20-Jährige leidet unter Essstörung

Junge Bielefelderin stellt sich ihren Problemen und will durchstarten

Menschen wie Nicole Weinberger (20), die es nicht einfach haben, sind für viele Unternehmen ein besonderer Gewinn. Auch bei Größen wie Oetker und Goldbeck sind sie absolut gefragt.

Unterwegs Richtung Zukunft: Nicole Weinberger (20) will im Handel arbeiten und nutzt dafür die Ausbildungsmesse im BAJ. | © Sarah Jonek

Ivonne Michel
03.11.2024 | 03.11.2024, 11:45

Bielefeld. Den ganzen Tag in Bewegung, abwechslungsreiche Aufgaben und immer schön viel zu tun: Genau deshalb wolle sie im Handel arbeiten, sagt Nicole Weinberger. Aber auch ein Praktikum als Fachkraft für Lebensmitteltechnik bei Oetker sei interessant. Trotz, oder grade weil sie mit einer Essstörung zu kämpfen hat. „So kann ich mich dem stellen“, sagt die zierliche junge Frau, die erst vor Kurzem aus Bayern nach Bielefeld gezogen ist und jetzt hier in Bethel in einer Wohngruppe lebt.

Nicht aufgeben, auch wenn es manchmal nicht leicht ist im Leben, sei ihre Devise. Einige Zeit bei ihrer Mutter, zuletzt beim Vater habe sie in ihrem Heimatort nahe der österreichischen Grenze gelebt. Der „komplette Neustart“ in Bielefeld fühle sich gut an. Seit Juni absolviert die 20-Jährige eine einjährige berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme im Bereich Handel beim BAJ (Berufliche Ausbildung und Qualifizierung Jugendlicher und Erwachsener). Der Verein hat jetzt zum zweiten Mal Unternehmen wie Oetker, Goldbeck und Schüco ins Haus geholt zur Ausbildungsmesse. Rund 270 Teilnehmer an unterschiedlichen BAJ-Maßnahmen und 350 Real-, Sekundar- und Gesamtsschüler aus der Stadt konnten hier Kontakte zu knüpfen, sich zu möglichen Praktika und Ausbildungsberufen informieren und sich Plätze sichern.

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BAJ bildet spezielle Fachleute für Goldbeck aus

Nicht nur bei Oetker, auch beim Möbelhaus Porta und bei Deichmann nutzt Weinberger diese Chance. Schuhe und Einrichten: beides sei ihr Ding. Als Kind habe sie immer Erzieherin werden wollen. Ein Schulpraktikum in der Kita habe sie dann aber aufgrund der Lautstärke als ziemlich stressig empfunden. Floristik, Friseur, Malerbetrieb: „Danach habe ich noch verschiedene andere Sachen ausprobiert“, berichtet Weinberger. Um dann für sich herausgefunden, dass Handel ihre Richtung ist. In der Freizeit bummele sie gern durch die Stadt und schaue sich in den Geschäften um. „Ich mag es, wenn dort alles schön ordentlich sortiert ist für die Kunden“, sagt die 20-Jährige.

Ihr nächste Ziel: im kommenden Sommer eine Ausbildung im Einzelhandel zu machen. Dass auch junge Menschen, die es aus unterschiedlichen Gründen nicht so einfach im Leben und in der Schule nicht unbedingt Erfolg haben, ihre Stärken nutzen und den Einstieg ins Berufsleben finden, hat sich das BAJ zur Aufgabe gemacht. „Jeder kann etwas“, sagt BAJ-Geschäftsführer Markus Schäfer. Die Kompetenzen müsse man erkennen und fördern.

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Hätten sie erst einmal den Einstieg geschafft, blieben diese Arbeitnehmer den Betrieben oft besonders treu verbunden. Das schätzten auch viele Unternehmen, die seit Jahren mit dem BAJ kooperierten, wie Oetker oder Goldbeck. Für Goldbeck bildet das BAJ jetzt seit zwei Jahren speziell Fachkräfte für Metalltechnik aus. Weil das Unternehmen mehr Bedarf als Ausbildungskapazitäten hat.

Am Stand des Weltkonzerns informieren die Azubis Jannis Niebuhr (v.l.) und André Warkentin Nicole Weinberger von über die Möglichkeiten bei Oetker. Die hat auch Quereinsteigerin Pia Gärtner (hinten rechts) genutzt. - © Sarah Jonek
Am Stand des Weltkonzerns informieren die Azubis Jannis Niebuhr (v.l.) und André Warkentin Nicole Weinberger von über die Möglichkeiten bei Oetker. Die hat auch Quereinsteigerin Pia Gärtner (hinten rechts) genutzt. | © Sarah Jonek

Wichtiger als Schulnoten sind Teamfähigkeit, Schaffensfreude, Zuverlässigkeit

„Wir haben 450 Mitarbeiter in der Montage, von denen in den nächsten fünf Jahren viele in den Ruhestand gehen“, berichtet Marc Ukkat, Ausbilder bei Goldbeck. In diesem Bereich hätten auch junge Menschen, die „nicht den dollsten Erfolg in der Schule haben“, eine Chance. Die seriellen Bauteile zusammenzusetzen, sei in bisschen wie mit Lego zu bauen, nur in groß. „Wichtiger als Schulnoten sind da Lust an körperlicher Betätigung, Teamfähigkeit, Schaffensfreude, Zuverlässigkeit, Belastbarkeit und Bereitschaft zur Reisetätigkeit“, ergänzt Ukkat.

Ob man bei Oetker nicht nur eine Chance hat, wenn jemand aus der Familie dort arbeitet oder man Beziehungen hat?, will eine Besucherin wissen. „Das stimmt definitiv nicht“, sagt Jannis Niebuhr (18), angehende Fachkraft für Lebensmitteltechnik. Er hat zuvor die Realschule Jöllenbeck besucht und betreut jetzt zusammen mit den anderen Azubis den Stand des Weltkonzerns im BAJ. Sein Tipp: Den jährlichen Tag der offenen Ausbildung nutzen und sich frühzeitig bewerben.

Auch Quereinsteiger haben bei Oetker eine Chance

„Auch Quereinsteiger haben Chancen, vor allem auch im gewerblichen Bereich, da haben wir immer vergleichsweise wenig Bewerbungen“, ergänzt Pia Gärtner, die die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Gesamtschule besucht hat. Sie selbst habe erst eine Ausbildung zur Verkäuferin gemacht, „weil meine Eltern auch in dem Bereich arbeiten“. Das habe sie dann aber nicht erfüllt. Ihre ehemalige Lehrerin habe sie dann auf die Idee gebracht, sich bei Oetker im Bereich Lebensmitteltechnik zu bewerben. „Ich liebe es zu backen, das passt perfekt“, sagt 22-Jährige.