Erfolgreiches Format am Bielefelder Theater: Kabarettist erklärt die Oper

Bielefeld. &bdquo;Es geht um drei Leute in den Südstaaten der USA, die nicht miteinander können und sich ein Erbe neiden. Trotzdem müssen sie unter einem Dach leben. Dabei kommen schlimmste Details aus ihrer Vergangenheit hoch“ – so kurz und knapp umreißt Dramaturgin Laura Herder den Plot von &bdquo;Endstation Sehnsucht“. Und hätte eigentlich schon das Wichtigste gesagt, wenn da nicht der hartnäckig fragende Ingo Börchers wäre. Der möchte noch viel mehr wissen über den Tennessee-Williams-Klassiker, der Generationen von Oberstufenschülern zur Analyse vorgesetzt wurde und als Opernadaption im Bielefelder Theater läuft. Seit mehr als zehn Jahren ist für den Bielefelder Kabarettisten die niedrigschwellige Annäherung an das Operngenre Programm. Immer dann, wenn es im Loft unterm Dach des Stadttheaters heißt &bdquo;Dem Ingo wird die Oper erklärt“. Der Schauspieler und Regisseur Thomas Winter hatte das Format seinerzeit aus der Taufe gehoben. In Wohnzimmeratmosphäre, vor kleinem, feinem Publikum im meist ausverkauften Saal, mit Gratisgetränk für jeden Besucher, hält Börchers verschmitzt mit allzu großer Expertise hinterm Berg. Er fragt seine Gäste, in diesem Fall die 33-jährige Herder, Dinge wie: &bdquo;Ist die Psychiatrie im Setting der 50er-Jahre wirklich so was wie die Endstation Sehnsucht?“, oder &bdquo;Bei der Musik habe ich an Gershwin gedacht, ist das legitim?“. Börchers spricht von der &bdquo;Tasten-Fachkraft“, als der Pianist sich nähert, um eine Gesangsszene von Blanche (Du&scaron;ica Bijelic) und Mitch (Lorin Wey) anzukündigen. Er eruiert biografische Daten des deutschstämmigen Komponisten André Previn, der die einstige Filmfassung in eine Oper verwandelte. Theaterbesuch in Bielefeld wird teurer: Was das für Besucher bedeutet Regisseur von Bielefelder Stück erklärt Publikum seine Arbeit Auch Regisseur Wolfgang Nägele steht Rede und Antwort. Von ihm will Börchers wissen, wie sich Regie und Musikdramaturgie vertragen. Nägele lobt die Intervention durch die Dramaturgin, sagt mit einem Augenzwinkern: &bdquo;Man ist als Regisseur ja auch irgendwie Handwerker, probt oft detailversessen und wird betriebsblind. Da ist es gut, wenn mal jemand aufräumt.“ Börchers klärt das Publikum über wenig Bekanntes auf, etwa, dass jedes Stück nur sechs Wochen Probenzeit erhält. Und dass das auch notwendig ist, um straffe Zeitpläne einzuhalten. Er arbeitet Stichworte ab, die er aus der Aufführung mitgebracht hat, fragt nach der Ausstattung (&bdquo;ein Musterbeispiel für modulares Wohnen“) und will schließlich wissen, was eigentlich am Theater die Rolle eines &bdquo;Intimitätskoordinators“ ist. Herder: &bdquo;Das ist eine Funktion, die ins Spiel kommt, wenn es intime Szenen gibt, etwa die Vergewaltigung in ’Endstation Sehnsucht’.“ Die Kollegen achteten darauf, dass alles technisch bleibe, sich nicht intim oder irgendwie übergriffig anfühle. &bdquo;Damit alle da achtsam und gesund durchkommen“, schlussfolgert Börchers. Und wieder ist das Publikum um einen Blick hinter die Kulissen des Theaters reicher. Lesen Sie auch: Was das Bielefelder Kulturjahr 2025 zu bieten hat Bielefelder Inszenierung und ihre Besonderheiten Börchers bezeichnet sich als &bdquo;Humorarbeiter“. In dieser Rolle möchte er sein Publikum – die meisten seien &bdquo;Wiederholungstäter“ – im Plauderformat und laienverständlich über die Oper aufklären, unterhalten und Schwellenängste gegenüber dem Musiktheater abbauen. Das Gerüst des Abends sei stets gleich – ein Gespräch mit den Musikdramaturgen, Laura Herder oder Jón Philipp von Linden, eine Szene aus dem Stück, Musik. &bdquo;Nach der Pause geht es dann meist um Besonderheiten der Bielefelder Inszenierung“, schildert Börchers. Und am Ende jedes Abends steht ein Gedicht, das Börchers humorvoll und treffsicher auf die jeweilige Oper geschrieben hat. Rund 70 hat er im Laufe der Jahre angesammelt. &bdquo;Das Schreiben gehört ja zu meiner Arbeitsplatzbeschreibung“, erklärt er und verweist auf das Bild von einem Ottomotor, das sein Arbeitszimmer ziert: &bdquo;Darunter steht ’Ansaugen – Verdichten – Ausstoßen’, das verdeutlicht meine Arbeitsweise ganz gut.“ Lesen Sie auch: Neue Doppelspitze am Theater Bielefeld: &bdquo;Wir vertrauen einander“ Inzwischen wisse er natürlich einiges über das Operngenre: &bdquo;Ich muss von Jahr zu Jahr mehr Energie reinstecken, um noch naiv genug zu wirken“, sagt er und lacht. Aber das sei eben Konzept. In der Recherche zum jeweiligen Stück sei er auf der Suche nach Fußnoten, Anekdoten oder &bdquo;gefährlichem Halbwissen“. Da gehe es schon mal um Hobbys oder das Lieblingsessen eines großen Komponisten. Um authentisch zu bleiben, ist ihm aber eins wichtig: &bdquo;Das Theater lässt mir viel Spielraum. Ich bin kein Hofberichterstatter und muss nicht jedes Stück gut finden.“

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