Frauenrechte in Gefahr: Bielefelderinnen warnen vor Rückschritten bei Gleichstellung

Bielefeld. Die gute Nachricht ist: Es hat sich schon viel getan, seit Frauen Anfang des vergangenen Jahrhunderts auf die Straße gegangen sind, um für Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu demonstrieren. Im Jahr 1918 erreichte die Frauenbewegung die Einführung des Wahlrechts für Frauen. Mit Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 wurde festgelegt: &bdquo;Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Die Eherechtsreform von 1977 erlaubte es Frauen, ohne Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten zu gehen. Durch eine Änderung des Paragrafen 177 StGB wurde 1997 die Vergewaltigung in der Ehe als Straftatbestand anerkannt. Brauchen wir noch einen Internationalen Frauentag? &bdquo;Aktuell haben wir Mühe, den Status quo für das Erreichte zu erhalten“, bejaht Lisa Krätschmer die Frage. Die 24-jährige DGB-Sekretärin engagiert sich seit fünf Jahren politisch in Bielefeld. &bdquo;Das Erstarken der Rechten macht mir Sorgen“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft SPD Frauen in NRW. Bielefelder Gleichstellungsbeauftragte über Gender-Pay-Gap und ungleiche Care-Arbeit Die Errungenschaften der Frauenbewegung in den vergangenen 100 Jahren seien in Gefahr, wenn vereinzelt Politiker offen die Abschaffung des Frauenwahlrechts forderten, oder gegen die Geschlechterparität im Deutschen Bundestag mit den Worten &bdquo;damit tut man auch den Frauen keinen Gefallen“ argumentierten. &bdquo;Da werden Grenzen des Sagbaren verschoben“, so sieht es Krätschmer. Angesichts des Gender-Pay-Gap von 16 Prozent, also der Differenz zwischen den durchschnittlichen Brutto-Stundenlöhnen von Frauen und Männern, &bdquo;sei noch lange nicht alles erreicht“, das sieht auch Agnieszka Salek, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bielefeld so. Auch interessant: Viele sehen in Jobwahl Grund für Gender Pay Gap &bdquo;Zudem“, fügt sie hinzu, &bdquo;leisten Frauen durchschnittlich 44,3 Prozent mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer“. Die sogenannte Sorge- und Pflegearbeit, umfasst zum Beispiel Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und Hausarbeit und macht, laut Daten des Statistischen Bundesamtes von 2022, etwa neun Stunden Arbeitszeit in der Woche aus. Zahl der Gewaltfälle und Femizide stark gestiegen Eine weitere Zahl macht beiden Frauen Sorgen. &bdquo;Die Fälle von häuslicher und sexualisierter Gewalt sind massiv angestiegen“, sagt Salek. Sie verweist in dem Zusammenhang auf ein gut vernetztes Hilfsangebot in Bielefeld. Die Gleichstellungsstelle sei erste Ansprechpartnerin in akuten Beratungsfällen und stelle den Kontakt zu Frauenorganisationen und -vereinen her. Dramatisch sei die angestiegene Zahl von Femiziden, fügt Krätschmer hinzu. &bdquo;Im vergangenen Jahr wurden 360 Frauen von ihren (Ex-)Partnern ermordet – also nahezu täglich kommt eine Frau in Deutschland durch häusliche Gewalt zu Tode.“ Erst am Donnerstag, 6. März, war die Polizei zu einem Einsatz in Bielefeld ausgerückt. Ein 82-jähriger Mann steht im Verdacht, seine Ehefrau getötet zu haben. Mehr denn je gelte es, da sind sich Salek und Krätschmer einig, patriarchale Strukturen aufzubrechen und gesellschaftliche Rahmenbedingungen für eine echte Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zu schaffen. Das sei ohnehin für alle von Nutzen, verweist Krätschmer auf den Fachkräftemangel in Deutschland, da Frauen heute so gut ausgebildet seien wie nie zuvor. Oft seien sie sogar höher qualifiziert als Männer. Bis zur Familienplanung, so Krätschmer, laufe die berufliche Gleichstellung sogar relativ parallel. Lesen Sie auch: Gleichstellung in Bielefeld: Ishara-Erlebnisbad führt Unisex-Bereiche ein Gleichstellung in der Bielefelder Verwaltung &bdquo;Wenn das erste Kind kommt, ist es damit für die nächsten 15 Jahre vorbei“, so Krätschmer, denn dann blieben die Frauen zu Hause und stiegen in Teilzeitjobs wieder ein, was ein massives Problem für die spätere Rente darstelle. Was wäre die Lösung? &bdquo;Ich sehe Unternehmen und Stadtverwaltungen in der Verpflichtung, einen Arbeitsplatzrahmen zu schaffen, in dem Frauen gut arbeiten können“, so Krätschmer. Natürlich spiele die auskömmliche Entlohnung eine Rolle, aber auch die Frage nach der Elternzeit für Männer. Wenn Unternehmen eine verlängerte Elternzeit für die Väter ermöglichten und die Frauen einen gleichberechtigten Lohn für ihre Arbeit erhielten, sei es möglich, dass eingefahrene Strukturen aufgebrochen werden könnten, prophezeit Krätschmer. &bdquo;Dann könnten die Frauen schneller wieder in ihren Beruf einsteigen und in der Zeit die finanzielle Versorgung sichern.“ &bdquo;Und wenn wir ausreichende Kinderbetreuungsangebote zur Verfügung stellen, führt das zu einer enormen Entlastung der Familien“, ergänzt Salek. Da sei die Politik gefragt, einen Strukturwandel zu vollziehen. Mehr zum Thema: Gleichstellung an Universitäten: OWL belegt Spitzenplätze Und wie sieht es mit der Gleichstellung in der Bielefelder Verwaltung aus? &bdquo;In der mittleren Führungsebene sind Frauen mit etwa 47 Prozent vertreten“, gibt sich Agnieszka Salek zufrieden. Doch das Bürgermeisteramt und die fünf Dezernate seien bisher rein männlich besetzt gewesen. Doch nun komme Bewegung in die Führungsriege, freut sich Salek: &bdquo;Mit Birgit Beckermann und Claudia Koch bekommen wir zukünftig in den wichtigen Bereichen Bildung, Wirtschaft und Stadtentwicklung einen weiblichen Blick auf die städtischen Verwaltungsbereiche.“ 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

Meistgelesen