Lebensmittelpunkt muss raus: Bielefelder Hilfsorganisation verliert wiederholt Standort

Bielefeld. Die Spatzen pfiffen es bereits von den Dächern, seit Kurzem ist es Gewissheit: Der Brackweder Lebensmittelpunkt, der bedürftige Menschen aus dem Bielefelder Süden in erster Linie mit Lebensmitteln versorgt, wird erneut seine Heimat verlieren. Das Senner Gemeinschaftshaus, in dem die Initiative 2017 Quartier bezogen hat, wird spätestens 2026 gründlich saniert - falls es nicht schon vorher havariert. Danach ist dort für den Lebensmittelpunkt kein Platz mehr. Die Enttäuschung bei den Ehrenamtlichen ist groß. Aber am Horizont zeichnet sich jetzt eine Lösung ab. &bdquo;Ich hatte schon seit rund zwei Jahren ein mulmiges Gefühl“, sagt Sprecher Klaus Milsmann. Er erinnert sich noch gut an die Zeit, als klar war, dass der Lebensmittelpunkt das Gustav-Münter-Haus verlassen muss, weil die eigene Bartholomäus-Kirchengemeinde das Haus verkaufen würde. Fast ein Jahr habe man nach einer Alternative gesucht und dank des ehemaligen Senner Bezirksbürgermeisters Eberhard Grabe in der Senne auch gefunden. Im Bezirksamt sei immer wieder die Rede davon gewesen, dass &bdquo;alles raus“ müsse, weil das Gemeinschaftshaus renoviert werden solle. Passiert sei aber erst einmal nichts. Auch nicht im Hinblick auf den von ihm mehrfach geforderten Unterstand vor der Einrichtung an der Friedhofstraße, damit die Bedürftigen bei Wind und Wetter nicht ungeschützt vor der Ausgabe warten müssen, was im Sommer schon zu Notarzteinsätzen geführt hatte. Carport als Unterstellmöglichkeit für Bedürftige abgelehnt Der Vorschlag, eine vorhandene Garage und einen gammeligen Holzverschlag durch ein längeres Carport zu ersetzen, sei mit einem knappen Nein seitens der Stadt, der das Haus gehört, abgelehnt worden, sagt Milsmann. Der Sprecher des Lebensmittelpunktes findet das nach wie vor für ein Unding. &bdquo;Zu uns kommen die Leute, die eh’ schon benachteiligt sind. Leute mit Babys und Kleinkindern, Rollator- und Rollstuhlfahrer, Krebskranke, Dialysepatienten“, empört sich Milsmann. Sie könnten sich nur notdürftig in dem Verschlag unterstellen. Stattdessen habe er sich anhören müssen, &bdquo;dass es eine komplett falsche Orga gebe, wenn die Leute warten müssen“. Der 78-jährige Diplom- und Wirtschaftsingenieur, der 20 Jahre lang Geschäftsführer eines Maschinenbauunternehmens war, kneift die Lippen zusammen. So etwas lässt er sich nicht nachsagen. Die freitägliche Ausgabe und die Vorbereitung seien bestens durchorganisiert, alle Abläufe im Gemeinschaftshaus aufeinander abgestimmt. News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld 614 Bedürftige im Bielefelder Süden sind abholberechtigt 614 Personen aus Brackwede, Quelle, Ummeln und Senne sind beim Brackweder Lebensmittelpunkt abholberechtigt. Aktuell kommen regelmäßig rund 400 Bedürftige jede Woche, um sich mit Lebensmitteln einzudecken oder etwas aus der kleinen Kleiderkammer der Initiative mitzunehmen. Etwa 30 Ehrenamtliche sind von morgens bis abends dabei im Einsatz. Lesen Sie auch: Wie bedürftigen Bielefeldern an Weihnachten geholfen werden kann Klaus Milsmann betont, dass nicht nur der Versorgungsaspekt eine Rolle spiele. Für viele, vor allem Alleinstehende und Alleinerziehende, sei das wöchentliche Treffen eine wichtige Begegnungsmöglichkeit. Viele Freundschaften seien im Lauf der Jahre entstanden. Das weiterhin zu gewährleisten, gehöre auch zu ihrer sozialen Ausgabe. Er würde mit seiner Truppe am liebsten im Senner Gemeinschaftshaus bleiben, obwohl die alte Immobilie an der Friedhofstraße neben dem fehlenden Unterstand durchaus ihre Macken hat. So ist das Dach undicht, bei Starkregen steht gerne mal das Wasser im Keller und muss abgepumpt werden. Aber das Haus liegt verkehrsgünstig, die Logistik steht. Sennes Bezirksbürgermeister ist Zukunft des Lebensmittelpunktes wichtig Die Suche nach einer Alternative hat aber bereits vor Längerem begonnen, wie Sennes Bezirksbürgermeister Stefan Mahne berichtet. Mahne, seit gut einem Jahr im Amt, sagt, dass die Zukunft des Lebensmittelpunktes ein zentrales Thema für ihn sei. Und es sei keinesfalls so, dass man die Brackweder Kirchengemeinde, zu der die Ehrenamtlichen gehören, damit allein lasse. Eine große Gesprächsrunde aus Politik, Kirche, Verwaltung und Ehrenamtlichen hat nun eine Alternative fest im Visier: die Neue Schanze. Das Begegnungszentrum an der Senner Straße in Brackwede gehört dem Verband der Evangelischen Kirchengemeinden Brackwede und steht seit Ende 2023 leer. Dort stünden dem Lebensmittelpunkt ausreichende Räume zur Verfügung - auch für das Miteinander der Kunden. Lesen Sie auch: Hungernde Menschen in Bielefeld – Schlangestehen am Suppenbus bei winterlicher Kälte Wie immer spielen die Finanzen auch hier eine Rolle. In Senne muss der Lebensmittelpunkt keine Betriebskosten oder für die Müllentsorgung zahlen. In Brackwede würden solche Posten aber eine Rolle spielen. Klaus Milsmann betont, dass sich die Initiative maximal mit einem kleinen Betrag beteiligen könne, &bdquo;aber keine 500 Euro monatlich“. Begegnungszentrum Brackwede muss etwas umgebaut werden So eine Summe steht offenbar nicht im Raum. Cornelia Winter, Geschäftsführerin der Kirchlichen Wohnungswirtschaft (KWW), die die Verwaltung erst zu Jahresbeginn übernommen hat, muss sich über die Kostenlage und über mögliche bauliche Veränderungen erst noch einen Überblick zu verschaffen. &bdquo;Wir sind noch nicht soweit.“ Aber sie ist, wie Brackwedes Kirchmeisterin Angelika Ammann und Stefan Mahne der festen Überzeugung, dass die Neue Schanze eine sehr gute Alternative für den Lebensmittelpunkt darstellen kann. Bei Einrichtung und Etablierung des dann dritten Standortes der seit 25 Jahren bestehenden Ehrenamtsinitiative wollen wohl auch viele mithelfen. Eigentlich ganz gute Aussichten für Klaus Milsmann und sein Team. Mehr Infos über alle Bielefelder Tafeln finden Sie hier.

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