Politik in Bielefeld muss wieder alltagstauglich werden

Bielefeld. Über viele Jahre hat man sich in Bielefeld etwas vorgemacht, gemeint, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte AfD spielt in der Stadt keine Rolle. Noch 2020 wurde das Problem kleingeredet, als erstmals zwei AfD-Mitglieder in den Rat einzogen. Zwischendurch hat man sich auf Groß-Demos gefeiert. 20.000 und mehr auf dem Jahnplatz. Wir sind bunt, wir sind tolerant. Wir machen da nicht mit. Spätestens bei der Bundestagswahl im Februar hat sich gezeigt: Bielefeld unterscheidet sich in seiner AfD-Anfälligkeit um keinen Deut von anderen Großstädten. 28.000 Menschen wählten damals die &bdquo;Blauen“. Bei der Kommunalwahl am vergangenen Wochenende war ihre Zahl nicht ganz so hoch, aber nur weil die Wahlbeteiligung insgesamt niedriger war. Da hat sich längst etwas festgesetzt. Bielefeld ist nicht mehr Bullerbü, aber auch noch nicht Hagen oder Gelsenkirchen, wo die AfD Stichwahl-Kandidaten stellt. Jedoch die, die sich gern als demokratische Mitte sehen, CDU, SPD, Grüne und FDP, müssen sich fragen lassen, wieso der rechte Rand auch in Bielefeld unaufhörlich wächst. Klar, zum Teil ist sicher Berlin schuld. Da streitet sich schon wieder eine Koalition, die es doch so viel besser machen wollte als die Ampel zuvor. Da gibt es viele ungelöste Fragen von Bürgergeld bis Rente. Aber auch vor Ort läuft es nicht rund. Im Liveticker: Alles zur Stichwahl in Bielefeld am 28. September Schwierige Lage für die SPD Eine Partei, die darunter besonders leidet, ist die SPD. Gern wird von NRW als sozialdemokratischer Herzkammer gesprochen. Auch Bielefeld galt lange als SPD-Hochburg. Jetzt gibt es nur noch wenige rote Sprengsel in der Stadt. Der Wahlkreis 6 zum Beispiel, Kammerratsheide. Ja, Frederik Suchla hat ihn direkt für die SPD geholt, mit dem besten Ergebnis seiner Partei bei dieser Wahl: 29,1 Prozent. Aber wirklich stolz sein kann sie darauf nicht. Ganz früher lief da unter 50 Prozent nichts. 2009 waren es noch 42,3 Prozent. Der aktuell noch amtierende OB Pit Clausen war damals der Kandidat. 2014 wurden 40,5 Prozent gezählt, vor fünf Jahren bereits magere 32,4.Jetzt kommt die AfD in dieser kleinen sozialdemokratischen Herzkammer auch schon auf 12,1 Prozent, was exakt ihrem Gesamtdurchschnitt bei der Kommunalwahl entspricht. Auch dort geht immer mehr sozialdemokratisches Terrain verloren. Zum Thema: Christiana Bauer vs. Ingo Nürnberger: Der Stichwahlkrimi in Bielefeld beginnt Die Wochenzeitung &bdquo;Die Zeit“ hat vor ein paar Jahren geschrieben: Der durchschnittliche SPD-Wähler ist 50, hat zwei Kinder, verdient unter 3.000 Euro im Monat und ist im ADAC. Jetzt verdient er wahrscheinlich deutlich mehr als 3.000 Euro, ist immer noch im ADAC, aber ob er noch die SPD wählt, ist fraglich. Das mag etwas holzschnittartig sein. Aber was wollen die Leute unabhängig von solchen Parteipräferenzen eigentlich? Sie wollen morgens pünktlich bei der Arbeit sein, wenn’s sein muss mit dem Auto. Aber sie stehen im Stau. Sie wollen sich auf die Kita-Öffnungszeiten verlassen können. Sie wollen ihre Kinder auf die Schule schicken, die sie für sie aussuchen, und sich das nicht vorschreiben lassen. Sie wollen, dass der Schulbus pünktlich fährt und den Nachwuchs nicht einfach an der Haltestelle stehen lässt. Sie wollen eine bezahlbare Wohnung und vielleicht den Traum vom eigenen Häuschen verwirklichen – nicht im Speckgürtel, sondern in ihrer Heimatstadt. Sie wollen wissen, wie sie heizen sollen, und nicht monatelang auf einen Arzttermin warten. Und, ja, viele ältere Menschen wünschen sich das Viererticket bei Mobiel zurück. Alle Infos: Themenseite Kommunalwahl in Bielefeld .responsive23-cici2DsbnfitzN9I-bar-horizontal-ortscheck-bielefeld-ueberblick { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-cici2DsbnfitzN9I-bar-horizontal-ortscheck-bielefeld-ueberblick { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-cici2DsbnfitzN9I-bar-horizontal-ortscheck-bielefeld-ueberblick { padding-top: 142.86%; } } Die Quittung am Wahlsonntag Manches davon ist banal, aber Alltag eben. Erste Aufgabe der Kommunalpolitik ist es, dafür zu sorgen, dass dieser Alltag funktioniert. Das hat sie in der Vergangenheit manchmal vergessen, dafür lieber parteiübergreifend ideologische Spiegelfechtereien ausgetragen. Die Quittung dafür gab’s am vergangenen Wahlsonntag – auch in Form von 12,1 Prozent AfD. Regieren wird in Bielefeld dadurch künftig noch schwieriger. Immerhin: Sowohl Christiana Bauer (CDU) wie auch Ingo Nürnberger (SPD), die OB-Stichwahlkandidaten, scheinen verstanden zu haben. Sie versprechen beide einen pragmatischen Kurs. Gut so. Jetzt müssen die Wähler in einer Woche entscheiden, wer die Stadt wieder alltagstauglich machen soll. Wie denken Sie darüber? Ich freue mich über Ihre Meinung an michael.schlaeger@nw.de 📱News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

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