FDP-Chef Lindner grübelt in Bielefeld über Trump und Musk - und warnt vor der AfD

Bielefeld. Zwei Tage nach dem Rasierschaumangriff von Greifswald hat FDP-Chef Christian Lindner einen Wahlkampfauftritt in Bielefeld unfallfrei über die Bühne gebracht. Im Lenkwerk erhielt er vor 750 Gästen statt Schaum die gewünschte Sahne, von der Konditorei Knigge eingearbeitet in eine Torte mit Sparrenburg-Dekor - und er mahnte dann, dass Einschüchterung und Gewalt nicht zum Mittel der Politik werden dürften. Klischeeträchtig eingerahmt von Luxusautos der Marken Maserati und Mercedes, Ferrari und Rolls Royce sowie einer ganzen Palette Porsches bewies der ehemalige Bundesfinanzminister, dass er ein Polit-Vollprofi ist, der eine Stunde lang frei reden kann, ohne den Faden zu verlieren. Lindner kämpft dafür, dass er bei der nächsten Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds in Washington erneut als Finanzminister dabei sein darf, wie er sagt. Deutschland sei den Notenbankchefs aus aller Welt im vergangenen Jahr als Beispiel für die globale Wachstumsschwäche präsentiert worden: &bdquo;Ich will beim nächsten Mal als Beispiel für den Mut zu Reformen dabei sein“, erklärte er. Sein Ziel sei eine echte Wirtschaftswende. Lindner spart in Bielefeld zentrale Themen aus Mit dem Ende der Ampelkoalition und seinem Rauswurf als Finanzminister im Herbst 2024 hielt der 46-Jährige sich nicht lange auf, betonte aber, dass die vorgezogenen Bundestagswahlen &bdquo;eine Chance für unser Land“ seien. Andere zentrale Themen dieser Tage sparte Lindner ganz aus, der russische Überfall auf die Ukraine und der Krieg im Nahen Osten sowie die Folgen für Deutschland und die EU spielten in seiner Rede keine Rolle. Lindner konzentrierte sich auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik und die Bewahrung des deutschen Wohlstands, was nur mit einer starken Wirtschaft möglich sei. Selbst die von ihm sonst so heftig verteidigte Schuldenbremse ließ er in Bielefeld weitgehend aus und führte stattdessen auf, wo Bund und Länder nach seiner Überzeugung kräftig sparen könnten - nämlich vor allem bei der kostspieligen und personalintensiven Bürokratie und im Sozialen, Stichwort Bürgergeld. Das Thema Schuldenbremse hatte zuvor immerhin der Bielefelder Unternehmer Gregor vom Braucke aufgegriffen, der für die Bielefelder FDP in den Bundestag strebt. Zum Auftakt erklärte von Braucke im gut gefüllten Lenkwerk, dass das Land auf keinen Fall mehr ausgeben könne, als es einnehme: Investitionen dürften nicht über Schulden finanziert werden, glaubt er. Denn sonst müssten diese Schulden vom Bürger über Inflation und Steuererhöhungen gezahlt werden. In einer flotten Inszenierung begrüßte er dann &bdquo;die neue Oberbürgermeisterin für Bielefeld“ Jasmin Wahl-Schwentker, die FDP-Spitzenkandidatin bei den Kommunalwahlen am 14. September 2025. Kritik an Bielefelder Verkehrspolitik Auch Wahl-Schwentker pocht auf eine Wirtschaftswende und beklagte, dass es in Bielefeld &bdquo;null Reserveflächen für die Wirtschaft“ gebe. Unternehmen könnten nicht erweitern, Neuansiedlungen könnten nicht vorgenommen werden, vielen Interessenten müssten Absagen erteilt werden. Ein zweites Beispiel für dringenden Änderungsbedarf sei die &bdquo;katastrophale Verkehrspolitik“ der Stadt. Es gebe einen &bdquo;strategischen Rückbau von Hauptverkehrsstraßen“, der zu langen Staus führe und daher &bdquo;wirtschaftsfeindlich und unsozial“ sei, so Wahl-Schwentker. Rot und Grün müssten in Bielefeld daher &bdquo;endlich die Macht abgeben“. Lindner teilte erwartbar gegen seine früheren Koalitionspartner aus, vor allem gegen Robert Habeck (Grüne), den er sich &bdquo;nicht als Wirtschaftsminister in meinem neuen Kabinett vorstellen“ könne. Eine konkrete Prognose wagte Lindner im Hinblick auf den Wahlausgang: Höchstwahrscheinlich werde Friedrich Merz der neue Bundeskanzler. Doch ein Kanzlerwechsel sei nicht ausreichend, reklamierte der Liberale: Nach gegenwärtigen Umfragen laufe dann alles auf eine Koalition der Union mit der SPD oder den Grünen hinaus. Doch das wäre kein echter Wechsel, &bdquo;das hatten wir schon seit 1998“. In einer Situation, in der das Land &bdquo;auf der Kippe“ stehe, weil viele Menschen etwa Angst um ihre Sicherheit hätten, sei ein Richtungswechsel nötig: &bdquo;Die Zeit wäre reif für eine schwarz-gelbe Koalition.“ Eindringlich warnte Lindner vor der AfD, die &bdquo;in ihrer Gefährlichkeit“ nicht unterschätzt werden dürfe und die auf Ressentiments und Schlagworte wie Remigration setze. Potenzielle AfD-Wähler müssten nun von den demokratischen Parteien zurückgeholt werden, &bdquo;man darf in der Demokratie keine Seele verloren geben“. Auch die FDP sei etwa gegen die irreguläre Einwanderung in den Sozialstaat, doch seiner Partei gehe es nicht um ein ethnisch homogenes Volk: Wer die hier geltenden Werte teile, der sei in Deutschland auch willkommen. &bdquo;Es geht darum, unser Land zu destabilisieren“ Lindner wandte sich zudem gegen Gedankenspiele zu einem Austritt aus der EU, ohne die Deutschland den wichtigsten Markt und vieles an Freiheit verlieren würde. Mit Blick auf internationale Konflikte stellte er fest: &bdquo;Man müsste die EU jetzt gründen, wenn es sie nicht schon gäbe.“ Und damit war Lindner in den USA angekommen: &bdquo;Ich finde es beeindruckend, was (Tesla-Chef) Elon Musk als Unternehmer erreicht hat“, stellte er klar, zweifelte aber im selben Atemzug dessen politisches Urteilsvermögen an. Die Intervention des US-Milliardärs in den deutschen Wahlkampf - etwa durch die Wahlwerbung im Gespräch mit AfD-Chefin Alice Weidel - und Musks Parteinahme für Donald Trumps Slogan &bdquo;Make America great again“ sei gegen deutsche Interessen gerichtet: &bdquo;Es kann nur darum gehen, unser Land zu destabilisieren“, denkt Lindner und forderte: &bdquo;Kein Patriot darf AfD wählen!“ Auch aus Trumps Sieg bei der US-Präsidentenwahl müssten Lehren gezogen werden: Wenn die Wähler Sorgen um Jobs und Lebensstandard hätten und Angst vor Zuwanderung, dann seien sie am Ende bereit, einen Mann mit Defiziten und autoritären Zügen wie Trump zu wählen. Angesichts der wachsenden Offenheit für autoritäre Politik, wie sie auch in europäischen Ländern von Österreich bis Frankreich zu beobachten sei, werde am 23. Februar &bdquo;über den Weg unserer Demokratie“ abgestimmt.

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