Empörung über Wahlplakat: Bielefelder FDP vergleicht Kesselbrink und Grundschulen

Bielefeld. Ein FDP-Wahlplakat sorgt in der Bielefelder Öffentlichkeit für große Irritationen. An fünf Standorten im Stadtgebiet ist großflächig zu lesen: &bdquo;Wenn Ihnen der Kesselbrink nachts Angst macht, besuchen Sie mal tagsüber unsere Grundschulen.“ Darunter wird für Jasmin Wahl-Schwentker als OB-Kandidatin der Liberalen geworben. Was haben ein unsicherer nächtlicher Kesselbrink und Bielefelds 43 Grundschulen miteinander zu tun, fragen sich viele und empören sich über den willkürlichen Vergleich. Pünktlich zum Schulstart sind die Plakate in der Stadt aufgetaucht, wenige Tage vor der Einschulung der Erstklässler in den Grundschulen. Eine kalkulierte Provokation in Wahlkampfzeiten – die vielen Bürgerinnen und Bürgern jedoch zu weit geht. Zahlreiche Leserbriefe haben die Redaktion erreicht, in denen viele ihrem Ärger über die FDP und ihr Plakat Luft machen. Auch in den sozialen Netzwerken sorgt das Plakat für Diskussionsstoff. Dessen Spruch sei populistisch und diskriminierend, lautet die überwiegende Kritik. &bdquo;Wahlkampfslogans verkürzen und überspitzen“, schreibt etwa Markus Spiekermann, selbst Lehrer an einer Bielefelder Grundschule, der NW. &bdquo;In der Regel werden aber von den Parteien des demokratischen Spektrums Grenzen eingehalten und der politische Gegner angegriffen. In diesem Fall sehe ich jedoch meine und die Arbeit vieler meiner Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen diskreditiert.“ Wahlergebnis aus Bielefeld in Echtzeit: Die Ergebnisse von Oberbürgermeisterwahl und Stadtratswahl finden Sie am Wahlabend hier Gibt es in Bielefelder Grundschulen Drogenkriminalität? Frank Breddemann, ehemaliger Grundschulkonrektor in Bielefeld, kritisiert, dass die besonders problematische, reale Situation am Kesselbrink direkt mit dem sichereren Umfeld von Grundschulen verglichen werde, was zu einer unangemessenen Gleichsetzung führe. Das Vertrauen in Bildungseinrichtungen und die Pädagogik werde so untergraben. Er fragt in Richtung FDP: &bdquo;Werden in Grundschulen Drogen vertickt? Gibt es in der Grundschule Messerstechereien?“ NW-Leser Bernd Adolph wirft den Bielefelder Liberalen &bdquo;faktenlosen Wahlkampf auf dem Rücken der Grundschulen“ vor. &bdquo;Das Leben in diesen Grundschulen soll jetzt über ein neues Wahlplakat mit Gewalt- und Drogenkriminalität in Verbindung gebracht werden; den Assoziationen der FDP folgend gibt es an den Grundschulen davon sogar erheblich mehr als auf dem Kesselbrink.“ Das sei Panikmachen mit &bdquo;alternativen Fakten“, wie man sie von Rechtspopulisten kenne. Das Sicherheitsgefühl der Menschen werde so verletzt. &bdquo;Fassungslos“ macht das Plakat Ferhat D. Senger aus Bielefeld. Der NW-Leser schreibt: &bdquo;Ich kenne die Grundschulen unserer Stadt als Orte, an denen mit viel Engagement Integration gelebt wird. Genau dieses positive Miteinander wird durch solche populistischen Aussagen vergiftet.“ Der Slogan schüre bewusst Ängste und schaffe ein Feindbild, wo keines sein sollte. &bdquo;Meine Angst gilt nicht dem Kesselbrink, sondern einer Politik, die solche Gräben bereitwillig vertieft.“ Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von FDP Bielefeld (@fdp.bielefeld) Ähnlich lesen sich auch Kommentare unter dem Post der Bielefelder Liberalen auf ihrem Instagramkanal, der ein Foto des Plakats zeigt: Es ist der meistkommentierte und auch -gelikte Beitrag in den vergangenen Monaten. Auf die wachsende Kritik reagiert die FDP nun nach Anfrage mit einem Statement. Bielefelder FDP erklärt, was sie mit dem Plakat sagen will Man habe mit dem umstrittenen Plakat eine Debatte über den Investitionsstau in den Bielefelder Grundschulen anstoßen wollen, erklärt der Bielefelder FDP-Chef Jan Maik Schlifter. Bei den vielen Zuschriften, die bei seiner Partei eingegangen seien, hielten sich Kritik und Zuspruch aber die Waage. Dass der Plakatspruch von Bürgern als diskriminierend verstanden oder gar unterschwellig fremdenfeindlich gelesen werden könnte, damit habe man nicht gerechnet. &bdquo;Über Stil lässt sich immer streiten, aber der Vorwurf, wir würden behaupten, dass es an Grundschulen mehr Kriminalität gäbe als am Kesselbrink, ist fast genauso grotesk wie die völlig konstruierte Unterstellung von Ausländerfeindlichkeit.“ Was das Plakat sagen will? Schlifter: &bdquo;Die Zustände am Kesselbrink und an unseren Schulen sind beide schlecht, für beides trägt der Rat die Verantwortung. Wir weisen seit zehn Jahren auf den Sanierungsstau an Bielefelder Schulgebäuden hin, mit überschaubarer Resonanz. Wir werfen nun mit einer Irritation punktuell ein Schlaglicht darauf, damit darüber endlich mal gesprochen wird.“ Drei neue Grundschulen seien versprochen worden, kein einziger Neubau fertiggestellt worden, so Schlifters Kritik an der rot-rot-grünen Schulpolitik in Bielefeld. Einen neuen Standort, den in Sennestadt, werde es gar nicht mehr geben. Zwei weitere haben an Interimsstandorten ihre Arbeit aufgenommen – die Grundschule Sieker in der früheren Pestalozzischule an der Otto-Brenner-Straße und die Grundschule Gellershagen in der ehemaligen Gutenbergschule. Die Grundschule Sieker hebt Schlifter dabei als Beispiel für verfehlte Bielefelder Schulpolitik hervor: &bdquo;Das Einzugsgebiet sieht fast nur Kinder aus sozial schwachen Familien vor. Die Schule wird jahrelang einfach nicht gebaut, obwohl das Grundstück da ist. Stattdessen wird ein entfernt liegendes altes Gebäude hergerichtet und die Kinder aus der Entfernung dort zugewiesen. Alles vermeidbar.“ Mehr zum Thema: Zu wenig Plätze: Diese 18 Bielefelder Grundschulen müssen Kinder ablehnen Grundschulleiterin: Plakat schafft einzig Verunsicherung Julia Klein ist Leiterin der Grundschule Sieker. Sie sagt, in Bielefeld werde in gute Grundschulen sehr wohl investiert. &bdquo;Ich habe hier nicht das Gefühl, stiefmütterlich behandelt zu werden. Ich wüsste gerne, wie eine gute Schule für die FDP aussieht.“ Was das Wahlplakat zur Debatte beitrage, sei einzig Verunsicherung bei Eltern und Kindern. Auch sie selbst sei ziemlich schockiert gewesen: &bdquo;Das, was den Kesselbrink unsicher macht, ist eine bestimmte Klientel, zu der hier unsere Kinder zwischen 5 und 10 Jahren indirekt in Bezug gesetzt werden.“ Grundschule Sieker: Wieso diese neue Bielefelder Grundschule auf Hausaufgaben verzichtet Klein stellt klar: &bdquo;Kinder können sich an den Bielefelder Grundschulen sicher fühlen, und das tun sie in der Regel auch.“ Herrn Schlifter habe sie bereits in die Grundschule Sieker eingeladen, gekommen sei er bisher nicht. Die fünf umstrittenen Plakate werden unterdessen wohl schon bald wieder verschwinden und laut FDP überklebt werden. Mit anderen Inhalten. Das sei keine Reaktion auf die Kritik, sondern geplant gewesen. Kommunalwahl 2025: Verkehr, Wirtschaft, Bildung: Das sind die Schwerpunkte der FDP in Bielefeld

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