Bielefelderin wehrt sich gegen Bethel: Vom Leben auf der Großbaustelle

Bielefeld. Annette Wasser wehrt sich. Seit einem dreiviertel Jahr lebe sie jetzt auf einer Dauerbaustelle und bisher fehle ein akzeptables Angebot für ein angemessenes Zuhause angesichts der anhaltenden Bauarbeiten. Seit zehn Jahren bewohnt sie ein kleines Appartement im Personalwohnheim Haus Weitblick von Bethel. Das Hochhaus aus dem Jahre 1969 zählt sieben Etagen mit ursprünglich fast 100 Zimmern und befindet sich seit Mai 2024 in der Kernsanierung. Die sei längst fällig, sagt Dimitrije Babic, dessen Firma BCS Bauwerk GmbH das ambitionierte Projekt für den Bauherrn namens Stiftung Bethel umsetzt. Am Eingang des Hochhauses benennt das obligatorische Bauplakat die Verantwortlichen für die Renovierung und zeigt am Rande zwei Visualisierungen, die eine Ahnung geben vom zukünftigen Aussehen der Appartements: modern, chic, zeitgemäß. Tatsächlich existiert im siebten Stock bereits eine Art Musterwohnung, die sich die verbliebenen Nachbarn und Mitbewohner mehr oder weniger heimlich angeschaut hatten. Heimlich, weil die Tür offenstand und sie niemand dazu eingeladen hatte. Dabei habe es ursprünglich so geklungen, als sei das der Plan: Sobald unter dem Dach die Wohnungen fertig sind, ziehen die letzten Mieter mit den unbefristeten Verträgen in die Höhe und machen Platz für die weiteren Arbeiten. Energetische Sanierung des Bielefelder Hochhauses Weitblick Die sollen laut Baumeister Babic in diesem Jahr eigentlich abgeschlossen werden. Die energetische Sanierung als Beitrag zum Klimaschutz sei die Motivation hinter dem Projekt, sagt Bethel-Pressesprecher Johann Vollmer. Und auch Mieterin Annette Wasser begrüßt die Initiative der Stiftung, die zugleich ihr Arbeitgeber ist. Momentan zahlt Annette Wasser für ihre 25 Quadratmeter mit Minibad samt originalen Fliesen und Armaturen aus den 70ern eine Warmmiete von 223 Euro inklusive Strom, 8 Euro kalt. Laut Mietspiegel 2024 bewegt sich der Preis am unteren Ende der Skala, die von 8 bis knapp 10 Euro reicht. Immer informiert: Alles zum Thema Bauen und Wohnen in Bielefeld &bdquo;Die bestehenden Warmmieten gehören zu den niedrigsten, die im Stadtgebiet zu finden sind, und decken teilweise kaum die Nebenkosten der Personalwohnheime“, erklärt Johann Vollmer. &bdquo;In das Haus Weitblick investieren wir dafür 6,5 Millionen Euro aus Eigenmitteln und Darlehen. Diese Kernsanierungen sind leider mit unvermeidlichem Lärm und Einschränkung verbunden. Wir bedauern sehr, dass es dadurch zu temporären Unannehmlichkeiten kommt, für die die meisten Bewohnerinnen und Bewohner Verständnis aufbringen.“ Lesen Sie auch: Kosten-Explosion und falsche Werte: Bielefelder Mieter kämpfen um ihr Geld Das mache sie auch, wie Wasser beim Rundgang über die Baustelle sagt: Auf allen Etagen sind Flure und Decken nackt, die meisten Zimmer entkernt, mit Fernwärmeleitungen versorgt, Fenster getauscht, und draußen klebt die Dämmung an der Fassade. Doch einige Zimmertüren sind weiter geschlossen, auch dort wohnen wohl noch Mieter wie sie. Sie kenne ja nicht alle. In den Gemeinschaftsküchen konkurrieren teilweise Bauschutt und Müllbeutel um den Platz. Das wegen eines Rohrbruchs temporär geflutete Foyer sei nach kurzer Trockenphase wieder nass, der wegen kaputter Fensterscheiben einer alten Balkontür eisige Durchzug im Haus mittlerweile gestoppt. Bielefelderin Annette Wasser beschwert sich beim Mieterbund Ein Angebot aber zum Umzug in ein renoviertes Appartement während der Arbeiten, wie bei Baubeginn kolportiert, jedoch nie offiziell kommuniziert, habe sie nicht bekommen. Allerdings existiere davon bisher auch nur besagte Demoversion mit Miniküche und barrierefreiem Bad. Stattdessen erhielt sie die Offerte für ein Zimmerchen drei Türen weiter auf ihrer Etage: &bdquo;Völlig verdreckt“, konstatierte Wasser enttäuscht nach einer Besichtigung. Weil ihr die neue Hausverwaltung zuvor bereits die Kündigung nahegelegt habe, wie anderen Mietern auch, da sie sich die künftigen Mieten sowieso nicht leisten könnten, beschwerte sich Wasser beim Mieterbund. Lesen Sie auch: Bielefelder schockiert über drastische Mieterhöhung: Mieterbund setzt Signal Anlass zum Ärger seien auch wiederholt unangekündigtes Fehlen von Wärme, Wasser und Strom und den aus ihrer Sicht unfairen Umgang mit Mietenden. In einem Schreiben an die Hausverwaltung stellte Geschäftsführerin Sarah Bohnke die rechtlichen Positionen klar: Ihr Mitglied habe Anspruch auf ein angemessenes Ausweichquartier und keine Verschlechterung in Form eines Zimmers mit Nutzung eines Gemeinschaftsbades. Und wegen der Modernisierung könne die Kaltmiete maximal um 3 Euro pro Quadratmeter erhöht werden, wobei noch geklärt werden müsse, wie welcher Teil der Investitionssumme der regulären Instandhaltung diene und welcher der Modernisierung, denn nur Letztere sei mietrelevant. Wohnungsmarkt in Bielefeld: Für Familien sieht es düster aus Weil Annette Wassers altes Appartement mit einem Nachbarzimmer kombiniert werde und demnächst 480 Euro koste, biete man ihr alternative ein 25-Quadratmeter-Quartier an für 380 Euro warm, lautete das Angebot der Hausverwaltung. Plus einer jährlichen Mieterhöhung von 15 Euro, was einer Steigerung von 4 Prozent entspricht. Immer noch viel zu teuer, befinden die Verbraucherschützer, und Annette Wasser wohnt weiter in ihrem Zuhause aus den 70ern. &bdquo;Dann bauen wir eben um sie herum“, sagt Baumeister Babic, &bdquo;Scherz – wir finden bestimmt noch eine Lösung.“ News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

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