Warum ein 29-Jähriger seinen alten Beruf aufgibt und jetzt Priester wird

Bielefeld/Paderborn. Borussia Dortmund hat auf der letzten Rille noch in der Fußball-Bundesliga einen Champions-League-Platz ergattert. Friedrich Regener freut dies sehr. Wenn es nicht geklappt hätte, wäre es für den 29-Jährigen, der im Dortmunder Süden zwischen A40 und A45 aufgewachsen ist, aber auch kein Beinbruch. &bdquo;Von meinem Elternhaus aus hätte ich aufs Stadion schauen können, wenn nicht der Kirchturm von Maria Königin in Eichlinghofen im Weg gestanden hätte“, erklärt Regener seine Vereinswahl und lacht. Der Blick auf die Kirche war für den jungen Mann, der die vergangenen 20 Monate als Diakon in St. Jodokus Bielefeld gedient hat, letztlich der deutlich prägendere. Am Pfingstsamstag, 7. Juni, wird er als Einziger im Erzbistum Paderborn in diesem Jahr zum Priester geweiht. Allein im großen Dom im Mittelpunkt einer heiligen Messe zu stehen und schließlich von Bischof Udo Markus Bentz geweiht zu werden, wie fühlt sich das wohl an? Friedrich Regener blinzelt nur kurz hinter seiner Brille mit Metallgestell. Nervös werde er sein, aufgeregt und sicher auch &bdquo;ein bisschen Bammel haben vor den großen Aufgaben, die da kommen“. &bdquo;Aber letztlich“, sagt er, &bdquo;ist es reine Vorfreude.“ Wohin er als Neupriester entsandt wird, erfährt der 29-Jährige traditionell erst am Weihetag. Mit seiner Entscheidung, Priester zu werden, steht Regener auch in einem größeren Kontext relativ allein auf weiter Flur. Im Erzbistum Paderborn ist die Zahl der Priesteramtskandidaten in den vergangenen zehn Jahren um gut 75 Prozent gesunken. &bdquo;Über acht Jahrgänge sind wir im Priesterseminar derzeit zehn Männer“, schildert Friedrich Regener. Für Domkapitular Michael Menke-Peitzmeyer, Leiter (Regens) des Priesterseminars Paderborn, ist das &bdquo;ein Spiegelbild der gesamtkirchlichen Situation in Deutschland“, wie er es kürzlich bei der Deutschen Regentenkonferenz ausdrückte, die Ende März in Paderborn stattgefunden hat. So müssen sich auch die (Erz-)Bistümer Gedanken machen über Kooperationen und die Zukunft der Ausbildung. Als Bankkaufmann nur &bdquo;98 Prozent zufrieden“ mit seinem Leben Friedrich Regener hat nach dem Abitur erst eine Lehre zum Bankkaufmann absolviert und bis August 2017 auch noch bei seiner Bank gearbeitet. Trotz eines unbefristeten Vertrages habe er aufgehört. Nicht spontan, sondern nach einem eineinhalbjährigen Entscheidungsprozess, wie der 29-Jährige erzählt. Er sei gerne Bankkaufmann gewesen, aber eben nur zu 98 Prozent damit zufrieden. &bdquo;Ich wollte aber 100 Prozent.“ Dass sein Weg das Priesteramt sein könnte, kam für Friedrich Regener, der in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen ist, nicht von ungefähr. &bdquo;Ich hatte eine klassische Sakristeikarriere“, sagt der Diakon mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Sternsinger, Messdiener, Firmvorbereitung, Küster. Das Lehramt kam für ihn nicht infrage. &bdquo;Ich wollte keine Schüler so wie mich“, sagt er mit einem Grinsen. Vor allem seinem Religionslehrer sei er mit &bdquo;unbequemen Fragen auf den Keks gegangen“. Viel entscheidender sei gewesen, dass ihn immer wieder Leute angesprochen hätten, ob er sich das Priesteramt nicht vorstellen könne. Dann habe ihm 2015 jemand einen Flyer für einen Tag der offenen Tür im Priesterseminar Paderborn in die Hand gedrückt, &bdquo;und ich habe es ausprobiert“. Lesen Sie auch: Leo XIV und der Leocampus - Paderborner Priesterseminar trägt päpstlichen Namen Tag der offenen Tür im Priesterseminar gibt wesentlichen Anstoß Es sei eine &bdquo;interessante Veranstaltung“ gewesen, mit &bdquo;Typen, die man in der normalen Umlaufbahn nicht wahrnimmt“. Eine völlig andere Welt, erinnert sich Friedrich Regener. Die doch etwas Faszinierendes gehabt und bei ihm ein diffuses Gefühl hinterlassen habe: &bdquo;Hier gehörst du hin, das passt“. Und später, mittendrin, habe sich natürlich der Eindruck der verschiedenen Umlaufbahnen relativiert, sagt der 29-Jährige verschmitzt. Regener setzte 2017 alles auf diese Karte und ging – auch mit dem Segen seiner Eltern – &bdquo;mit offenem Visier ins Priesterseminar“. Lange acht Jahre dauert die Ausbildung. Angefangen mit dem Propädeutikum, in dem man sich das Rüstzeug fürs fünfjährige Studium und das folgende Pastorenreferendariat draufschaffen muss, unter anderem Latein, Hebräisch und Griechisch, theologische Grundlagen. Und es gibt eine Einführung ins geistliche Leben, das für einen Mann auch bedeutet, zölibatär zu leben. Für Friedrich Regener ist dies nach eigenen Worten kein Problem. Ihm ist es wichtig, der Lebensform Jesu Christi nahezukommen. Das ist es, was er bei der Weihe auch dem Bischof versprechen wird. &bdquo;Ich möchte mein Leben mit Haut und Haaren in den Dienst Christi stellen“, sagt Regener. Das mit der Sexualität gehöre eben dazu. Und leicht sei es ja auch in einer Ehe nicht, das Gelübde einzuhalten, bis einen der Tod scheidet. Spannend: Bielefelder Vikar erlebt den frischgewählten Papst auf dem Petersplatz in Rom Diskussion um den Zölibat ist Friedrich Regener zu oberflächlich Vieles in der Diskussion um den Zölibat ist dem 29-Jährigen zu oberflächlich. Aus seiner Sicht würde dessen Abschaffung auch nicht automatisch dafür sorgen, dass sich mehr Menschen fürs Priesteramt entscheiden. Ein Blick hin zu den Evangelischen, die vor den gleichen Nachwuchssorgen stehen, zeige das. Dass er Priester einer schrumpfenden Kirche wird, entmutigt oder betrübt Friedrich Regener nicht. Ende 2024 betrug der Bevölkerungsanteil der Katholiken in Deutschland 23,7 Prozent. Der Anteil von &bdquo;Karteileichen“ dürfte dabei beträchtlich sein. In Bielefeld, das seit Februar nur noch einen großen Pastoralen Raum hat, gehören gerade noch 45.000 Menschen der katholischen Kirche an. &bdquo;Ich selbst bin schon in einem Pastoralverbund aufgewachsen“, sagt der 29-Jährige, der nach abgeschlossenem Studium im September 2023 in St. Jodokus Bielefeld angefangen hat und vor einem Jahr zum Diakon geweiht wurde. Im ganzen Bistum gebe es diesen Transformationsprozess, weil &bdquo;die verfasste Kirche als Volkskirche keine prägende gesellschaftliche Größe mehr ist“. Einblick mit Fotostrecke: Diese Menschen leben im Priesterseminar – obwohl sie gar nicht Priester werden Als Vikar will er Veränderungsprozesse der Kirche aktiv mitgestalten Er beobachte nichtsdestotrotz Aufbrüche. &bdquo;Es gibt Sonntage, da stehen in St. Jodokus 15 Messdiener im Gottesdienst. Oder junge Menschen kommen zu uns, wollen über Christus sprechen.“ Und die Menschen allen Alters, die Gottesdiensten und Messen besuchen wollten, kämen auch in die jeweiligen Kirchen. Er freue sich darauf, als Vikar die entsprechenden Veränderungsprozesse aktiv mitgestalten zu können. Gerne würde Friedrich Regener vor allem junge Menschen auf dem Weg zum Glauben begleiten. In seiner Schulausbildung hat er zudem festgestellt, dass Schule und der Religionsunterricht doch was für ihn ist, sodass er bis zuletzt regelmäßig Stunden in der Bielefelder Klosterschule gegeben hat. Das Gespräch über die Jugend führt unweigerlich zum Thema &bdquo;Missbrauch“ in der katholischen Kirche. Der 29-Jährige spricht sich klar für eine weitere Aufarbeitung aus und für Präventionsarbeit. Ohne das schreckliche Leid relativieren zu wollen, sieht Regener in der Kirche jedoch weiterhin einen Ort, in der sich Menschen wohlfühlen und ihren Glauben leben können. Im Habitat, der ihn als Geistlichen auszeichne, erlebe er, dass ihm trotz all der Krisen in der Kirche mit großem Vertrauen begegnet werde. Ein Vertrauen, dem er nach besten Kräften gerecht werden möchte. Auch interessant: Katholikentag findet 2028 in Paderborn statt Intensive Lehrgänge im Endspurt zur Priesterweihe Nach 20 Monaten in St. Jodokus hat sich Friedrich Regener in den vergangenen Wochen bei letzten Lehrgängen im Priesterseminar noch einmal intensiv auf seine Weihe und die Zeit danach vorbereitet. Sein Glaube, seine Familie und seine Freunde sind dabei seine Kraftquellen. Und die kleinen Dinge am Rande. &bdquo;Wenn beispielsweise jemand nach meiner Predigt sagt, ,den Gedanken nehme ich jetzt mit’, dann bestärkt mich das.“ Zum Thema: Priesterweihe in Paderborn – Negativrekord und Protest vor dem Dom

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