Unnötig gefährlich: Bielefelds Schul- und Kita-Wege sorgen seit Jahren für Ärger

Bielefeld. Bäcker Tim Hönle arbeitet jede Nacht von 22 bis 6 Uhr. Danach steht der dreifache Vater mehrmals in der Woche an der Queller Straße und sorgt dafür, dass die Kinder sicher zu Queller Grundschule kommen. Busse, Autos, Baustellenfahrzeuge und der Haller Wilhelm: &bdquo;Hier ist es einfach zu gefährlich“, sagt der Elternpflegschaftsvorsitzende. Eine Ampel oder einen Zebrastreifen, das wünschen sich er und andere Familien dort sehnlichst. Aber so einfach ist das nicht. Auch anderorts in der Stadt kämpfen Eltern seit Jahren dafür, dass Schul- und Kita-Wege sicherer werden. Und fragen sich: Warum ist’s so schwer, da &bdquo;kleine Hilfen mit großer Wirkung“ zu bekommen, wo es doch um Kinderleben geht? 45.000 Schülerinnen und Schüler werden in Bielefeld unterrichtet, sind entsprechend auf den Schulwegen unterwegs – und sollen sie möglichst selbstständig zurücklegen. Dass dies gewünscht ist, kommunizieren Schulen und Kommunen immer wieder. Doch viele Eltern sind angesichts gravierender Gefahrenstellen dazu nicht bereit. Teilweise, zeigt diese Recherche, liegen nicht mal die Kitas und Schulen selbst in verkehrsberuhigten Bereichen, lassen sich Gefahrenstellen auf besonders stark befahrenen Straßen nicht umgehen. Jetzt in der dunklen, nassen Jahreszeit wird’s vielerorts noch brisanter. Kita und Schulen in Bielefeld kämpfen seit Jahren für Tempolimit An der Queller Straße sei die Verkehrssituation vor allem am Morgen bei einsetzendem Berufsverkehr sehr unübersichtlich, sagt Hönle. Gleichzeitig seien die Gehwege, sofern vorhanden, stellenweise sehr schmal und manche Abschnitte der Queller Straße wegen geparkter Autos zu dieser Zeit kaum einsehbar. &bdquo;Deswegen bringen viele Eltern ihre Kinder morgens mit dem Auto zur Schule“, obwohl Schulleiter Dominik Braus die Eltern wegen des allmorgendlichen Verkehrschaos vor der Schule extra dazu aufgerufen habe, das möglichst nicht zu tun. Wie aussichtslos der Kampf für Verbesserung sein kann, wissen Eltern und Anwohner aus Babenhausen. Hier befindet sich nicht nur die Grundschule, sondern auch die Kita Babenhausen, die Leineweber-Förderschule und eine Einrichtung des betreuten Wohnens für Kinder und Jugendliche an einem Standort – der in einer Tempo-50-Zone liegt, die oft noch schneller befahren wird. Lesen Sie auch: Bielefelder Ex-Polizist sauer auf rücksichtslose Eltern-Taxis Hunderte Kinder werden hier insgesamt täglich betreut – eine Verkehrsberuhigung aber ist laut Stadt nicht möglich, weil der Abschnitt außerhalb einer geschlossenen Ortschaft liegt. Damit ist die Stadt nicht zuständig, die Strecke müsste also umgewidmet werden. Mit Tempo 70 an Kitas und Schulen vorbei Kita-Leiterin Pia Biermann versteht vor allem nicht, warum es nicht mehr Polizeipräsenz oder Blitzer-Aktionen gibt. &bdquo;In drei Jahren ist hier noch nie was in der Richtung passiert. Und die meisten Fahrer rasen hier mit 70 Sachen durch, das ist kein Zustand.“ Vor allem für die Schulkinder sei die Überquerung der Straße gefährlich. &bdquo;Die Grünphase der Fußgängerampel dauert genau zwei Sekunden. In dieser Zeit schafft man es nicht über die zwei Fahrspuren.“ News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld Ein anderes Beispiel aus Bielefeld: die Kita Spatzennest in Kirchdornberg. Eigentlich gut gelegen in einer Seitenstraße mit Tempo-30-Zone. An die Vorgabe hält sich allerdings kaum jemand der Anwohner, die zwischen Dornberger Straße und dem großen Wohngebiet Gottesberg hin- und herrasen. &bdquo;70 Stundenkilometer sind hier keine Seltenheit“, sagt Svenja Laduhn, kommissarische Leiterin des Spatzennests. &bdquo;Für die Kinder eine sehr gefährliche Situation.“ Schon mehrfach hat die Kita versucht, gegen die Raser vorzugehen und von der Stadt Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung erbeten. &bdquo;Ab und an kriegen wir mal einen Blitzer, das war es aber auch. Dann fahren alle zwei Tage langsamer und dann geht alles wieder von vorne los.“ Auch Pastor Andreas Biermann von der Kirchengemeinde Dornberg, zu der die Einrichtung gehört, ist die Situation ein Dorn im Auge. &bdquo;Was wir hier brauchen, sind dauerhafte Vorrichtungen wie Schwellen oder Fahrbahnverengungen.“ Autofahrer ignorieren Tempolimit vor Theesener Grundschule Auch die Grundschule Theesen hat jahrelang um Tempo 30 gekämpft – und scheiterte lange Zeit an Zuständigkeiten, starren Vorgaben und Bürokratie. Eltern installierten in Eigenregie eine mobile Messanlage. Mittlerweile wurde Tempo 30 eingerichtet, &bdquo;aber trotzdem rasen hier noch viele durch“, berichtet Schulleiterin Claudia Hohmann. Deshalb setzt die Schule das von den Eltern finanzierte Messgerät auch weiter mit ein. &bdquo;Das bringt eine Menge“, sagt Hohmann. Der Einsatz müsse aber immer wieder neu beantragt werden. Lesen Sie auch: TV-Sender filmt Bielefelder Demo: Hunderte Kinder radeln für einen sicheren Schulweg Ob vor Kitas, Schulen, Sportplätzen oder Seniorenheimen: &bdquo;Warum ist es so schwer, einen einfachen Zebrastreifen an gefährlichen Stellen zu bekommen?“, fragen Eltern. Auch kostentechnisch sei diese Maßnahme doch sehr überschaubar. Gemäß der Straßenverkehrsordnung (StVO) seien Verkehrszeichen und -einrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend verkehrlich erforderlich ist, heißt es dazu aus dem Amt für Verkehr der Stadt auf Nachfrage. Dies gelte somit auch für die Anlage von Fußgängerüberwegen. &bdquo;Zwingend erforderlich ist ein Verkehrszeichen, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der StVO für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen.“ Bielefeld arbeitet an Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung vor Schulen und Kitas Dazu sollten Fußgängerüberwege nach dem technischen Regelwerk in Tempo-30-Zonen in der Regel nicht angeordnet werden. In Tempo-30-Zonen sei die Überquerung der Fahrbahn durch die herabgesenkte Geschwindigkeit an jeder Stelle möglich. &bdquo;Zudem muss für die Anlage eines Fußgängerüberweges ein gewisser Querungsbedarf bestehen und der Fußverkehr an dieser Stelle gebündelt auftreten“, ergänzt die Verwaltung. Es dürfe nicht erst durch die Schaffung des Fußgängerüberweges zu einer Bündelung kommen. Grundsätzlich sei es aber möglich, Tempo-30-Zonen mit verkehrsberuhigenden Maßnahmen zu verstärken, wie mit Aufpflasterungen über die gesamte Fahrbahnbreite, Teilaufpflasterungen oder Verschiebung der ganzen Fahrbahn um eine Spur nach links oder rechts. Reine Schwellen würden außerhalb von Spielstraßen nicht mehr in den Straßenraum gebracht, da sie ein Verkehrshindernis mit entsprechender Gefährdung, insbesondere für den Zweiradverkehr, bedeuteten. Das Amt für Verkehr erarbeite zurzeit weitere Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung vor Schulen, Kitas und Altenheimen, wie beispielsweise Schulstraßen, die auch ohne bauliche Eingriffe vorgenommen werden können. &bdquo;Schulwegsicherheit ist ein Herzensthema von uns Eltern“, sagt Tim Seidel, Vorsitzender des Stadtelternrats. Aber es gäbe da keinen Königsweg und keine goldene Lösung. &bdquo;Aber alle Ansätze, die die Sicherheit der Kinder verbessern, begrüßen wir.“

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