Millionen Klicks auf Tiktok: Bielefelder Obdachlose spricht in Videos über ihr Leben

Bielefeld. Seit wenigen Monaten sorgt eine obdachlose Bielefelderin mit Beiträgen auf dem Video-Portal TikTok für Aufsehen. Durchaus glaubwürdig erzählt die junge Frau in mehreren Beiträgen ihre vermeintliche Lebensgeschichte. Dabei berichtet sie auch von eigenen Straftaten, die sie regelmäßig begehe – bis heute. Ihre Berichte erreichen inzwischen Millionen User. &bdquo;Ich heiße Samira, bin 20 Jahre“, sagt sie Mitte Juni, als sie sich in einem ersten Video vorstellt. Und sie ergänzt, sie sei in Bielefeld geboren. Gedreht wurde das Video in unmittelbarer Nähe von Hauptbahnhof und Tüte. Samiras Gesicht ist an mehreren Stellen vernarbt. &bdquo;Ich knibbel viel, wenn ich Crack rauche“, sagt sie in einem weiteren Video. Die Beiträge stammen von dem Kanal &bdquo;Straßenleben“, der auf Youtube, Tiktok und Instagram verschiedene Obdachlose aus ganz Deutschland hochlädt und Videos aus dem Urlaub zeigt – dabei handelt es sich dem Anschein nach um Privataufnahmen des Kanalinhabers. Insiderkreise sehen den Kanal kritisch. Sie befürchten, dass der Betreiber, der sich nicht zeigt, den Obdachlosen für ihre Aussagen Geld anbietet, was diese für Drogen ausgeben könnten. Beweise für diese Vermutung liegen nicht vor – ebenso wenig für die Wahrhaftigkeit dessen, was Samira in den Videos erzählt. Eine Nachfrage der Redaktion ließ der Kanal-Betreiber unbeantwortet. Informationen dieser Redaktion zufolge ist jedoch sicher, dass Samira in Bielefeld lebt, drogenabhängig ist und obdachlos ist. @strassenlebenofficial In der Schule auf die schiefe Bahn! #bielefeld #samira #straßenleben #podcast #interview #strassenleben ? Originalton - Straßenleben Samira bricht Drogenentzug ab Da ihre Mutter während der Schwangerschaft Heroin konsumiert habe, sei sie bei Pflegeeltern groß geworden – in guten Verhältnissen, wie Samira erzählt. Doch sehr früh sei ihr das Verlangen gekommen, Drogen zu konsumieren: &bdquo;Ich hatte das im Blut“, sagt sie. Die schnelle Abhängigkeit habe ihrem Leben eine Wendung gegeben. Die Folgen: zahlreiche Schulwechsel und ein endgültiger Abbruch nach der siebten Klasse. Bis heute halte die Abhängigkeit an. Lesen Sie auch: Bielefelder Brennpunkt &bdquo;Tüte“: Chronik eines unendlichen Konflikts Glücklich sei Samira damit nicht: &bdquo;Ich wünsche mir eigentlich ein anderes Leben“, sagt sie. Doch was ihr helfen könne, wisse sie selbst nicht. Unterstützung habe sie bereits mehrfach angeboten bekommen, sei sogar in einer Leipziger Entzugsklinik gewesen. Doch direkt an ihrem 18. Geburtstag habe sie die dortige Maßnahme beendet, um per Anhalter nach Bielefeld zurückzukehren. &bdquo;Ich habe manchmal das Gefühl, ich kann gar nicht für mich selber entscheiden“, sagt sie. Das zeige sich auch bei den monatlichen staatlichen Geldern, die sie erhalte und nach maximal zwei Stunden ausgegeben habe. Um dennoch an Geld zu kommen, habe sie eine andere Lösung: &bdquo;Ich ziehe jeden Tag drei bis vier Leute ab“, sagt sie. Dafür habe sie eine Masche entwickelt: Sie biete an, sich zu prostituieren, verlange dabei jedoch vorher das Geld und verschwinde damit einfach. Das müsse sich allerdings lohnen: &bdquo;Unter Fuffi ziehe ich nicht ab“, sagt sie. Der Crack-Rausch verpufft schnell Solch hohe Beträge braucht es besonders für den Crack-Konsum: &bdquo;Crack erzeugt einen unfassbaren Rausch, doch der ist nach 15 Minuten wieder weg“, erklärte Sozialdezernent Ingo Nürnberger Anfang dieses Jahres. Das habe zur Folge, dass manche die Droge bis zu 70-mal am Tag konsumieren würden. Dass Samira die Straftaten nicht völlig kaltlassen, ist sichtbar: Während sie von ihren kriminellen Tätigkeiten berichtet, schaut sie sich vermehrt um und erzählt später, sie habe &bdquo;voll Paranoia“, weil sie sich der Gefahr solcher Taten bewusst sei. Was ist, wenn sich eines ihrer Opfer rächen will? &bdquo;Einer hat mich mal wiedererkannt und in sein Auto gezerrt“, erzählt Samira. Doch als sie an einer roten Ampel vehement gegen die Scheiben geklopft und um Hilfe geschrien habe, habe der Fahrer sie gehen lassen. Lesen Sie auch: Nach Drogen, Straßenstrich und HIV-Infektion: So geht es der 16-jährigen Sarah Samira deutet an, auch über diesen Vorfall hinaus Opfer solcher Rachetaten geworden zu sein: &bdquo;Es gibt welche, denen ist das scheißegal, aber es gibt auch welche, da hast du keine Chance“, sagt sie. In der akuten Situation aber blende Samira die Gefahren, denen sie ausgesetzt sei, jedoch aus: &bdquo;In dem Moment, wo du das Geld siehst, ist es das Wichtigste“, sagt sie. .responsive23-89VAwKitlDA4pWuW-bar-vertical-starker-anstieg-bei-kokain-und { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-89VAwKitlDA4pWuW-bar-vertical-starker-anstieg-bei-kokain-und { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-89VAwKitlDA4pWuW-bar-vertical-starker-anstieg-bei-kokain-und { padding-top: 142.86%; } } Sexuelle Übergriffe in der Bielefelder Nacht Samira erzählt, sie schlafe meist in einem Parkhaus. Nachts würde sie oft beklaut, teilweise sei sie auch schon Opfer sexueller Übergriffe geworden. &bdquo;Hier passiert alles“, sagt sie. Das könne auch mitten am Bahnhof passieren, &bdquo;das juckt die Leute nicht“. Für den Kanal &bdquo;Straßenleben“ sind die Videos mit der Bielefelderin Samira ein voller Erfolg: Ein auf Tiktok gezeigter Ausschnitt des Interviews hat bis heute mehr als 3,7 Millionen Aufrufe, ein weiterer liegt bei 1,7 Millionen. In den Kommentaren bringen die Zuschauer Samira Trost und Mitleid entgegen. Viele sehen in ihr eine arme, junge Frau, nicht unbedingt die Kriminelle, die andere abzieht. In später veröffentlichten Videos bedankt sich Samira für die vielen Rückmeldungen, die sie sehr berührt hätten. &bdquo;Einer kam aus der Schweiz hierhin, extra um mich zu finden“, erzählt sie.

Meistgelesen