Wahlkampf: Die Scholz-Show im Bielefelder Lokschuppen

Bielefeld. Schon um 9 Uhr haben sich die ersten Besucherinnen und Besucher am Lokschuppen eingefunden. 500 Bielefelderinnen und Bielefelder wollen an diesem Morgen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erleben, 250 mehr als ursprünglich geplant. Wenn der Kanzler kommt, gilt die höchste Sicherheitsstufe. Deshalb mussten sie sich vorher anmelden. Und deshalb lassen sie jetzt auch die Sicherheitskontrollen geduldig über sich ergehen, denn die werden an diesem Tag großgeschrieben. Mit Video: &bdquo;Ehrlichkeit bewiesen“: Das sagen die Bielefelder zum Auftritt von Olaf Scholz Im Saal gilt freie Platzwahl, nur die ersten Reihen sind für geladene Gäste reserviert. Alle sind gespannt, was der Regierungschef zu berichten hat. Die Zuhörerinnen Heike Kuhlmann und Hildegard Fuest erwarten vom Bundeskanzler Antworten darauf, wie die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Sie können sich im Zweifel auch eine Große Koalition vorstellen, die die wichtigsten gesellschaftlichen Probleme löst. Um kurz nach 11 trifft Scholz am Lokschuppen ein. Doch bevor er durch einen Seitengang den Saal betritt, gibt es erst einmal ein Warm Up, wird mit den Zuhörerinnen und Zuhörern der Willkommensbeifall samt &bdquo;Olaf!-Olaf!“-Rufen geübt. Die Reaktion ist aber eher ostwestfälisch verhalten. Die Bielefelder Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar begrüßt nun die Gäste – und gibt dann die Bühne frei für Scholz. Zuvor hatte sie gegenüber dieser Redaktion gesagt: &bdquo;Ich erhoffe mir spannende Fragen aus dem Publikum und erhellende Antworten von unserem Kanzlerkandidaten in diesen turbulenten politischen Zeiten.“ Sie halte ein Dialog-Format wie dieses dafür viel geeigneter als plakative Kundgebungen. Liveticker zum Nachlesen: Bundeskanzler Olaf Scholz in Bielefeld Routiniert geht Scholz auf die ersten Fragen ein Dann tritt Scholz auf, grüßt mit einem schlichten &bdquo;Guten Morgen!“ in den Saal und fügt schnörkellos an: &bdquo;Dann lassen Sie uns mal zur Sache kommen.“ Routiniert geht Scholz auf die ersten Fragen ein. Den Anfang macht der Bielefelder Gastronom Andreas Büscher. Dem Vorsitzenden des Hotel- und Gaststättenverbandes geht es um eine niedrigere Mehrwertsteuer im Gastgewerbe. Aber da kann Scholz ihm keine Hoffnung machen. &bdquo;Zu groß sind zurzeit die finanziellen Herausforderungen, vor denen wir stehen.“ Als es eigentlich um die Situation der Hebammen im Land geht, ruft eine Aktivistin dazwischen, fordert mit rot getränktem Kopftuch das Ende der israelischen Offensive im Gazastreifen und ein Ende deutscher Waffenlieferungen. Es ist der Moment, als der sonst so ruhig argumentierende Kanzler emotional wird, die Unterstützung Deutschlands für Israel betont und sehr deutlich darauf hinweist, dass es die Hamas war, die am 7. Oktober 2023 Israel angegriffen und mehr als 1.200 Bürger des Landes getötet hat. Israel habe daher ganz klar ein Recht auf Selbstverteidigung. Die Aktivistin und ihr Begleiter werden schließlich von Sicherheitskräften aus dem Saal geführt. Zuvor hatten bereits vor dem Saal etwa 40 Palästinenserinnen und Palästinenser gegen den Krieg in Gaza demonstriert. Lesen Sie auch unseren Kommentar: Scholz setzt auf das Thema Sicherheit in unsicheren Zeiten Die Zeit im Saal vergeht wie im Fluge mit den Themen Rente, Bildung, Schule, Gesundheit, Ukrainekrieg und Chancengleichheit. Das viel debattierte Thema Migration spielt keine große Rolle. Moderator Timo Fratz, Chefredakteur von Radio Bielefeld, stellt nach rund 50 Minuten die letzte Frage, will wissen, was der Kanzler am 24. Februar, am Tag nach der Bundestagswahl machen werde. &bdquo;Ich werde denken, dass es doch ganz anders gekommen ist, als viele vorhergesagt haben“, antwortet er verschmitzt, lässt seinen Siegeswillen durchblicken und fügt noch an: &bdquo;Demokratie ist Demokratie, und das ist das Tolle an der Demokratie. Die Bürger entscheiden und nicht die Demoskopen.“ Schlangestehen für ein Selfie Dann ist Selfie-Zeit. Die Gäste dürfen sich mit dem Kanzler fotografieren lassen. Eine lange Schlange windet sich durch den Saal nach vorn zur Bühne. Kurz darauf noch ein Presse-Statement, dann geht es für Scholz auch schon weiter zum nächsten Termin. An diesem Montag stehen weitere Bürgerdialog-Veranstaltungen in Lünen und Münster an. Das Medieninteresse an dieser Auftaktveranstaltung von Scholz’ Wahlkampftour ist gewaltig. Fast 70 Journalistinnen und Journalisten sind zur Premiere gekommen, darunter zahlreiche TV-Teams. Nach 90 Minuten macht sich der Kanzler schon wieder auf den Weg. Oberbürgermeister Pit Clausen hätte ihn gern noch im Rathaus begrüßt, Scholz um einen Eintrag in das Goldene Buch gebeten. Doch das war im Vorfeld auch aus Sicherheitsgründen vom Bundeskriminalamt abgelehnt worden. Der Oberbürgermeister ist am Ende aber doch angetan vom Auftritt des Kanzlers. &bdquo;Er hat ehrlich und sachlich geantwortet“, sagt Clausen. &bdquo;Scholz hat nichts versprochen, was er nicht auch halten könnte“, ergänzt Sozialdezernent und OB-Kandidat Ingo Nürnberger. &bdquo;Und er hat den Menschen nicht nach dem Munde geredet.“ Auch bei Nicht-Politikern im Saal kommt Scholz’ sachlich-nüchterne Art an diesem Morgen eher gut an. Auf Nachfrage dieser Redaktion sagt ein jüngerer Mann: &bdquo;Ich fand es gut, dass er sich Seitenhiebe auf die politischen Mitbewerber zumeist verkniffen hat.“ Ein anderer betont: &bdquo;Ich fand’s cool, dass er so viele Fragen aus so vielen Bereichen beantworten konnte.“ Kritik an seiner Kommunikation Kritik gab es aber auch. Ein Gast bemängelte, &bdquo;dass zu viele Fragen von offenbar in Vereinen und Verbänden organisierten Menschen gestellt wurden und normale Bürgerinnen und Bürger so weniger zu Wort kamen“. Und ein anderer sah sich in seiner Überzeugung bestätigt: &bdquo;Er ist leider ein blasser Typ und Kommunikation tatsächlich nicht seine Stärke. Das hat sich auch heute wieder gezeigt.“ Wer so wenig gut seine Politik erklärt, stärkt die politischen Ränder. Das sieht eine ältere Besucherin wiederum ganz anders, sie formuliert: &bdquo;Ich fand Olaf Scholz schon immer gut und jetzt noch besser als bei seinem letzten Auftritt in Bielefeld auf der Sparrenburg.“ News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

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