Kriminalität explodiert in Bielefeld: Auf Streife mit der neuen City-Polizeieinheit

Bielefeld. Es ist ein trüber Donnerstagnachmittag, als die Soko Innenstadt sich mit sechs Beamten auf den Weg macht. Zehn Tage ist die 13-köpfige Einheit nun im Einsatz, um die eskalierende Straßenkriminalität in Bielefelds City in den Griff zu bekommen. An diesem Nachmittag darf die NW-Lokalredaktion die Beamten auf ihrem Streifzug begleiten. Ihr Ziel: den Kriminellen auf den Fersen bleiben und Präsenz zeigen, um das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen. Denn die harten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. &bdquo;In den ersten acht Monaten des Jahres stieg die Straßenkriminalität um 22 Prozent an, Gewalttaten nahmen um 45 Prozent zu“, sagt Polizeisprecherin Hella Christoph. Ein Trend, der das Vertrauen in die Sicherheit der Innenstadt erodieren lässt. Heute jedoch zeigen sich die Beamten rund um Soko-Leiter Lars Lorenz entschlossen, einen Unterschied zu machen. Lesen Sie auch: So fällt die erste Bilanz der &bdquo;Soko Innenstadt“ aus Noch ist es ruhig an einem der Hotspots, dem Kesselbrink. Kinder spielen an Klettergerüsten und fahren freudig strahlend auf ihren Rollern umher, ihre Eltern sitzen mit einem Kaffee daneben und genießen die vermutlich letzten Sonnenstrahlen des Herbstes, die ab und an durch die Wolkendecke lugen. Auf der anderen Seite des belebten Platzes sieht die Welt weniger strahlend aus. Nicht nur der grüne Würfel und der Einfallwinkel der Sonne sind schuld, dass über diesem Bereich eine Art Schatten liegt. Razzia am Bielefelder Kesselbrink Es dauert nicht lang, bis der erste Einsatz startet: eine Razzia am Kesselbrink. Zehn bis fünfzehn Personen werden kontrolliert, viele von ihnen sind bereits bekannt. Die Beamten suchen nach Drogen, befragen die Verdächtigen, durchsuchen Rucksäcke und Taschen. &bdquo;Wir sind jeden Tag draußen, wollen den Kriminellen auf den Füßen stehen“, sagt Polizeisprecherin Christoph, während sie die Situation beobachtet. Das Ergebnis lässt nicht lange auf sich warten: Etliche Tütchen Marihuana werden gefunden, zu viele, um ungeschoren davonzukommen. Der Mann, aus dessen Rucksack die Beamten das Gras fischten, wird ruhig zur Seite genommen. Die Polizisten erklären ihm sachlich, dass er nun eine Anzeige wegen unerlaubten Drogenbesitzes erhalten wird. Es scheint Routine zu sein, sowohl für die Beamten als auch für den Betroffenen. Eine Szene, die den Alltag beider Parteien widerspiegelt. Lesen Sie auch: 24 Stunden an der &bdquo;Bielefelder Tüte“: So ist es wirklich am Drogen-Hotspot Daneben sitzt ein weiterer Mann, äußerlich ähneln sich die beiden. Der 37-jährige Shedrach Chinaguron Onuoha sieht müde aus, nicht nur wegen der Kontrollen. &bdquo;Ich werde immer wieder kontrolliert, obwohl ich noch nie aufgefallen bin“, sagt er leise. Er hebt die Hände, als wolle er sich verteidigen. &bdquo;Ich habe nichts mit Drogen zu tun, aber weil ich die passende Hautfarbe habe, werde ich immer rausgefischt.“ Es ist ein Satz, der schwer im Raum steht. Er wünscht sich, dass die Beamten ihn wiedererkennen würden, dass sie sich sein Gesicht merken. Doch das Vertrauen in die Polizei, die ihn so oft kontrolliert, scheint zu bröckeln. &bdquo;Ich verstehe, dass sie ihren Job machen, aber warum immer ich?“, fragt er und senkt den Blick. Er wirkt geknickt, fast resigniert. Die Beamten hören ihm aufmerksam zu, nicken – mehr können sie in diesem Moment nicht tun. &bdquo;Wir suchen aufgrund von Erfahrungswerten und Verhalten bei Eintreffen der Beamten aus“, kommentiert die Polizeisprecherin das Vorgehen. News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld Bielefelder Polizeihund &bdquo;Cujo“ wird fündig Nicht weit entfernt sitzt eine weitere Gruppe junger Menschen. Auch sie werden kontrolliert und nach Drogen und Waffen durchsucht – dieses Mal ohne Ergebnis. &bdquo;Die Kontrollen sind für uns kein Problem, wir haben ja nichts dabei“, sagt einer der Jugendlichen lässig und lacht. Sie wirken weder überrascht noch verärgert über die Kontrolle. Es scheint Teil ihres Alltags zu sein, in einer Innenstadt, die sich verändert hat. Während die Beamten die Razzia am Kesselbrink fortsetzen, kommt die beste Nase der Truppe zum Einsatz: Drogenspürhund Cujo. Der erfahrene &bdquo;Beamte“ schnüffelt konzentriert durch die umliegenden Sträucher und Büsche. Auch er wird fündig – tief in den Büschen und hohen Gräsern entdeckt Cujo zwei kleine Boxen. Darin enthalten: 15 sogenannte Verkaufseinheiten Marihuana und 19 Tütchen mit Haschisch, sorgfältig versteckt, um den Blicken der Beamten zu entgehen. Pro Tütchen schätzen die Polizisten den Inhalt auf ein Gramm. Kesselbrink, Tüte, Jahnplatz: Synonyme für Gewalt Währenddessen bleibt die sogenannte Trinkerszene, die sich nur knapp zehn Meter entfernt aufhält, unbehelligt. Auch sie schrecken durch das schnelle Eintreffen der Beamten nicht hoch, drehen ihre Musikboxen eher noch lauter auf, denn sie wissen: Die Soko Innenstadt hat es nicht auf sie abgesehen. &bdquo;Das meiste passiert innerhalb der Szene, also untereinander“, sagt Lorenz. Er könne verstehen, dass die Trinkerszene für vorbeilaufende Passanten unangenehm wirke, eine Gefahr, sehe er in ihr allerdings nicht. Der Jahnplatz, der Kesselbrink, die Tüte – es sind Brennpunkte einer Stadt, die sich in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Vor einigen Jahren waren sie noch Treffpunkte für Menschen jeglicher Art, heute sind sie oft Synonyme für Gewalt und Kriminalität. Lars Lorenz und sein Team ist anzusehen, dass sie hier vor einer großen Herausforderung stehen. Am Ende des Nachmittags zieht die Soko weiter durch die Straßen der Bielefelder City. Die Beamten sind präsent, ihre Blicke wachsam. Immer wieder wird die Razzia vom Kesselbrink oder das schiere Auftreten der Menge Uniformierter zum Thema unter den Passanten. Manche nicken zustimmend, andere wirken skeptisch. Kommentare wie &bdquo;heute wird groß aufgefahren, danach ist wieder drei Wochen nichts zu sehen“ oder auch &bdquo;Das müsste jeden Tag so sein!“ sind zu hören. Präsenz der Bielefelder Beamten soll Unterschied machen Genau das sei das Ziel der Soko, wie Lorenz sagt. Es ist das &bdquo;Immer-wieder-da-sein“, das den Unterschied machen soll. In einem Jahr soll Bilanz gezogen werden. Dann wird entschieden, ob die Soko weitermachen darf. Der Auftrag ist klar: Die Menschen wollen ihre Innenstadt zurück. Eine Innenstadt, in der man sich nicht bei jedem Schritt umdrehen muss, in der Gewalt und Kriminalität die Ausnahme bleiben. Noch aber ist es ein weiter Weg. Die Soko Innenstadt ist entschlossen, ihn zu gehen. Tag für Tag, Kontrolle für Kontrolle. Auch an diesem Donnerstagnachmittag, an dem vieles Routine zu sein scheint und doch jede Begegnung Spuren hinterlässt – bei den Menschen, denen die Beamten begegnen, und bei den Beamten selbst. News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

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