Bielefeld. Wer dieser Tage einen Spaziergang an der Bielefelder Ochsenheide unternimmt, wird schon von Weitem die schweren Baufahrzeuge wahrgenommen haben, die am Rande einer abgesperrten Grube im hinteren Bereich des beliebten Naturschutzgebietes stehen. Im Zuge einer Instandsetzung der Trinkwasserleitung wird seit vergangenem Montag durch die Stadtwerke Bielefeld ein Rohrabschnitt ausgetauscht, der für die zuverlässige Be- und Entlüftung nötig ist.
„Ein wichtiger Schritt“, so Yvonne Liebold, Pressesprecherin der Stadtwerke, „denn es handelt sich um eine der Wasserleitungen, die vom Hauptpumpwerk Senne kommt und die Stadt mit Trinkwasser versorgt. Wartungsarbeiten, die routinemäßig die Funktionalität überprüfen, hätten ergeben, dass der Austausch des defekten Rohrs nötig geworden sei. Auf einer Fläche von 45 qm klafft eine drei Meter tiefe Grube, in der das mächtige Rohrsystem für die Arbeiten freigelegt wurde.
Etwa 150 Kubikmeter lösslehmhaltiger Aushub wurden dem Tiefengrund vorübergehend entnommen und sorgfältig auf einem Vlies neben dem Arbeitsbereich platziert. „Um den Eingriff in die Natur möglichst gering zu halten und die Wiese nicht zu beschädigen“, erklärt Liebold die ungewöhnliche Nutzung der Textilie anstelle einer Kunststofffolie. Aus demselben Grund wurde die Zufahrt auf das Grün mit einem Weg aus Leichtbohlen ausgelegt. „Die schweren Baumaschinen hätten andernfalls den empfindlichen Boden mit ihren Profilreifen aufgerissen.“
Lesen Sie auch: Bielefelder sollen helfen, dieses bedrohte, kleine Paradies zu retten
Bedeutung der Ochsenheide für die Artenvielfalt

Inwieweit dieser Eingriff ins Ökosystem Ochsenheide schädigend ist, klärt eine Nachfrage bei Ingo Jürgens von der biologischen Station Bielefeld/Gütersloh. Der Biologe kennt sich bestens mit der Vegetation des schützenswerten Naherholungsgebiets aus. Zweimal im Jahr führt er selbst die wichtige Mahd auf der 4,5 ha großen Wiese aus. Die sei erforderlich, um die Artenvielfalt auf der Ochsenheide zu erhalten. „Bedingt durch den flachgründigen Fels aus Kalkstein und die damit verbundene Nährstoffarmut entwickelte sich über Jahrhunderte eine außergewöhnliche Fauna und Flora, die für Bielefeld nahezu einzigartig und eine der wertvollsten Flächen ist, die wir haben“, schwärmt Jürgens.
Wer hätte gedacht, dass mit dem fliederfarbenem „Bienen-Ragwurz“ oder dem „Breitblättrigem Knabenkraut“ zwei Orchideenarten im Bielefelder Stadtgebiet heimisch geworden sind? Auch der zierliche Thymian oder der spätblühende Fransen-Enzian gehören zu den mehr als 120 verschiedenen, zum Teil seltenen Pflanzenarten auf der Ochsenheide. Sie bevorzugen eine nährstoffarme und lückige Vegetation, wie sie hauptsächlich in Gebirgsregionen auf kalkigen Steinböden vorkommt.
Umso wichtiger sei es, die Wiese nicht zu betreten, so Jürgens. Besonders appelliert der Naturschützer an das Gewissen der Hundehalter, wegen der Mahd keine Stöcker auf die Wiese zu werfen oder, und das sei weitaus gravierender: „Bitte lassen Sie die Hunde nicht auf die Wiese koten oder sie Löcher buddeln.“ Der Experte erklärt, was es mit diesem fatalen Eingriff in das empfindliche Ökosystem auf der Ochsenheide auf sich hat. Hundekot enthalte Stickstoff, der zu einer Überdüngung führe und für die magerbodenliebenden Pflänzchen tödlich sei. „Und das Buddeln zerstört schlicht die empfindliche Vegetation.“
Lesen Sie auch: Glühwürmchen in OWL: Wo die Leuchtkäfer bestaunt werden können
Auswirkungen der Tiefbauarbeiten auf die Vegetation
Zurück zu den Tiefbauarbeiten der Stadtwerke am defekten Trinkwasserrohr und den Auswirkungen auf den Lebensraum der Wiesenpflanzen. Jürgens gibt Entwarnung: „Die Arbeiten befinden sich auf einem weniger wertvollen Bereich, was die Vegetation betrifft.“ Bedingt durch den tonhaltigen Lehmboden und den höheren Nährstoffgehalt im Arbeitsgebiet der Wasserleitung habe sich dort eine andere Pflanzenwelt etabliert, die weniger empfindlich auf Eingriffe reagiere.
Und was passiert nach dem Zuschütten der Grube mit dem etwa 45 qm großen Erdbereich? „Wir setzen auf die Wiederbesiedlung durch die Umgebungspflanzen“, sagt Jürgens und fügt schmunzelnd hinzu: „Dieser Fleck könnte ganz interessant werden.“ Es dauere etwa drei Jahre, so der Biologe, bis sich eine geschlossene Vegetation entwickelt habe. Und die könne sich durchaus anders gestalten als zuvor. „Wir können alle gespannt sein und uns darauf freuen, was da entsteht.“