800 Besucher im Bielefelder Rathaus: Wie Erinnerung äußerst lebendig werden kann

Bielefeld. Eigentlich sollte die Veranstaltung dazu da sein, Erinnerungen zu wecken, sie aufzufrischen oder sie lebendig zu halten. Dass das Kulturfestival &bdquo;Ich bin. . . Zukunft braucht Erinnerung“ anlässlich des 80. Jahrestages des Kriegsendes selbst in bester Erinnerung bleiben wird, hatten die Organisatoren vielleicht erhofft, nicht aber fest eingeplant. Und doch wird der Abend im Alten Rathaus bei vielen der rund 800 Besucherinnen und Besucher genau das sein: Eine beeindruckende und einprägsame Erinnerung daran, wie vielfältig, bunt und abwechslungsreich Erinnerungskultur auch zum Thema Zweiter Weltkrieg und NS-Gewaltherrschaft sein kann. &bdquo;Es war ein Experiment“, sagt Jochen Rath, der als Leiter des Stadtarchivs bei der Planung des Events federführend war. &bdquo;Und wir nehmen für uns in Anspruch, sagen zu dürfen: Das Experiment ist geglückt.“ Mit Hilfe zahlreicher Gruppen, Vereine, Schulen, Organisationen, Künstler und Arbeitskreise wurden die Räume und Gänge des Alten Rathauses in eine Art &bdquo;Messe der Erinnerung“ verwandelt. An mehr als 40 Ständen konnten sich die Besucher &bdquo;erinnern, nachdenklich sein und sich ihrer Grundhaltung vergewissern“, wie Oberbürgermeister Pit Clausen zum Auftakt der Veranstaltung anregte – ehe er jeden einzelnen Besucher per Handschlag begrüßte. Und es waren einige Hände, die das Stadtoberhaupt schütteln durfte, weshalb es im Inneren des Gebäudes schnell ziemlich voll wurde – was dem Festival allerdings keinen Abbruch tat. &bdquo;Wir hatten ja keine Erfahrung mit dem Alten Rathaus als Veranstaltungsort“, räumt Rath ein. Als dann aber klar wurde, dass die Resonanz ausgesprochen gut war und &bdquo;die ersten kühnen Hoffnungen“ sogar noch übertraf, ließen sich die meisten Besucher von Stand zu Stand und von Veranstaltung zu Veranstaltung treiben. &bdquo;Vielleicht haben einige dann nicht das gefunden, was sie ursprünglich im Programm gesucht haben“, sagt Rath. &bdquo;Aber dann entdeckten sie etwas anderes und schauten sich das an. Letztlich hat es praktisch für jeden etwas gegeben.“ Kunst, Kultur, Musik und Performance rund um die Erinnerung Und zu entdecken gab es tatsächlich einiges. Natürlich gab es zu vielen Themen auf Schautafeln viel zum Lesen und zum Schauen. Doch neben dem an Ausstellungen erinnernden Teil gab es auch viele interaktive, alle Sinne ansprechende Angebote: Auf den Gängen kamen die Besucher mit den Aktiven der einzelnen Gruppen und Organisationen direkt ins Gespräch, die Stolperstein-Initiative Bielefeld präsentierte eine App mit &bdquo;Augmented-Reality-Erlebnis“ und im Graphic-Novel-Workshop &bdquo;Geschichte im Film – Bethel im Nationalsozialismus“ der v. Bodelschwinghschen Stiftungen sowie der Filmemacher von &bdquo;Artgerecht“ wurden die Ideen und Zeichnungen der Besucher zum Film. Einen weithin hörbaren Kontrapunkt zum stillen Gedenken lieferte das Schlagzeugensemble &bdquo;Bi-Cussion“ der Musik- und Kunstschule, das mit seiner Musik bewusst zum Tanzen aufforderte – und zu einem optimistischen Blick in die Zukunft. Für ein eigenwilliges geschmackliches Erlebnis sorgten wiederum die &bdquo;Omas gegen Rechts“, die mit &bdquo;Kartoffelkeksen“ ein Nachkriegsrezept zum Probieren anboten – eher bissfest als knusprig. &bdquo;Da ist Mehl, Zucker, Kartoffeln, Wasser und etwas Öl drin“, verrät Dörte Gräser. &bdquo;Und Backaroma von Dr. Oetker – das wurde auch damals produziert und fand reißenden Absatz.“ Lesen Sie auch: 80 Jahre nach Kriegsende: Bielefeld erinnert sich mit vielseitigem Programm Vier Stunden lang bevölkerten die Besucher das Alte Rathaus, die Bilanz der Organisatoren fällt mit Blick auf den großen Andrang entsprechend positiv aus. Was jeder einzelne nun vom Abend mitgenommen hat, könne man natürlich nicht messen, sagt Jochen Rath. &bdquo;Wenn aber nur die Hälfte von denen, die hier waren, erlebt haben, dass Erinnerungskultur etwas sehr Lebendiges ist, haben wir schon eine Menge erreicht.“ 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

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