Enttäuschende Noten für Bielefelds City: Machen die Bürger ihre Stadt zu schlecht?

Was verbindet den Times Square in New York, die Piazza del Campo in Siena und Piccadilly Circus in London? Es sind weltberühmte Plätze, quicklebendig, multifunktional und bunt. Und es steht kein Baum und kein Strauch dort, so wie auf zahllosen anderen bekannten Plätzen und ähnlich wie auf dem etwas weniger bedeutenden Bielefelder Jahnplatz. Doch während die New Yorker, Senesi oder Londoner die Baumlosigkeit wohl nicht als großes Manko beklagen, sind viele Bielefelder seit zweieinhalb Jahren mürrisch, wenn sie an ihren neugestalteten Verkehrsknotenpunkt denken. Ja, es erscheint unzeitgemäß, heute einen großen innerstädtischen Platz zu gestalten und nur ein einziges dürres Bäumchen darauf zu pflanzen. Im Vergleich zu der Anmutung aber, die der &bdquo;alte“ Jahnplatz mit seinen tristen Wellblechdächern und dem grauen Kasernenhofcharme bot, brachte der Umbau eine revolutionäre Verschönerung. Die Bielefelder und ihre Gäste aus dem Umland scheinen dies jedoch nicht anzuerkennen. Sie nehmen auch manches Andere nicht wahr. Ausgerechnet in der Kategorie &bdquo;Stadtbegrünung“ vergaben die in Bielefeld für die gerade veröffentlichte Studie &bdquo;Vitale Innenstädte“ befragten Passanten ihre schlechteste Note, eine mittelmäßige 4 plus (3,7). Echt jetzt? Wo haben die Ostwestfalen (70 Prozent der Befragten waren Bielefelder, 30 Prozent kamen aus dem Umland) ihre Augen? In Minutenschnelle kann ich im Schatten großartiger Bäume am Niederwall bis in den Teuto schlendern und von dort aus durch die Wälder wandern. Vom baumbestandenen Klosterplatz kann ich die Allee an der Alfred-Bozi-Straße nehmen und durch den Kunsthallen-Park spazieren, bevor ich entscheiden muss, ob ich den Park an der Sparrenburg oder jenen am Johannisberg besuche. Studie hält den Ostwestfalen einen Spiegel vor Mancher erkennt leider den Wald vor lauter Bäumen nicht. Klar, die Stadt hat einige Problemzonen, die gerade in jüngster Zeit oft genug benannt und beleuchtet wurden. Da herrscht Handlungsbedarf. Und ja, viele Bielefelder Einfallstraßen sind karg und steinig. Doch auf dem Kontinent gibt es wahrscheinlich wenige Großstädte, die von solch einem verzweigten Grünflächennetz durchzogen sind, wie Bielefeld. Die Stadt hat viele Vorzüge und Stärken und manche positive Entwicklungen vorzuweisen, doch die Bewohner und Bewohnerinnen scheinen nur die Defizite zu sehen. Das belegt die vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) erstellte Studie, die ja in Wahrheit keine objektive Bestandsaufnahme des städtischen Angebots liefert, sondern durch die Auswertung von Interviews nur wiedergibt, wie Innenstadt-Passanten die Situation subjektiv empfinden. Die Studie hält den Ostwestfalen einen Spiegel vor. Aus dem NW-Shop: &bdquo;Weißt du noch? Bielefeld der 80er Jahre“ Tatsächlich erhielt die Bielefelder Innenstadt in fast allen Kategorien unterdurchschnittliche Noten. Auch &bdquo;Zweien“ und &bdquo;Dreien“ waren dabei, die Bewertungen waren nicht katastrophal – aber doch fast durchweg schlechter als im Durchschnitt von Städten wie Krefeld oder Oberhausen, Chemnitz oder Braunschweig. Hallo? Die Angebote an Gastronomie (Note 2,1) und Dienstleistern (2,2) wie Banken und Frisören scheinen noch das Beste an Bielefeld zu sein, hier wurden zwar keine Topnoten erreicht, doch immerhin der Mittelwert. Auch die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln bekam ein &bdquo;Gut“. Doch schon bei der Bewertung des Einzelhandelsangebots (2,5) gab es Abstriche. Ob die Befragten all die Angebote kleiner Geschäfte in der Altstadt wirklich kennen? Lesen Sie auch: Top 15: Das sind die beliebtesten Restaurants in Bielefeld Auch Missmut kann ansteckend sein Der angeblich eher maue Bielefelder &bdquo;Erlebniswert“ (3,3) verschlechterte sich gegenüber der Vorläufer-Studie weiter, ebenso wie die Noten für &bdquo;Flair und Ambiente“ (3,4) sowie für die &bdquo;Lebendigkeit“ (3,0). Dass gerade die Lebendigkeit bei den vielen innerstädtischen Veranstaltungen von den &bdquo;Nachtansichten“ bis zum &bdquo;Run and Roll City“, vom &bdquo;Karneval der Kulturen“ bis zum &bdquo;Leineweber“ in Wahrheit oft überbordend ist, fand wenig Niederschlag. Das könnte Sie auch interessieren: Leineweber, Libori & Co.: Das sind die größten Volksfeste 2025 in OWL Sehenswürdigkeiten scheint es der bundesweit publizierten Studie zufolge in Bielefeld überhaupt nicht zu geben. Alter Markt und Kunsthalle, Sparrenburg, Stadttheater und all die markanten Gründerzeit- und Jugendstilfassaden von Wohngebäuden und umgewidmeten Fabriken? Alles langweilig? Während die Bestnote der Kategorie in der Vergleichsgruppe bei 1,5 liegt und der Durchschnittswert bei 2,6, schätzen die Ostwestfalen selbst die touristische Attraktivität ihres Oberzentrums nur mit 3,4 ein, noch schlechter als 2022 (3,1). Man muss schlecht gelaunte Muffel, die sich nur schwer begeistern lassen, warnen: Mit einer allzu zurückhaltenden, spröden und überkritischen Haltung der eigenen Lebenswelt gegenüber verderben Menschen sich nicht nur selbst die Lebensfreude. So wie Fröhlichkeit ansteckend sein kann, ist es auch mit Missmut. Wenn ihre Stadt eine anziehendere Ausstrahlung haben soll, müssen auch die Bielefelder und Bielefelderinnen selbst mitziehen.

Meistgelesen