Medikamenten-Prozess in Bielefeld: Ärzte wegen Überdosis-Fehler angeklagt

Bielefeld. War es eine Verkettung unglücklicher Umstände? Oder haben schlicht alle erdenklichen Kontrollinstanzen aufs Schlimmste versagt? Dies sind Fragen, die derzeit die Bielefelder Justiz beschäftigen. 2020 war eine 72 Jahre alte Frau aufgrund einer falschen Medikamentendosis im Bielefelder Franziskus-Hospital gestorben. Nun ist der Prozess gegen drei der betroffenen Ärzte gestartet – und direkt wieder ausgesetzt worden. Er wird voraussichtlich im kommenden Frühjahr neu beginnen. Am 27. Mai 2020 ließ sich eine 72 Jahre alte Frau aus Hiddenhausen per Rettungswagen ins Mathilden-Hospital in Herford fahren, weil sie nach einem Unfall über Brustschmerzen klagte. In der Notaufnahme pflegte eine Assistenzärztin, bei der es sich um eine der Angeklagten handelt, die Medikationsliste des Hausarztes der Patientin in das klinikeigene System ein. Ärztin soll falsche Medikamentengabe notiert haben Auf diesem Plan war unter anderem vermerkt, dass die Frau seit mehreren Jahren aufgrund einer rheumatischen Erkrankung, die zur Versteifung der Wirbelsäule führt, ein Medikament mit dem Wirkstoff Methotrexat (MTX) einnehmen soll. Lesen Sie auch: Anklage und Ermittlungen gegen Ärzte aus Herford und Bielefeld nach Tod einer Patientin Dieser Wirkstoff ist derart potent, dass auf der Packungsbeilage eigens vermerkt ist, dass das Präparat nur einmal wöchentlich eingenommen werden darf. So war es auch im Plan des Hausarztes vermerkt. Doch trug die Ärztin in der Notaufnahme die Medikamentengabe 1-0-0 ein, was einer Gabe von 10 Milligramm an jedem Morgen entsprach. Dabei unterließ sie es entweder, ein Kürzel wie &bdquo;Do.“ für donnerstags einzufügen, sodass deutlich geworden wäre, dass das Medikament nur einmal pro Woche genommen werden soll. Oder aber es handelt sich um eine Schwachstelle des von der Klinik genutzten Programms, das diesen Zusatz möglicherweise bei späteren Aufrufen oder Ausdrucken nicht sichtbar werden ließ – dies wird wohl eine der vor Gericht zu klärenden Fragen sein. Verlegung ins Bielefelder Franziskus-Hospital Im Mathilden-Hospital wurde die Fraktur eines Wirbelkörpers festgestellt. Da die Gefahr einer Querschnittslähmung bestand, sollte die Patientin am Folgetag ins Bielefelder Franziskus-Hospital verlegt und dort operiert werden. Ein Assistenzarzt schrieb den Verlegungsbericht, der auch den aktuellen, nicht noch einmal überprüften Medikamentenplan der 72-Jährigen enthielt – und somit auch die falsche Dosierung des MTX. Im Franziskus-Hospital nahm der nunmehr dritte Angeklagte, ebenfalls ein Assistenzarzt, die Frau aus Hiddenhausen in der Klinik auf. Allerdings handelte es sich dabei nicht um eine tatsächliche Neuaufnahme, sondern vielmehr, da es sich bei den beiden Häusern um einen Klinik-Verbund handelt, um eine interne Verlegung. Mit dem Ergebnis, dass auch in Bielefeld der Medikamentenplan offenbar nicht überprüft wurde. Lesen Sie auch: Tödliche Überdosis kostet Hiddenhauser Patientin in Bielefelder Klinik das Leben Der Zustand der Frau verschlechterte sich. Doch trotz Verlegung auf die Intensivstation und Absetzung des MTX starb sie schließlich an einer Sepsis aufgrund der viel zu hohen Medikamentendosierung. Tod hätte wahrscheinlich verhindert werden können Dies wäre, so sagte Oberamtsanwalt Guido Hartmann nun in der Verhandlung vor dem Amtsgericht, &bdquo;mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nicht geschehen, wenn alle Ärzte richtig gehandelt und die Medikation kontrolliert hätten. Der Gerichtstermin diente indes eher einer ersten Sondierung der Standpunkte von Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung. Zeugen waren noch nicht geladen. Dabei zeigte sich, dass wohl kein Weg an einer umfangreichen Beweisaufnahme vorbeiführen wird. Diese soll nun voraussichtlich im kommenden Frühjahr durchgeführt werden.

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