Alternatives Lernen: Bielefelds „unmögliche Schulen“ werden 50

Bielefeld. Lebensraum für Kinder und Jugendliche statt Unterrichtsanstalten, aus eigener Erfahrung lernen statt aus Belehrung, inklusiv und für Schüler aus allen Schichten: Nach den Visionen des Pädagogen Hartmut von Hentig wurden am 9. September 1974 Laborschule und Oberstufenkolleg gegründet. Als Versuchsschulen des Landes sollten sie &bdquo;neue Formen des Lehrens, Lernens und Zusammenlebens in der Schule entwickeln“. Schulen ohne herkömmliche Klassenräume, ohne Zeit-, Lern- und Leistungsdruck. &bdquo;Unmöglich“: Das Reformprojekt wurde bereits zu Beginn von der Politik heftig angefeindet. Und wie sieht es 50 Jahre später aus? Die Schulen seien gefragt, bei Schülern und auch Delegationen aus der ganzen Welt, die sich vor Ort einen Eindruck davon machen, wie &bdquo;Kinder so herausgefordert und begleitet werden, dass sie ihr jeweils Höchstmögliches leisten können“, sagt Rainer Devantié. Er leite seit 2014 die Laborschule, hat vorher mehrere Jahre an Schulen in Finnland und Argentinien gearbeitet. Das Bielefelder Konzept sei einzigartig in Europa. Lebensnahes, interessengeleitetes, motivierendes Lernen Hochbeete im Schulgarten, ein Tauschladen für gebrauchte Kleidung, individuelle Praxisprojekte in verschiedenen Ländern Europas und ein &bdquo;überarbeiteter Leistungsbegriff“: Lebensnahes, interessengeleitetes, motivierendes Lernen ist fester Bestandteil an beiden Schulen. &bdquo;Wir müssen Schule komplett neu denken“, fordern angesichts vieler Herausforderungen heute Erziehungswissenschaftler. Ist also zu wenig übergeschwappt in all den Jahren? Lesen Sie auch: Digitaler Wandel: Gibt es in Bielefeld bald keine Schulbücher mehr? &bdquo;Die große Aufgabe der Versuchsschulen ist es nach wie vor, Impulse zu setzen, auch für die Ausbildung angehenden Pädagogen“, sagt Lutz van Spankeren, Leiter des Oberstufenkollegs. Nachweislich seien die Wohlbefindenswerte der Schüler und Kollegiaten sehr hoch. Lange bevor die Politik das Motto &bdquo;Kein Kind zurücklassen“ entdeckte, wurde dies in Bielefeld praktiziert. Mindestens ein Drittel der Kollegiaten hat keine Empfehlung für die gymnasiale Oberstufe, fast die Hälfte einen Migrationshintergrund. Individuelle Begleitung, stete Laufbahn- sowie soziale und psychologische Beratung sind wesentliche Elemente des Erfolgskonzepts. Englisch ab der ersten Klasse, jahrgangsübergreifender Unterricht, offene Räume zur Begegnung, Konzepte zur politischen Bildung: Vieles finde sich heute in anderen Schulen wieder, ergänzt Devantié. Konzeptionell werden die beiden Schulen von den Wissenschaftlichen Einrichtungen Laborschule und Oberstufen-Kolleg der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld begleitet. Aufgrund des Wechsels der Zuständigkeit vom Wissenschafts- zum Schulministerium habe der wissenschaftliche Anteil allerdings abgenommen, so Annette Textor, wissenschaftliche Leiterin der Laborschule. Sie hofft, dass sich zukünftig mehr Schulen an den Forschungsprojekten – wie aktuell beispielsweise zu kompetenzorientiertem Deutschunterricht oder Funktionsweisen und Urteilsbildung von und mit KI – beteiligen. An der Laborschule werden aktuell etwa 710 Kinder vom Vorschuljahr bis zur Klasse 10 unterrichtet, mit dem Ziel &bdquo;Selbstvertrauen und Lebenskraft entwickeln“. Sie können dort alle Abschlüsse der Sekundarstufe I erreichen. Das Oberstufen-Kolleg besuchen 530 Schüler von der Klasse 11 bis zum Zentralabitur. Bis 2002 gab es eine vierjährige Ausbildung, mit der Idee, dass die Kollegiaten in dieser Zeit schon einen Großteil ihres Grundstudiums in verschiedenen Fachrichtungen absolvieren konnten. &bdquo;Das hat in der Praxis dann aber nicht funktioniert“, sagt van Spankeren. Niemals Stillstand, sondern permanente Reform ist das selbstgesetzte Markenzeichen der Versuchsschulen. &bdquo;Es gibt immer wieder Veränderungen“, sagt Timo Zenke, stellvertretender Leiter der Wissenschaftlichen Einrichtung Laborschule. Festwoche vom 9. bis 14. September &bdquo;50 Jahre neues Lernen“ Unter dem Motto &bdquo;50 Jahre neues Lernen“ wird das Jubiläum mit einer Festwoche vom 9. bis 14. September gefeiert – mit Angeboten auf dem Schulgelände und an verschiedenen Orten in der Stadt. Höhepunkt ist ein Open-Air-Konzert mit Party. Die Festwoche startet am Montag, 9. September, mit einer Bildungsmeile von 13 bis 15 Uhr, auf der Laborschule und Oberstufen-Kolleg Produkte und Ergebnisse ihrer Arbeit präsentieren – in den Räumen der Schulen und auf dem Weg von der Stadtbahnhaltestelle Kurt-Schumacher-Straße zu den Schulen. Der offizielle Festakt mit Ehemaligen und Gästen aus Politik, Bildung und Wissenschaft folgt von 15 bis 18 Uhr auf Feld 2 des Oberstufen-Kollegs. Im Anschluss wird eine Ausstellung mit Zeichnungen von Till Mette aus seiner Zeit am Oberstufen-Kolleg (OS) eröffnet. Dabei wird auch das Buch &bdquo;Kunst, Poesie und Musik am OS“ vorgestellt. Open-Air-Konzert mit anschließender Party Von Dienstag bis Donnerstag, 10. bis 12. September, organisiert die Laborschule unter dem Motto &bdquo;You. Me. We. In die Stadt hinein Schule“ Aktionen in der Stadt. Führungen durch die Laborschule werden Mittwoch, 11. September, angeboten. Eine Geburtstagsparty nur für die Schüler feiert die Laborschule vormittags am Freitag, 13. September. Ab 18 Uhr folgt am selben Tag am Oberstufen-Kolleg das öffentliche Ästhetik-Festival – mit Bühnenprogramm, Ausstellungen und einem Film von Daniel Titze, der Interviews mit Schülern aus der Gründungsphase zeigt. Zeitzeugen organisieren am Samstag, 14. September, ab 14 Uhr eine Veranstaltung mit schulgeschichtlichen und aktuellen Schwerpunkten am Oberstufen-Kolleg. Höhepunkt der Festwoche ist eine Großveranstaltung am Samstag, 14. September, ab 16 Uhr: ein Open-Air-Konzert mit anschließender Party. Auf der Bühne auf dem Außengelände der Laborschule treten die Bands Hundreds und Girlwoman auf. Nach dem Konzert wechseln die Besucher zur Party in die Mensa der Laborschule, in der ein DJ auflegt. An Foodtrucks gibt es Snacks und kalte Getränke. Der Vorverkauf ist bereits angelaufen, Eintrittskarten sind online verfügbar.

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