im Schnitt jährlich eingebürgert. Besonders viele Neu-Bielefelderinnen und -Bielefelder haben Wurzeln in der Türkei, Syrien, Irak, Russland oder Polen; deutschlandweit zählen auch die Ukraine, Rumänien und Afghanistan zu den wichtigsten Herkunftsländern der Eingebürgerten.
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So wurde die Feier einmal mehr zu dem, was sie sein soll: ein Zeichen gegenseitiger Wertschätzung und ein klares Bekenntnis zu einer solidarischen, offenen Stadtgesellschaft.