Bielefelds kuriosester Vereinsname ist für Tausende Mädchen und Frauen Programm

Bielefeld. Diesen Verein muss man kennen. Mann? Nee, eher Frau. Und besonders Mädchen. Aber Männer natürlich auch. Es ist der wohl einzige Verein in der Stadt, der seinen Namen sinnfrei trägt, zumindest von der Bedeutung her. &bdquo;BellZett“ wurde phonetisch ausgewählt. Ein Klangname, der &bdquo;Selbstverteidigung für Frauen“ 1995 ablöste. Bell, weil es &bdquo;weich, schön, fließend“ klingt, Zett weil es &bdquo;zackig, schneidig, gradlinig“ anmutet, so der 1984 gegründete Verein. BellZett ließ aufhorchen. Doch es gibt noch mehr, was aufhorchen lässt. Denn wo kommt es schon vor, dass sich ein Oberbürgermeisterkandidat (Ingo Nürnberger) und eine Bürgermeisterin (Christina Osei) bei einem Vereinsempfang in die Schuhe einer feministischen Band verlieben? Glitzernde Cowboystiefel von &bdquo;FUK music“ in Pink und Grün - nur bei der Farbe legten sich der SPD-Mann und die Grünen-Frau nicht fest. Coole Schuhe, cooler Verein: Beide schätzen &bdquo;BellZett“ für seine Arbeit, die ihren Anfang in einem Keller an der Meller Straße nahm. Ziel: Frauen stärken über Selbstverteidigungskurse. Bielefelder Mädchen sollen selbstbewusst und stark sein Damals stand noch das &bdquo;stark machen“ im wahrsten Sinne des Wortes im Vordergrund, berichtet Gründungsmitglied Karin Krudup, heute hat sich der Fokus verschoben: Von der Selbstverteidigung hin zu den vielen Kursangeboten mit dem Ziel &bdquo;innere Stärke“. Selbstbewusstsein, Empowerment. Stark sein, um die Opferrolle nicht anzubieten. Um zu lernen, dass das überzeugte &bdquo;Nein-Sagen“ im Leben eines Mädchens, einer Frau, wichtig ist. &bdquo;Unsere Frage ist immer wieder: Zu wem darf ich Nein sagen?“, so Mira Tkacz. Mädchen stärkten ihr Selbstbewusstsein über Wendo und andere Kurse, so seien sie besser in der Lage, nicht nur zu Fremden, sondern auch zu Lehrern oder Eltern Nein zu sagen. Was wichtig sei, so Tkacz: &bdquo;Die meisten Übergriffe geschehen in diesem Umfeld und nicht auf der Straße.“ Gründerin Krudup sieht einen Verein, der sich im ständigen Wandel befindet: &bdquo;Früher waren wir Frauen sehr körperlich orientiert, haben beim Wendo die Techniken extrem geübt.“ Sie schmunzelt, sagt: &bdquo;Das war Frauenpower, ein bisschen aber auch testosterongesteuert.“ Sie erinnert sich noch an Liegestütze im Keller auf hartem Steinboden mit Britta Haßelmann, der heutigen Grünen-Fraktionschefin im Bundestag. &bdquo;Es war politisch, Häuser wurden besetzt, wir waren Macherinnen, wollten was bewegen.“ Zu viele Einschränkungen der Freiheiten von Frauen, zu viel Gewalt Vieles änderte sich, eines blieb: &bdquo;Ziel war, gut zu Hause zu sein im eigenen Körper und so kraftvoll dastehen zu können.“ Also auch mental, in der Ausstrahlung. Nürnberger: &bdquo;Der Verein ist immer vorne mit dabei, wenn es darum geht, Frauen fit zu machen, um sie besser zu schützen – er ist Teil einer Emanzipationsbewegung.“ Es gebe noch immer zu viele Einschränkungen der Freiheiten von Frauen, zu viel Gewalt. Im öffentlichen Raum, in Partnerschaften. Heute steige der Bedarf an der &bdquo;BellZett“-Arbeit sogar wieder, Gründe gebe es viele, zwei davon: den politischen Rechtsruck, die Migration mit kulturell anderen Rollenverständnissen. Lesen Sie auch: Frau geschlagen: Tätergruppe tritt am Bielefelder Boulevard auf Helfer ein Wie Nürnberger würdigt auch Osei den Verein: Der Weg von der Selbstverteidigung über die innere Stärke hin zu einer selbstbestimmten Zukunft sei ein guter - und Bielefeld beim Thema &bdquo;Selbstermächtigung von Frauen“ kein Hidden Champion, also ein versteckter Sieger, sondern ein Champion. Stichwörter: das erste autonome Frauenhaus, das in 1977 Bielefeld gegründet worden war und eben das &bdquo;BellZett“, jetzt 40 Jahre alt. Damals, so Krudup, seien 100 Frauen jede Woche zu täglich zwei Kursen gekommen. Und heute? Erst einmal kamen Mädchenangebote hinzu, dann diverse weitere Angebote, von Karate bis Fitness, später Yoga, Feldenkrais, Pilates – und noch viel mehr. Tkacz: &bdquo;Wir erreichen jedes Jahr etwa 600 bis 700 Mädchen und noch einmal dazu etwa 600 bis 700 Frauen.“ Alle eint, dass sie sich wiederfinden in dem Ausruf &bdquo;BellZett!“ Acht Angestellte hat der Verein, alle in Teilzeit, dazu vier Honorarkräfte und 15 Referentinnen. Und das Geld? Immer zu wenig. In der Gründungsphase galt längere Zeit, dass die Stadt ein Drittel der Kosten trug, heute ist es noch gut ein Sechstel. Krudup: &bdquo;Unser Traum ist, dass das mal kein Thema mehr ist, nicht mehr so viel Raum einnimmt.“ Es gehe doch um ein gesamtgesellschaftliches Problem. Eines, das sich &bdquo;leider nicht signifikant verbessert hat“, sagt Claudia Engster aus dem Vorstand. Krudup: &bdquo;Selbstverteidigung sollte eigentlich nichts kosten für Mädchen.“ Professorin Britta Hoffarth, Leiterin des Zentrums für Geschlechterforschung an der Uni Hildesheim, betont, dass &bdquo;Mädchen und Frauen durch das Erlernen von Selbstfürsorge der Gewalt im Alltag etwas entgegensetzen können“. Für sie, früher selbst im Wendo-Kurs im BellZett stark geworden, sei der Verein &bdquo;ein politisches Projekt, eine politische Vision“. Aktuell sind Mädchen und Frauen von 4 bis 101 Jahren dabei, so Vorstand Claudia Engster. &bdquo;Wir sind ihr Schutzraum.“ News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

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