Strenge Auflagen: Bielefelderin hält sechs Waschbären als Haustiere

Bielefeld. Bruno und Barney plumpsten vor vier Jahren aus einer jahrhundertealten, efeubewachsenen Eiche ins Gras. Der Baum steht auf einem alten Bauernhof im ländlichen Bielefeld. Der Senior der Familie sammelte die Winzlinge auf, lagerte sie erst einmal in einem Eimer und alarmierte seine Frau, die wiederum ihre Tochter rief. &bdquo;Sie sagte, komm schnell, Papa hat komische Tiere gefunden“, erinnert sich Carla. M. Damit begann eine ungewöhnliche Tiergeschichte, an deren Ende sechs zahme, lebhafte und neugierige Vierbeiner stehen - Bielefelds einzige private Waschbär-WG. Die 50-jährige Computerfachfrau, deren Name hier zu ihrem Schutz und auch zu dem der Waschbären (vor unerwünschten Besuchern) geändert wurde, informierte den zuständigen Jäger und entschied nach kurzem Überlegen, die Findlinge zu behalten und aufzuziehen. &bdquo;So fing das alles an“, erinnert sie sich. &bdquo;Und dann kamen die nächsten beiden dazu.“ Offensichtlich hatte sich im Geäst der alten Eiche eine Waschbärmutter einquartiert, die mit ihrem Nachwuchs überfordert war. Denn alsbald purzelten auch Jerry und Bernd aus dem riesigen Baum auf den Boden. Die Bielefelderin nahm sie ebenfalls in Obhut, genauso wie Mopsi und Wusel ein Jahr später, die die tierische Wohngemeinschaft komplettierten. Hunde-Welpenmilch für Bielefelder Waschbär-Babys Da Waschbären dämmerungs- und nachtaktiv sind und die Fähen nachts auf Beutesuche gehen, schlafen ihre Jungen dann. Gut für Ersatzmutter Carla M., die die hungrigen Tierchen entspannt nur tagsüber mit Flasche und Sauger füttern musste: &bdquo;Mit Welpenmilch für Hunde.“ Nach rund drei Monaten gab es den ersten Möhrenbrei und süße Früchte wie Birnen und Weintrauben. Später kamen Mehlwürmer aus dem Handel, Regenwürmer und Hundetrockenfutter hinzu. Waschbären dürfen nicht wieder ausgewildert werden, und ihre Haltung ist nur unter zahlreichen Vorgaben erlaubt. Vorgeschrieben ist ein Aneignungsnachweis des zuständigen Jägers, die Tiere müssen geimpft, gechippt, kastriert und dem Veterinäramt gemeldet werden, das wiederum einen Sachkundenachweis fordert. Nachzuweisen ist außerdem eine artgerechte Haltung in einer ausbruchssicheren Anlage. Das Landesumweltministerium, bei dem sich Carla M. erkundigte, verwies auf &bdquo;Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren“ und darauf, dass das Gehege &bdquo;eine Grundfläche von 50 Quadratmetern nicht wesentlich überschreiten dürfe“ – ansonsten sei eine &bdquo;Tiergehege-Genehmigung“ erforderlich. Mithilfe eines Zimmermanns baute die Familie für ihre Zöglinge ein großes Gehege, wie vorgeschrieben rund 50 Quadratmeter groß, an den ehemaligen Kuhstall, wo sich die Kleinbären in einen rund 20 Quadratmeter großen Innenraum zurückziehen können. Das neue WG-Heim wurde nach und nach abwechslungsreich eingerichtet: mit Pflanzen, Leitern und Ästen, mit Autoreifen, Hängebrücken, einem Holzhäuschen und einem Spielboot mit Wasser. Ein kleiner Teich soll noch hinzukommen. Besuch ist &bdquo;wie eine Therapie“ Ihre Rasselbande hält die Bielefelderin gut beschäftigt. Füttern, Saubermachen - aber auch spielen und kuscheln - dafür geht manche Stunde drauf. &bdquo;Aber es macht viel Spaß“, sagt sie mit liebevollem Blick auf &bdquo;Sonnenschein“ Jerry (&bdquo;Er hat einfach immer gute Laune“), der kontrollieren kommt, was sie macht und ob sie einen Snack - ein Stück Waffeln oder eine Nuss - dabei hat. Wenn sie etwa mit dem Akkuschrauber ins Gehege gehe, um etwas zu reparieren, &bdquo;dann kommen sie alle an und wollen das auch machen.“ Ein Besuch in der Anlage sei wie eine Therapie: &bdquo;Nach höchstens fünf Minuten hat man das erste Mal gelacht. Sie sind einfach zuckersüß.“ Eines der intelligentesten Säuger weltweit &bdquo;Waschbären gehören zu den intelligentesten Säugetieren der Welt“, erzählt die Bielefelderin, die den mitunter schlechten Ruf der Kleinbären nicht nachvollziehen kann. &bdquo;Es gibt sie schon seit 100 Jahren hier. Und bis 2017 galten sie laut Bundesnaturschutzgesetz als heimische Tierart.“ Inzwischen werden sie als invasive Art definiert, die dem Jagdrecht unterliegt. Bis heute lösen sie immer wieder kontroverse Diskussionen aus. Natürlich könnten Waschbären - wie alle Wildtiere - Schaden anrichten und etwa in Biotopen eine Bedrohung für seltene Arten sein, sagt Carla M., die sich intensiv mit dem Kleinbär, seiner Geschichte und der wissenschaftlichen Datengrundlage über seine Auswirkungen auf die heimische Umwelt auseinandergesetzt hat. &bdquo;Aber er wird zu Unrecht zum Sündenbock für alles gemacht.“

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