Angst nach den Schüssen: Bielefelder sagen Restaurantbesuche ab

Bielefeld. Am Samstag, 9. März 2024, wurde Besar Nimani mitten in der Bielefelder Altstadt erschossen. Am Mittwoch, 26. Februar 2025, folgte ganz offensichtlich die Vergeltung vor dem Bielefelder Landgericht. Vier Angehörige des mutmaßlichen Nimani-Mörders werden niedergeschossen und dabei lebensgefährlich verletzt. Beide Daten werden den Bielefeldern auf Dauer im Gedächtnis bleiben. Denn beide Seiten – ganz unabhängig vom Ende des laufenden Prozesses und der Ermittlungen der aktuellen Mordkommission – haben mit größtmöglicher Rücksichtslosigkeit gehandelt und gezeigt, dass Menschenleben für sie keine Bedeutung haben. Das sorgt für Angst. Gastronomen in der Innenstadt berichten, dass manche Gäste für den Prozesstag am Dienstag sogar Tische storniert haben, weil sie sich nicht in die Altstadt trauen. Auch Zeugen im Prozess haben sich bereits wiederholt verängstigt gezeigt, als sie vor den Beteiligten aussagen mussten. Angst, Aggressivität und Abwehrverhalten im Zeugenstand Ein Zeuge aus dem Rheinland wollte dem Richter partout nicht seine Adresse nennen, reagierte aggressiv und zeigte wenig Interesse an einer Aufklärung. Ähnliches schilderten Zeuginnen, die direkt vor den Schüssen noch im Gerichtssaal ausgesagt hatten. Auch sie zeigten Unbehagen, dass Name und Adressen in der Akte auftauchten. Auch interessant: Schüsse in Bielefeld: Verhinderte ein Pistolen-Defekt den tödlichen Ausgang? Eine der Zeuginnen berichtete, dass sich der wegen Mordes angeklagte Hüseyin A. am Tatnachmittag vor einem Café an der Obernstraße auffällig oft umgesehen habe. Schließlich sagt sie zu ihrer Freundin den seherischen Satz: &bdquo;Der wartet doch auf irgendetwas. Würde mich nicht wundern, wenn es hier gleich knallt.“ Kurz darauf fallen 16 Schüsse und Besar Nimani ist tot. Offensichtlich von Angst beeinflusst war auch die Aussage des Café-Betreibers, in dessen Außenbereich sich die beiden mutmaßlichen Täter vor der Tat aufgehalten haben sollen. Seine Aussage kann man als widersprüchlich bezeichnen. Erst recht, als er mit einer völlig anderen Aussage zweier Zeuginnen konfrontiert wurde. Schließlich berief sich der Gastronom auf Anraten seines Anwalts sogar auf das Zeugnisverweigerungsrecht, um sich nicht selbst zu belasten. Friseur wirft Café-Betreiber Mitwisserschaft vor Ihm war offensichtlich daran gelegen, niemanden zu belasten und er wollte auch möglichst nicht in den Verruf geraten, Mitwisser gewesen zu sein. Die 1. Große Strafkammer machte ihm aber deutlich, dass er hier nicht als Beschuldigter gesehen werde und daher auch die Aussage nicht verweigern dürfe. Interessant: Der benachbarte Friseur soll dem Café-Betreiber direkt nach der Tat sogar vorgeworfen haben, gewusst zu haben, was passieren würde. Das hatte der Café-Betreiber selbst berichtet. Wie die Zeugin hatte auch er bemerkt, dass der Gastronom über Stunden immer wieder bei den späteren Tatverdächtigen am Tisch gestanden haben soll. Lesen Sie dazu: Deutete Bruder Blutrache im Fall Nimani an? Das steckt hinter dem Phänomen Kurz vor Ende der Gerichtsverhandlung stehen Berat Nimani, der im Prozess als Nebenkläger auftritt, und eine der sechs Schwestern frühzeitig auf und verlassen den Gerichtssaal. Eilten sie zur Vorbereitung der inzwischen deutschlandweit bekanntgewordenen Straftat nach draußen? Kein Verständnis mehr für Gedenkort in Bielefelder Altstadt Seitdem fallen in der öffentlichen Diskussion über die Tat Begriffe wie Blutrache oder Vergeltung. Es gibt sogar Social-Media-Beiträge, die sich offensichtlich solidarisch mit der Tat zeigen. Auf TikTok werden Videos der Tat mit dem albanischen Begriff &bdquo;Kanun“ versehen. Er steht für eine Form der Selbstjustiz aus dem archaischen Albanien. In der Bielefelder Stadtgesellschaft ist von Solidarität hingegen nichts mehr zu spüren. Die Menschen haben Angst und sie wollen auch keine Rechtfertigungen hören. Eine Leserin fragt ganz offen: &bdquo;Seit Mittwochmittag habe ich kein Verständnis mehr dafür, dass an der Obernstraße noch der Gedenkort für den Verstorbenen geduldet wird.“ Im Überblick: Die jüngsten Entwicklungen im Fall Nimani im Liveticker Ausgerechnet der Bruder und die Schwester, die jetzt wegen dringenden Tatverdachts in Untersuchungshaft sitzen, hätten nach der Tat von ihrer Trauer und ihrem Vertrauen in das deutsche Rechtssystem gesprochen. Je länger die aber Ermittlungen dauerten, desto öfter war von Bedrohungen der anderen Seite und Angst die Rede. Die Leserin: &bdquo;Diese Familie hat am Mittwoch ihr Anrecht verwirkt, in unserer Altstadt öffentlich trauern zu dürfen.“ In ihrem Freundeskreis sei das ein Riesenthema. Sie fordere daher die Räumung von Blumen und Kerzen. 25.000 Euro Spenden für die Familie Nimani Die Familie Nimani hat indes andere Sorgen. Nachdem nun zwei Familienmitglieder vermutlich lange in Haft sitzen werden, hat eine andere Schwester eine Spendenaktion ins Leben gerufen: &bdquo;Die Familie steht vor einem schwierigen Moment. Durch einen tragischen Schicksalsschlag veränderte sich ihr Leben schlagartig. Jetzt braucht sie Hilfe“, steht dort in albanischer Sprache als Erklärung. Innerhalb von nur zwei Tagen kommen dabei gut 25.000 Euro zusammen – vornehmlich von albanischen Spendern. Das veröffentlichte Spendenziel lautet 50.000 Euro.

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